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Um die Ausbreitung der Corona-Pandemie in Deutschland zu bremsen, hat das Bundesinnenministerium ein Einreiseverbot für Saisonarbeiter angeordnet. Erntehelfern und anderen Saison-Arbeitskräften werde von diesem Mittwoch 25.03.2020 um 17.00 Uhr an im Rahmen der bestehenden Grenzkontrollen die Einreise verweigert, teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit.
Die Regelung gilt für Einreisen aus Drittstaaten, Großbritannien sowie EU-Staaten, die den Schengen-Besitzstand nicht voll anwenden (u. a. Bulgarien und Rumänien) und für Staaten, zu denen Binnengrenzkontrollen vorübergehend wiedereingeführt wurden. Diese Beschränkungen seien "zwingend erforderlich, um Infektionsketten zu unterbrechen", so der Sprecher weiter.
Ausnahme für Polen noch möglich
Noch nicht erfasst sein sollen Personen sein, die über die polnische Grenze einreisen, berichten Arbeitgeberverbände gegenüber top agrar. Polnische Staatsangehörige müssten sich nach aktuellen Informationen ab 27.03.2020 bei Rückkehr ins Heimatland aber einer 14-tägigen Quarantäne unterziehen.
Ob und unter welchen Voraussetzungen Grenzpendler, die die Grenze täglich oder mehrfach in der Woche passieren, davon auch betroffen sind, muss noch geklärt werden, schreibt der Verband.
Rukwied: Schwerer Schlag für die Versorgung mit Obst und Gemüse
Zum vorübergehenden Einreiseverbot für Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa sagt der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied: „Das Einreiseverbot für unsere Saisonarbeitskräfte trifft unsere Betriebe in der jetzigen Phase sehr hart. Insbesondere unsere Obst-, Gemüse- und Weinbaubetriebe, die auch Teil der kritischen Infrastruktur sind, brauchen dringend Arbeitskräfte. Dieser Einreisestopp muss so kurz wie möglich gehalten werden. Unsere Betriebe sind bereit, jegliche Maßnahmen zum Infektionsschutz umzusetzen und zu implementieren.
Außerdem muss es kurzfristig unbürokratische und praktikable Lösungen geben, um Menschen in und aus Deutschland beschäftigen zu können. Die bisherigen Lockerungen der Hinzuverdienstmöglichkeiten unter anderem für Bezieher von Kurzarbeitergeld reichen nun nicht mehr aus, um die entstandene Lücke zu schließen. Hier müssen wir ansetzen und auch die Höchstbeträge für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse anheben, um Menschen für die Arbeit in der Landwirtschaft zu motivieren.
Wir sind dankbar für die große Solidarität, die uns derzeit aus der Bevölkerung entgegengebracht wird und werden alles daransetzen, dass die Versorgung der Bevölkerung auch trotz dieser Krise gewährleistet bleibt.“
In der deutschen Landwirtschaft sind jährlich rund 300.000 Saisonarbeitskräfte beschäftigt, die überwiegend aus Osteuropa kommen.
Keine Versorgungsengpässe für Verbraucher zu befürchten
Keine Engpässe bei der Versorgung mit Lebensmitteln erwartet Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock. „Die Grundversorgung mit Lebensmitteln ist auch ohne Saisonarbeitskräfte weitgehend gesichert“, sagte er der Tageszeitung "taz" (Donnerstagausgabe).
Rund 55 % der Kulturen auf Ackerflächen in Deutschland seien bereits im Herbst ausgesät worden. „Grundnahrungsmittel wie Getreide, Kartoffeln werden vor allem maschinell geerntet“, ergänzte das Bundesagrarministerium auf Anfrage der taz. „Der Selbstversorgungsgrad in Deutschland liegt hier bei über 100 %, genauso wie etwa bei Schweinefleisch, Käse und weiteren wichtigen Erzeugnissen.“
Engpässe könnte es Lakner zufolge vor allem bei der Spargel- und danach bei der Erdbeerente sowie im Gemüse- und Obstanbau geben. Da die Produktion auch in Südeuropa wegen Corona erschwert ist, könnten die Importe etwa aus Spanien beispielsweise sinken.
Der Bauernverband fordert derweil, auch die Höchstbeträge für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zu erhöhen, um mehr Menschen aus dem Inland für eine Saisontätigkeit in der Landwirtschaft zu motivieren.
„Es hilft ja jetzt auch nicht, alle möglichen Leute in eine geringfügige Beschäftigung zu treiben“, sagt Harald Schaum, Vize-Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. Stattdessen sollten die Arbeitgeber die Löhne erhöhen. „Würden die Löhne für Saisonarbeit über dem gesetzlichen Mindestlohn sein, würde man mehr Beschäftigte aus dem Inland bekommen“, sagte Schaum der taz. Betriebe, die bereits bessere Bedingungen anbieten, bewiesen das. Etwas höhere Löhne würden die Preise nur wenig ansteigen lassen.
FDP Abgeordnete Konrad fordert schnelle Lösung
Kritik an der Maßnahme kommt aus der FDP. "Die Einreise ausländischer Saisonarbeiter zu unterbinden, ist eine Maßnahme der Bundesregierung, die die Versorgung in Deutschland mit Obst und Gemüse massiv gefährden wird", sagte die FDP-Abgeordnete Carina Konrad am Mittwoch. Sie forderte für diesen Ausnahmezustand "schnelle und unkomplizierte Lösungen". Es sei wichtig, die Infektionsgefahr zu verhindern, aber gleichzeitig die Ernte vom Acker zu bekommen. "Diese Vorgabe wird aber erhebliche Ernteausfälle und eine nicht auszugleichenden Pleitewelle bei arbeitsintensiven Betrieben zur Folge haben und geht damit sowohl zu Lasten der Landwirtschaft, als auch zu Lasten der Bevölkerung, wenn zu Saisonende das Obst und Gemüse auf den Tellern fehlt", sagte Konrad.