Aus haushaltskontrollpolitischer Perspektive sind die Direktbeihilfen der Ersten Säule nach Ansicht des Europaabgeordneten Daniel Freund eines der Hauptprobleme der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).
„Diese Zahlungen laden unter bestimmten Bedingungen zum Betrug ein und befördern die Landkonzentration, weil sie außerlandwirtschaftlichen Großinvestoren eine Mindestrendite bieten“, erklärt das Mitglied im Haushaltskontrollausschuss des Europaparlaments im Interview mit AGRA-EUROPE.
Ein besonderes Problem sei dies vor allem in mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten, da diese über große ehemals staatliche oder gemeinschaftliche Agrarflächen verfügt hätten. Diese landwirtschaftlichen Flächen seien häufig unter teils dubiosen Umständen in Privatbesitz übergegangen.
So sei dort in der Vergangenheit der Landverkauf häufig nicht transparent ausgeschrieben worden, da nur bestimmte Interessenten überhaupt von den Angeboten gewusst hätten oder ausländischen Bietern gezielt der Zugang verwehrt worden sei.
Auf den neu geschaffenen Rechtsstaatsmechanismus angesprochen, erklärt der Grünen-Politiker, er glaube zwar nicht, dass dies jetzt das Allheilmittel für den europäischen Rechtsstaat sei. Nichtsdestoweniger sei es ein weiteres Werkzeug, mit dem vielleicht in Bereichen gearbeitet werden könne, wo die bestehenden Werkzeuge, die der Kommission unter bestimmten Bedingungen auch jetzt schon die Möglichkeit gäben, Gelder einzufrieren, nicht ausreichten.
Wer bekommt das Geld?
Als kritisch bewertet es der Europaabgeordnete, dass es bisher nicht möglich sei, von der EU-Kommission in Erfahrung zu bringen, wer zu den 50 größten Agrarbeihilfenempfängern in der Europäischen Union gehöre. Auf Anfrage habe der Haushaltskontrollausschuss lediglich eine Liste mit entsprechenden Zahlstellen erhalten.
Im Hinblick auf die GAP-Reform stellt Freund klar, dass er bei aller Kritik, die er als Grünen-Politiker aus der Umweltperspektive heraus anführen könne, als Haushaltskontrollpolitiker doch auf einen Lichtblick verweisen könne.
Nachdrücklich begrüßt der ehemalige Mitarbeiter von „Transparency International“, dass laut den GAP-Verhandlungsvorschlägen des Parlaments, Zahlungen für Agrarholdings aus der Ersten Säule auf 500.000 € und die aus der Zweiten Säule auf 1 Mio € im Jahr begrenzt werden sollen. Zwar hätte er sich diese Werte niedriger gewünscht. Nichtsdestoweniger würden selbst diese Obergrenzen bereits gegen die oligarchischen Strukturen gerade in den östlichen Mitgliedstaaten helfen.
Ungarn ohne unabhängige Justiz
Hart ins Gericht geht Freund vor allem mit den Regierungen in zwei Mitgliedstaaten. So wirft der Abgeordnete dem tschechischen Premierminister Andrej Babiš vor, bereits vor seinem Eintritt in die Politik mit EU-Agrarsubventionen über den von ihm gegründeten Agrarkonzern Agrofert reich geworden zu sein. Dann habe sich Babiš überlegt, wie er die Regeln mitbestimmen könne und sei in die Politik gewechselt.
Jetzt, so Freund, könne dieser als Regierungschef auch an den Brüsseler Tischen mitbestimmen, wie die Agrargelder verteilt würden. Bei einem Besuch des Haushaltskontrollausschusses im Februar in Prag habe man feststellen müssen, dass dort bisher nicht wirklich eine Überprüfung „dieses offensichtlichen Interessenkonfliktes“ stattgefunden habe.
Laut Freund betrifft dies nicht nur Gelder für die ländliche Entwicklung, sondern auch die Hektarzahlungen, da auch Babiš natürlich mit darüber abstimme, ob es eine Obergrenze für die Direktzahlungen geben solle oder inwieweit die Ersten Hektare für kleinere Betriebe gefördert werden oder nicht.
Noch kritischer bewertet Freund allerdings die Lage in Ungarn. Das Problem sei, dass die dortigen Kontrollbehörden mittlerweile „völlig unterwandert“ von Fidesz-Leuten aus dem Regierungslager seien: „Es gibt schlichtweg keine unabhängige Justiz mehr, die Missstände aufspüren und nachprüfen könnte.“