Die Verzögerung der Verhandlungen zum mehrjährigen EU-Finanzrahmen lassen die Agrarreform ins Stocken geraten. Der zyprische Vorsitzende des Landwirtschaftsministertreffens, Sofoklis Aletraris, räumte vergangene Woche in Brüssel ein, er verabschiede sich von der Hoffnung, noch vor dem Jahresende eine politische Einigung zu Fragen, die nicht vom Geld abhängig sind, herbeizuführen. Stattdessen soll es auf dem letzten Agrarrat unter seinem Vorsitz im Dezember lediglich einen unverbindlichen Sachstandsbericht geben.
Vor Journalisten erklärte er am Mittwoch, zahlreiche Minister hätten hinter verschlossenen Türen ihrer Besorgnis über die auf dem Tisch liegenden Kürzungen der maximalen Agrarausgaben für den Zeitraum 2014 bis 2020 Ausdruck verliehen. Es herrschten Enttäuschung und Bestürzung vor. Man müsse sich darauf einstellen, dass die neuen Regeln am 1. Januar 2014 vielleicht noch nicht in Kraft treten könnten.
EU-Agrarkommissar Dr. Dacian Cioloş stellte klar, dass seine Dienststellen für diesen Fall gerüstet seien, aber diese Frage stelle sich derzeit noch nicht. Er appellierte an den Rat und das Europaparlament, ihrer Verantwortung nachzukommen und rechtzeitig über die Reform zu entscheiden. Es sei nach wie vor möglich, unter der kommenden Ratspräsidentschaft Irlands zu einer Einigung zu gelangen. Dazu brauche es allerdings eines Beschlusses über den Finanzrahmen möglichst früh im neuen Jahr.
Agrarumweltmaßnahmen verrechnen
Inhaltlich bekräftigten die Minister auf dem Treffen überwiegend bekannte Positionen zur Ökologisierung der künftigen Agrarpolitik, zu den Marktmaßnahmen und zur ländlichen Entwicklung. Bei der Tischrunde zur Ausgestaltung des Greenings wurde allgemein die Bedeutung einer ausreichenden Flexibilität für die nationale Umsetzung unterstrichen. Die Berücksichtigung laufender Agrarumweltmaßnahmen scheint ausgemachte Sache zu sein.
Strittig sind die Details, beispielsweise ob die gesamte landwirtschaftlich genutzte Fläche des Betriebs darunter fallen soll oder nicht. Cioloş pochte darauf, dass Agrarumweltmaßnahmen nur dann zusätzlich vergütet werden dürfen, wenn sie über die Greening-Anforderungen hinausgehen.
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner sprach sich dafür aus, dass Betriebe auch dann von ein oder zwei Greening-Auflagen befreit werden sollten, wenn vergleichbare Agrarumweltmaßnahmen nicht auf ihrer gesamten Nutzfläche durchgeführt werden. Ferner begrüßte sie die Möglichkeit zur Anerkennung von Zertifizierungen auf nationaler Ebene. Gemeinsam mit zahlreichen anderen Ministern forderte sie Rechtssicherheit für die Anerkennung von Agrarumweltmaßnahmen. Die Kommission müsse zu Beginn der Förderperiode klipp und klar festlegen, welche Aktionen auf das Greening angerechnet werden können und welche nicht.
Pro und Contra Zuckerquoten
Ferner zeigte sich erneut eine Spaltung des Agrarrats zur Frage, ob die Zuckerquoten 2015 auslaufen sollen oder nicht. Während zahlreiche Delegationen einschließlich Deutschland auf eine einmalige Verlängerung bis 2020 drangen, lehnten einige Länder, darunter Großbritannien, diesen Schritt vehement ab.
Cioloş plädierte für ein schnelles Ende der Garantiemengenregelung. Die Erzeuger könnten ihre Produktion auch ohne Quoten über Kontrakte regeln. „In Zeiten hoher Preise sehe ich keinen Grund, warum die am Markt verfügbare Zuckermenge in einem Büro in Brüssel bestimmt werden sollte“, so der Kommissar. Die Bundeslandwirtschaftsministerin hält die letztmalige Verlängerung der Quotenregelung hingegen für notwendig, um den Erzeugern nach der - auch aus Aigners Sicht erfolgreichen - Zuckermarktreform von 2005/06 eine Verschnaufpause zu gewähren.
Berlin unterstreicht Position zur Zweiten Säule
Im Rahmen der Tischrunde zur ländlichen Entwicklung bekräftigte Aigner, dass Deutschland einer Neuabgrenzung der benachteiligten Gebiete auch nach dem aktuellen Verhandlungsstand - also mit einer geringfügigen zeitlichen Verzögerung und abgesenkten Auslöseschwellen - derzeit nicht zustimmt. Hier erhält sie aber nur von wenigen Mitgliedstaaten wie Österreich ausdrückliche Unterstützung. Im Nachbarland würde die Neuabgrenzung nach Delegationsinformationen zu Verlusten der derzeitigen Gebiete in einer Größenordnung von 70 % führen.
Ferner lehnte Aigner das im Raum stehende Instrument zur Einkommensstabilisierung über eine Versicherungslösung weiter ab. Darüber hinaus verlangte sie unter anderem die Möglichkeit zur Kofinanzierung mit privaten Mitteln sowie den Verzicht auf eine Kofinanzierungspflicht für Gelder, die von der Ersten in die Zweite Säule umgeschichtet wurden. Für andere Länder, beispielsweise Irland, stand die Aufrechterhaltung ihrer Mittelzuweisungen für die ländliche Entwicklung im Vordergrund. (AgE)