Im vergangenen Jahr hatte das Europäische Parlament die Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (Nature Restauration Law, NRL) angenommen. Für Kritiker war damit ein „würdiger“ Nachfolger der ungeliebten und gescheiterten Pflanzenschutzrichtlinie SUR ins Leben gerufen worden, da genau wie bei dieser mit der Naturwiederherstellungsrichtlinie ein Übermaß an Auflagen und Bürokratie verbunden wird. Daran hat sich bis jetzt nichts geändert. Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Sven Schulze hat deshalb eine gemeinsame Initiative der unionsgeführten Agrarressorts der Bundesländer gestartet, in der ein grundlegender Kurswechsel gefordert wird.
EU-Verordnung als „Bürokratiemonster“ in der Kritik
In einem Schreiben an die EU-Kommissare Christophe Hansen, Costas Kadis und Jessika Roswall fordern die Länder die vollständige Aufhebung der Naturwiederherstellungsverordnung (NRL) in der nächsten Omnibus-Verordnung. Ziel ist ein neues, praxistaugliches und faires Regelwerk.
„Wir begrüßen die fortlaufenden Bemühungen der EU, Bürokratie zu verringern, ausdrücklich“, betont Minister Sven Schulze, der auch Sprecher der CDU-geführten Agrarressorts ist. „Doch die Naturwiederherstellungsverordnung, wie sie umgesetzt werden soll, ist ein Bürokratiemonster und belastet unsere Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft unverhältnismäßig. Das können wir so nicht länger akzeptieren.“
Länder warnen vor erheblichen finanziellen und bürokratischen Lasten
Die Länder sehen die derzeitige Ausgestaltung der NRL kritisch. Sie bemängeln, dass der im Trilog gefundene Kompromiss komplex, in seiner Ausgestaltung und Finanzierung unklar ist und die Landwirtschaft die Hauptlast der Wiederherstellung sowie deren Kosten tragen soll. Allein für Deutschland wird ein jährlicher Finanzbedarf von geschätzten 1,7 Milliarden Euro nur für Artikel 4 der Verordnung erwartet, der noch deutlich höher ausfallen könnte. Zudem gebe es bislang kein eigenständiges EU-Finanzierungsinstrument, und die in der Verordnung genannten Finanzierungsmöglichkeiten bleiben unkonkret, sowohl in Bezug auf ihre Art als auch ihren Umfang.
„Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit unserer heimischen Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft stärken und gleichzeitig das wichtige Ziel der Naturwiederherstellung konsequent verfolgen“, so Minister Sven Schulze. „Dies muss jedoch stets im Einklang mit den praktischen Erfordernissen und der Finanzierbarkeit für unsere Betriebe geschehen. Eine aktive Wiederherstellung sollte daher immer mit nachhaltigen Nutzungsformen verbunden werden; ein Nutzungsausschluss darf nur als allerletztes Mittel in Betracht gezogen werden."
Elverfeldt: Tiefer Eingriff in Eigentums- und Nutzungsrechte
Die Minister stehen mit ihrer Einschätzung nicht allein da. Auch die Familienbetriebe Land und Forst haben große Bedenken, was die Umsetzung des NRL in der Praxis angeht. Der Verband warnt, die Verordnung in ihrer aktuellen Form drohe, tief in bestehende Eigentums- und Nutzungsrechte einzugreifen - ohne Rücksicht auf gewachsene Strukturen. Die Familienbetriebe teilen zudem die Einschätzung der Länder, dass die Verordnung in ihrer jetzigen Form mit erheblichem Verwaltungsaufwand, rechtlichen Unsicherheiten und wirtschaftlichen Belastungen für Land- und Forstbetriebe einhergehen wird. Dazu komme, dass die Finanzierung noch immer nicht geklärt ist.
„Was gut gemeint war, wird nun zum Risiko für die Akzeptanz von Naturschutz in der Fläche“, erklärt Max von Elverfeldt, Vorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst. Er stellt klar, dass die Land- und Forstbetriebe seit jeher ihren Beitrag zur Pflege der Kulturlandschaften und dem Erhalt der Artenvielfalt leisten. „Wer dieses Engagement durch immer neue Bürokratie und Misstrauensbeweise konterkariert, verspielt leichtfertig das Vertrauen, das über die letzten Jahrzehnte hinweg zwischen Naturschutz und Eigentümern gewachsen ist, mahnt Elverfeldt. Die Familienbetriebe setzen darauf, dass sich die Bundesregierung dem länderübergreifenden Appell anschließt und sich in Brüssel zunächst für eine Aussetzen und dann eine grundlegende Überarbeitung der Verordnung einsetzt.
Bitter: Schlag ins Gesicht der Steuerzahler
Ebenfalls nach Überzeugung von AGDW-Präsident Prof. Bitter droht mit der Verordnung in der jetzigen Form eine erhebliche Belastung für die Forstbetriebe durch eine Beschränkung der forstlichen Bewirtschaftungsfreiheit. Er warnt: „Starre Indikatoren und kleinteiliger Flächenbezug werden der Dynamik im Wald durch Klimawandel und Standortsdrift in keiner Weise gerecht und führen zu einer fehlenden Praktikabilität. Wenn allein für die Umsetzung des Artikels 4 der Verordnung ein Finanzbedarf von 1,7 Mrd. Euro veranschlagt wird und kein europäisches Finanzierunginstrument vorhanden ist, dann wird deutlich, dass diese Verordnung neben der EUDR zu einem zweiten Bürokratie-Monstrum heranwächst.“
Angesichts immer wieder formulierter Bekenntnisse zum Bürokratie-Abbau hält Bitter dies für einen Schlag ins Gesicht der Steuerzahler. Er kritisiert darüber hinaus, dass die Betroffenen, also die Eigentümer der Waldflächen und damit die Grundrechtsträger, bisher nicht am Prozess der Erarbeitung des Nationalen Wiederherstellungsplans beteiligt wurden. Dies sei mit Blick auf das im Grundgesetz verbriefte Recht auf Eigentum weder verfassungsgemäß noch akzeptabel. „Die Waldbesitzer unterstützen daher mit Nachdruck die Initiative der Länder“, betont Bitter.
Leserstimmen
"Die Landwirtschaft bleibt anscheinend weiterhin Spielball von Ideologen, selbst ernannten "Fachleuten", Interessenvertretern, NGO´s und anderen politisch angehauchten!!! Bürokratieabbau ist ein Schlagwort das gerne in den Mund genommen wird, aber keiner nimmt es in Angriff, würde "Vorgenanten" ja das Betätigungsfeld nehmen!" (Wilfried Maser)
"Ich glaube wir brauchen doch einen, der die Bürokratie mit der Motorsäge bekämpft!" (Thomas u. Helmut Gahse GbR)