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Heizungstausch: NRW für mehr Beinfreiheit bei den Wärmeträgern

Erneuerbare Energien bieten große Chancen für Landwirte, sagt NRW-Klima- und Wirtschaftsministerin Mona Neubaur. Für die Heizungspläne der Berliner Ampelregierung wünscht sie sich mehr Freiheiten.

Lesezeit: 8 Minuten

Frau Neubaur, der Vorschlag zum Gebäudeenergiegesetz sorgt für Aufruhr, weil Holz allein nicht mehr als erneuerbare Energiequelle beim Heizen gelten soll. Stehen Sie hinter dem Plan Ihres Parteikollegen Robert ­Habeck?

Neubaur: Mit dem Entwurf zum Gebäudeenergiegesetz geht die Bundesregierung Versäumnisse der Vergangenheit an. Wir müssen bei der Versorgung mit Wärme CO2 sparen, wenn wir dem Klimaschutz gerecht werden wollen. Gerade für Landwirtinnen und Landwirte hat es schwere Folgen, wenn Böden austrocknen oder überschwemmen. Im Sektor Gebäude ist bisher zu wenig passiert. Daher ist es richtig, dass das Gebäudeenergiegesetz den Fokus auf erneuerbare Energien setzt.

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Und es ist auch richtig, das wo immer möglich über eine Elektrifizierung und über Wärmepumpen zu regeln. In dicht be­siedelten Regionen wie NRW ­brauchen wir aber eine gewisse Beinfreiheit, um auch andere Wärmeträger einsetzen zu dürfen.

Wie stehen Sie dann zum Einsatz von Holzheizungen?

Neubaur: Holzpellets-Heizungen lassen sich weiter einsetzen. Es stimmt aber, dass Holz im Neubau im Gesetzentwurf nicht als erneuerbarer Energieträger gilt. Wir bringen uns als Landesregierung dafür ein, dass auch die Forstwirtschaft ein Teil des Erwirtschaftens in Nordrhein-Westfalen ist.

Was sollte sich im Gebäudeenergiegesetz noch ändern?

Neubaur: Selbst konservative Prognosen sagen, dass die Gestehungskosten bei den erneuerbaren Energien künftig am günstigsten sind. Damit ergibt eine Wärmeversorgung, die auf erneuerbaren Strom ausgerichtet ist, auch ökonomisch Sinn. Gerade im ländlichen Raum kann aus einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, einer Wallbox in der Garage und einer Wärmepumpe tatsächlich eine kostengünstige Energie- und Wärmeversorgung werden.

Wir brauchen eine gewisse Beinfreiheit, auch andere Wärmeträger einsetzen zu dürfen.

Die Bundesregierung hat die Preise für Gas und Strom für 2023 gedeckelt. NRW zahlt Härtefallhilfen bei hohen Kosten für Öl, Holzpellets, Flüssiggas und Kohle. Wie lange wird die staatliche Subventionierung von Energie weitergehen?

Neubaur: Wir müssen teuer dafür bezahlen, dass wir aus der Erpressbarkeit russischer Rohstoffe kommen. Wir stellen nun aber fest, dass sich die Börsenpreise für Energie beruhigt haben und wir bei Gas auf ein Niveau von vor Ausbruch des Angriffskrieges liegen. Die Bundesregierung hat die Diversifizierung der Energiequellen ambitioniert umgesetzt. Die Preisbremsen greifen. Wir haben im letzten Jahr 25 % weniger Gas verbraucht als in den Vorjahren. Das zeigt, dass es geht. Energie ist ein teures Gut. Daher bleibt die Frage des effizienten Einsatzes. Eine dauerhafte Subventionierung von Gas- und Strompreisen ist meiner Ansicht nach nicht darstellbar.

Sie wollen ein neues Klimaschutzgesetz für NRW vorlegen. Welche Rolle spielt die Landwirtschaft dabei?

Neubaur: Wir bringen als Landesregierung verschiedene Klimaschutzpakete auf den Weg. Damit zeigen wir, dass das nicht allein Aufgabe des Klimaschutzministeriums ist. Daher entwickeln wir auch gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium Vorschläge.

Gerade für die Landwirtschaft ist der Ausbau der erneuerbaren Energien lukrativ.

NRW ist ein Industrieland, die Landwirtschaft hat einen geringen Anteil an den gesamten Treibhausgasemissionen. Gehen Sie im Klimaschutzgesetz jetzt vor allem die großen Emittenten mit dem Kohleausstieg und der Wärmewende an?

Neubaur: Nein. Gerade für die Landwirtschaft ist der Ausbau der erneuerbaren Energien lukrativ. Damit lassen sich Einnahmeausfälle an anderer Stelle kompensieren. Ich denke da an die Waldbauern und ihre Kalamitätsflächen. Wir können auch Angebote machen für Agri-PV oder Freiflächen-PV. Das ist eine große Chance für die Landwirtschaft. Das wird das Landwirtschaftsministerium in dem Teil der Energieversorgung im Klimaschutzpaket sicherlich konstruktiv begleiten.

In erneuerbare Energien investieren viele Landwirte gerne. Schwieriger ist das Einsparen von Emissionen in der Tierhaltung und dem Ackerbau sowie der Humusaufbau. Muss die Landwirtschaft da noch mehr liefern?

Neubaur: Die Frage der Tierhaltung diskutiert das Bundeslandwirtschaftsministerium intensiv. Richtig ist, dass wir neben ­ei-ner technischen Lösung, CO2 aus der Atmosphäre zu nehmen, auch über die natürlichen CO2-Senken sprechen müssen, etwa über die Wiedervernässung der Moore. Hier wollen wir in den Dialog treten und den Landwirtinnen und Landwirten ein Angebot machen. Da wollen wir nicht über Zumutungen sprechen, sondern darüber, wie die Landwirtschaft gestaltender Teil der Lösung beim Klimaschutz werden kann.

Wie hoch sehen Sie den Druck auf die Tierhaltung, aus Klimaschutzgründen Tierbestände abzubauen?

Neubaur: Die Frage der Veredlung ist nicht getrieben durch den Klimaschutz, sondern durch ein System, in dem am Ende diejenigen am kürzesten Ende des Tisches sitzen, die veredeln. Die gesellschaftlichen Veränderungen, dass immer mehr Menschen sich mit weniger Fleisch ernähren, korrelieren damit, dass gewisse Standards für die Haltung von Tieren eingefordert werden. Landwirte sind Teil einer Gesellschaft und können sich dieser Debatte nicht entziehen. Das wollen sie auch nicht, nehme ich aus Gesprächen mit. Es braucht aber gute Übergangslösungen.

Wir nehmen die Hinweise des Bauernverbandes hinsichtlich des Drucks auf landwirtschaftliche Flächen ernst.

Die Landesregierung will mehr Freiflächen-Photovoltaik und Agri-PV. Doch viele Anlagen rechnen sich derzeit schwer bis gar nicht. Wie will Schwarz-Grün den Ausbau beschleunigen?

Neubaur: Erst mal müssen wir die planerischen Voraussetzungen herstellen. Fläche ist in NRW ein spezielles Thema. Da müssen wir Interessen von Landwirtschaft, Bauen und Wohnen, Industrie und Naturschutz vereinen. Im Landesentwicklungsplan können wir für Freiflächen-Photovoltaik entlang von Infrastrukturtrassen Flächen frei geben. Bei Agri-PV stehen wir noch sehr am Anfang. Der Solargipfel beim Bundeswirtschaftsministerium in Berlin hat gezeigt, wir nehmen die Hinweise des Bauernverbandes hinsichtlich des Drucks auf landwirtschaftliche Flächen ernst.

Wie wollen Sie den Konflikt um Fläche und damit steigende Bodenpreise entschärfen?

Neubaur: Wir gehen das zuerst mit der Raumordnung und der Priorisierung an Infrastrukturtrassen an. Dann soll Freiflächen-PV nur auf weniger ertragreichen Flächen möglich sein. Außerdem wollen wir die Mehrfachnutzung fördern, wie sie es bei Agri-PV schon gibt. Mit Floating-PV haben wir in NRW mit den vielen künstlichen Gewässern ein Potenzial. So wollen wir nicht nur ein ökologisch rekultiviertes Wasser schaffen, sondern darauf auch Energie erzeugen.

Vom Ausbau der erneuerbaren Energien sollen ländliche Regionen und die ländliche Bevölkerung profitieren. Wie wollen Sie das erreichen – damit nicht nur einzelne Projektierer verdienen?

Neubaur: Damit Bürgerenergiegemeinschaften bei einer Investition das Risiko absichern können, erarbeiten wir mit der NRW.BANK einen Bürgerenergiefonds. Er soll dieses Jahr kommen. Damit soll es Zusammenschlüssen von Landwirtinnen und Landwirten und Bürgerinnen und Bürgern erleichtert werden, ihre Energieversorgung selber vor Ort anzugehen. Es geht um die Demokratisierung der Energieversorgung, damit sich nicht nur wenige den Kuchen aufteilen.

Die NRW-Landesregierung nennt 1000 zusätzliche Windenergieanlagen in den nächsten fünf Jahren als Ziel. Gleichzeitig sind die Abstandsregeln zu Wohnbebauung weiter hoch. Wie wollen Sie das schaffen?

Neubaur: Wer Nordrhein-Westfalen zur ersten klimaneutralen Region Europas umbauen will, braucht die Versorgung mit erneuerbaren Energien. Wir prüfen mit den Regionen Potenzialflächen, damit ausreichend Fläche für Windenergie­anlagen vorhanden ist. Für bestehende Standorte haben wir die Abstandsregel abgeschafft.

Zudem lassen sich nun auch in Industrie- und Gewerbegebieten Windkraftanlagen aufstellen. Denn es ist sinnvoll, möglichst verbrauchsnah Energie zu erzeugen. Das schont auch Netze, macht den Ausbau kontrollierbarer und auch die Unternehmen haben daran ein großes Interesse.

Bioenergie soll ein Baustein der Energiewende bleiben.

Am nötigen Netzanschluss scheitern schon jetzt Erneuerbare-Energien-Projekte. Was passiert hier?

Neubaur: Wir haben zugesagt, dass Nordrhein-Westfalen seinen Beitrag zum vom Bund ausgegebenen 2-%-Ziel für erneuerbare Energien leistet. Das ist auch für die Planung der Netze eine neue Ausgangslage. Wir haben das mit der integrierten Netzplanung NRW aufgegriffen. Das muss und wird begleitet von einer gesellschaftlichen Debatte, weil wir damit auch in die Optik der Landschaft eingreifen.

Norbert Jardin, Vorstandsvorsitzender des Ruhrverbandes, sagte kürzlich in einem Interview, dass der Ruhrverband mit Wasserkraft, Photovoltaik und Biogas locker die doppelte Menge an Strom produzieren könnte – das aber verboten ist, weil er gesetzlich nur für den Eigenbedarf produzieren darf. Zeit für eine Gesetzesänderung, oder machen RWE und Eon Druck?

Neubaur: Das ruft danach, die Akteure, die das ermöglichen können, ernst zu nehmen, die Ideen aufzugreifen und ernsthaft zu prüfen.

Mit dem Wegfall russischen Gases haben sich Biogasanlagenbetreiber Hoffnungen auf einen stärkeren Beitrag zum Energiemix gemacht. Welche Rolle sollen die 1140 Biogasanlagen in Nordrhein-Westfalen spielen?

Neubaur: Die Bioenergie spielt eine große Rolle in einer intelligenten Form der Energieerzeugung. Weil ganz häufig die existierenden Bioenergieanlagen Teil von Nahwärmenetzen sind. Im Sinne der Effizienz koppeln sie Kraft und Wärme. Deshalb haben wir uns als Energieministerium immer in die Debatten um die Bioenergie gegenüber der Bundes­regierung eingebracht. Wir wollen als Landesregierung weiteres Potenzial für die Bioenergie heben, mit Einsatz von Abfällen und Gülle. Für uns in Nordrhein-Westfalen ist klar: Bioenergie ist und soll ein Baustein der Energiewende bleiben.

Von Bayern nach NRW: Mona Neubaur (Grüne) ist seit dem 29. Juni 2022 Ministerin für Wirtschaft, Indus­trie, Klimaschutz und Energie und stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Diplom-Pädagogin hat von 2003 bis 2007 als Referentin für Öffentlichkeitsarbeit/PR beim Ökostromanbieter Naturstrom AG gearbeitet. Dann wechselte sie zur Heinrich-Böll-Stiftung NRW, wo sie von 2010 bis 2014 Geschäftsführerin war. Von 2014 bis 2022 war sie Landesvorsitzende der Grünen in NRW, seit dem 15. Mai 2022 Abgeordnete des NRW-Landtags. Mona Neubaur ist am 1. Juli 1977 in Pöttmes, Bayern, geboren. Seit 1997 lebt sie in ihrer Wahlheimat NRW.

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