Die Ampel-Koalition hat sich am Sonntag auf ein drittes Entlastungspaket verständigt, dessen Umfang die Regierung auf etwa 65 Mrd. € beziffert. Es umfasst unter anderem Maßnahmen auf dem Energiemarkt und eine Strompreisbremse, Direktzahlungen für Rentner, Studierende und Wohngeldbezieher sowie Steuererleichterungen und eine Erhöhung des Kindergelds.
Keine direkte Ansprache der Landwirtschaft
Eine direkte Ansprache der Landwirtschaft findet sich in dem 13-seitigen Papier nicht. Merken würde es die Landwirtschaft aber insbesondere, wenn sich das Design des Strommarktes ändert. Dort treiben derzeit die hohen Gaspreise den Strompreis, der sich am höchsten Preis für alle Erzeugungsarten orientiert. „Auf europäischer Ebene werden kurzfristige Notfallmaßnahmen diskutiert, um die aktuellen Schieflagen im europäischen Strommarkt zu korrigieren, Preise zu dämpfen und damit Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen“, heißt es im Entlastungspaket. Von der Ampel-Koalition gibt es dazu eine Absichtserklärung, sich auf EU-Ebene „mit Nachdruck“ dafür einzusetzen, dass es schnell zu Verabredungen kommt.
Weniger Einkommensteuer, mehr Kindergeld
Zudem wird sich der Abbau der "kalten Progression" und die Erhöhung des Kindergeldes auf den Konten der landwirtschaftlichen Familien bemerkbar machen. Danach sollen ab 1. Januar 2023 die Einkommenssteuertarife angepasst werden. Das Kindergeld wird ebenfalls ab dem 1. Januar 2023 um 18 € monatlich für das erste und zweite Kind angehoben.
Für energieintensive Unternehmen, die die Steigerung ihrer Energiekosten nicht weitergeben können, plant die Bundesregierung laut dem Entlastungspaket ein Stützungsprogramm. Zudem sollen die bestehenden Hilfsprogramme für Unternehmen bis zum 31. Dezember 2022 verlängert werden. Außerdem wird für diese Unternehmen der Spitzenausgleich bei den Strom- und Energiesteuern um ein weiteres Jahr verlängert.
Weiter nur 7% Umsatzsteuer in der Gastronomie
Alle gastronomischen Betriebe und Hofcafés können im Entlastungspaket die Fortführung ihrer in der Corona-Krise erreichten Mehrwertsteuersenkung verbuchen. Die Absenkung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie auf 7 % wird verlängert.
Schon vor der Einigung auf das Entlastungspaket hatte sich die Bundesregierung darauf geeinigt, als Ausgleich für die neue Gasumlage zeitgleich die Umsatzsteuer auf den gesamten Gasverbrauch zu reduzieren. Danach wird befristet bis Ende März 2024 für den Gasverbrauch statt 19 % der ermäßigte Steuersatz von 7 % gelten.
Mehr Geld für die globale Ernährungssicherheit
Außerdem findet sich im Entlastungpaket an vorletzter Stelle ein Punkt zur globalen Ernährungssicherheit. Aus möglichen Haushaltsresten des Jahres 2022 sollen laut dem Entlastungspaket weitere bis zu 1 Mrd. € für die globale Ernährungssicherheit zur Verfügung gestellt werden. Das Bundesentwicklungsministerium will mit dem Geld Organisationen der Vereinten Nationen, insbesondere das World Food Programme (WFP) und zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützen, die damit Menschen in den am stärksten betroffenen Ländern Afrikas und des Nahen Ostens helfen. Deutschland investiert dieses Jahr bereits Mittel in Höhe von rund 4 Mrd. € in Ernährungssicherheit.
"Es ist ein starkes Signal, dass diese Koalition in schwierigen Zeiten die globalen Zusammenhänge im Blick behält. Wenn Putin Hunger als Waffe nutzt, antworten wir mit einer Politik für Ernährungssicherheit. Alles, was wir jetzt zusätzlich in Ernährungssicherheit investieren, hilft, schlimmere Krisen zu verhindern“, sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) am Montagmorgen.
Milchwirtschaft sieht keine Probleme gelöst
Die Milchwirtschaft sieht in dem Paket wenig Auswirkungen auf ihre Branche. „Das löst kein Problem der Industrie“, sagte Eckhard Heuser, Hauptgeschäftsführer des Milchindustrieverbandes (MIV) gegenüber top agrar. Die Molkereien begrüßten allerdings die Pläne für ein neues Strommarktdesign, so Heuser. Allein die Umsetzung werde noch dauern.
Die Steuererleichterungen bei der Mehrwertsteuer, etwa für Gas, seien bei den Unternehmen „durchlaufende Posten“, so Heuser. Und von der abgesenkten Mehrwertsteuer für die Gastronomie erwartet Heuser keine durchschlagende Wirkung auf die Lebensmittellieferanten.
Die Milchwirtschaft stehe genau wie die Landwirtschaft vor allem vor dem Problem, dass die Düngerindustrie ihre Produktion drossele. Viele Nebenprodukte aus der Düngerproduktion, die bei den Prozessen in der Milchverarbeitung genutzt werden, fehlten. Große Sorgen mache sich die Milchbranche zudem, dass sich künftig auf Grund der hohen Energiepreise die Trocknung von Milch nicht mehr lohne.
Raiffeisenverband hofft auf niedrigere Energiesteuern
Der Deutsche Raiffeisenverbands (DRV) hält das Paket für „gut gemeint“ aber „ungenügend umgesetzt“. Der Bundesregierung sei nicht der notwendige große Wurf gelungen, heißt es beim DRV am Montagmorgen. „Sie setzt wieder fast ausschließlich auf teure Einmalzahlungen, von denen die Unternehmen kaum profitieren und die die Bürger quasi im Nachgang von den hohen Energie- und Lebensmittelkosten entlasten sollen“, sagte DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp. Er erwartet, dass die Wirkung der Einmalzahlungen zu großen Teilen verpufft.
Wirksame Gestaltungsmöglichkeiten sieht Holzenkamp bei den Steuern und Abgaben. „Bei niedrigeren Steuern und Abgaben sinken die Produktkosten und damit die Belastungen von Unternehmen und Bürgern. Daher seien die angekündigte Mehrwertsteuersenkung auf Gas bis Ende März 2024 sowie die Verschiebung der für den 1. Januar 2023 geplanten Erhöhung des CO2-Preises um ein Jahr richtig. „Für mich gehören alle Steuern und Abgaben in den Bereichen Energie und Ernährung dringend auf den Prüfstand“, so Holzenkamp.
Die Ernährungsindustrie begrüßte im Entlastungspaket vor allem die Erweiterung und Verlängerung der Unternehmensbeihilfen und Kostendämpfungsmaßnahmen. Diese Maßnahmen seien unerlässlich, um die deutsche Ernährungsindustrie bei den Energiekosten zu entlasten, sagte Peter Feller, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie (BVE).