Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Maisaussaat Erster Schnitt 2024 Rapspreis

topplus Vom Bauer zum Minister

Österreichs Agrarminister will Bauern von den neuen EU-Vorgaben überzeugen

Energiekrise, neue Agrarförderung, Herkunftskennzeichnung: Österreichs Landwirte beschäftigen ähnliche Themen wie ihre deutschen Kollegen. Welche Lösungen hat Österreichs Agrarminister Totschnig?

Lesezeit: 9 Minuten

Wo Arbeit anfällt, packen Sie an, haben Sie in Interviews erklärt. Was ist gerade der größte Brocken, den Sie für die Bauern abarbeiten?

Totschnig: Die gestiegenen Betriebsmittelkosten setzen unseren Familienbetrieben zu. Darum arbeiten wir laufend an Unterstützung. Zusätzlich zu den Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung haben wir für die Landwirtschaft unter anderem ein 110 Mio. € Versorgungssicherungspaket, 9 Mio. € für den geschützten Anbau und eine Anhebung der steuerlichen Pauschalierungsgrenzen auf den Weg gebracht. Zweites zentrales Thema ist die Umsetzung der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2023.

Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Die Strompreise steigen exorbitant, Bauern sollen über die Strompreisbremse hinaus zusätzlich unterstützt werden. Was ist hier geplant?

Totschnig: Um die Lebensmittelversorgung in Österreich weiterhin zu sichern, müssen wir unseren Bäuerinnen und Bauern bei den Stromkosten unter die Arme greifen. Darum haben wir einen Stromkostenzuschuss für landwirtschaftliche Betriebe beschlossen. Das Finanzministerium stellt dafür 120 Mio. € zur Verfügung. Die Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen wird nun die jeweiligen Beiträge im Detail für die Umsetzung einer Sonderrichtlinie berechnen.

Die Teuerungen treffen die Betriebe, die Hilfsgelder, rund 1.000 € pro Betrieb, decken kaum die Mehrkosten ab. Wird es noch weitere Maßnahmen für die Landwirte brauchen?

Totschnig: Grundsätzlich muss man hier alle Pakete betrachten. Zu Beginn des Jahres wurde eine ökosoziale Steuerreform beschlossen, mit Effekten für die Bauern. Im April wurden 7 Cent weniger Mineralölsteuer bei Diesel für Bauern bis Juni 2023 beschlossen. Das große Paket mit 28 Mrd. €, die Erhöhung von Familienbonus oder der Kindermehrbetrag. Und die von Ihnen erwähnten rund 1.000 € erhalten noch heuer alle, die einen Mehrfachantrag gestellt haben, aus dem Versorgungssicherungspaket. Wir sind in einer dynamischen Zeit, es sind enorme Herausforderungen, die auf die Haushalte und die Betriebe zukommen.

Versorgungssicherheit ist für Sie als Minister wichtig, wie schätzen Sie die Lage im Herbst ein?

Totschnig: Um auf aktuelle Entwicklungen vorbereitet zu sein, analysiert ein Krisenstab im Landwirtschaftsministerium laufend die internationalen Entwicklungen der Warenströme. Die Versorgungslage in Österreich ist derzeit gesichert. Bei Grundnahrungsmitteln haben wir Dank unserer Bäuerinnen und Bauern einen hohen Eigenversorgungsgrad.

Die GAP wird mehr Leistungen verlangen beim Umwelt- und Klimaschutz sowie beim Tierwohl.

Am 13. September genehmigte die EU-Kommission den österreichischen Strategieplan für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). Wo hat die GAP Ihrer Meinung nach besondere Stärken?

Totschnig: Die neue GAP ab 2023 ist ein Zukunftsprogramm für die Bauern. Es gibt weiterhin Unterstützung in Form von Direktzahlungen, die ländliche Entwicklung und das Agrarumweltprogramm (ÖPUL) werden ausgebaut. Die Ausgleichszulage ist abgesichert und gestärkt. Außerdem gibt es einen Fokus auf Junglandwirte. Die GAP legt die Basis, um die Land- und Forstwirtschaft noch klimafitter zu entwickeln. Nun gilt es, die Bauern zu überzeugen, dass sie mitmachen und die Chancen nützen. Durch den Green Deal haben wir eine Transformation der ganzen Wirtschaft zu bewältigen. Die GAP wird mehr Leistungen verlangen beim Umwelt- und Klimaschutz sowie beim Tierwohl. 40 % der Maßnahmen sollen klimarelevant sein.

Wo sehen Sie die größten Fallstricke für die Bauern in der neuen GAP?

Totschnig: Fallstricke sehe ich nicht. Es gibt rote Linien, die die Kommission für alle einzieht. Etwa die Mindestbedeckung von 80 % der Ackerflächen, das wird die Landwirtschaft in der Praxis fordern. Hier braucht es Überzeugungsarbeit, wir müssen die Bauern motivieren im ÖPUL mitzumachen. Unser Zugang ist, wo es Verhandlungsspielraum gibt, sind wir dabei, den im Sinne der Bauern umzusetzen. Die GAP ist ein permanenter Prozess.

Für heuer haben Sie die in der GAP festgeschriebenen Bracheflächen für den Anbau freigegeben, um die Versorgungssicherheit zu stärken. Gibt es Überlegungen, die nationale Umsetzung noch zu überarbeiten?

Totschnig: Damit will Europa ein solidarisches Zeichen setzen, für alle Länder, die durch den Angriffskrieg Russlands bei der Versorgungssicherheit betroffen sind. Für Österreich bedeutet das 11.000 ha mögliche Anbaufläche und das werden wir mit einer Verordnung umsetzen.

In dieser Periode wird es keine Gastro-Kennzeichnung geben.

Aktuell liegt die verpflichtende Herkunftskennzeichnung zur Notifizierung in Brüssel. Ab 2023 soll sie in Österreich in Kraft treten. Sie gilt für die Primärzutaten Fleisch, Milch und Eier in verarbeiteten Lebensmitteln im Supermarkt und in der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung. Aus Landwirtskreisen kommt Kritik, weil Getreide, Obst und Gemüse von der Regelung ausgenommen sind. Hat der Konsument hier kein Recht zu wissen, wo es herkommt?

Totschnig: Wir setzen das um, was im Regierungsprogramm steht. Derzeit werden Stellungnahmen eingearbeitet, ich erwarte eine Vorlage im Herbst. Das Thema Gastronomie ist für die Landwirtschaft sehr wichtig, als Bundesregierung sind wir ans Regierungsprogramm gebunden. Mir ist klar, dass die Landwirte auf diese Forderung bestehen. Aber in dieser Periode wird es keine Gastro-Kennzeichnung geben.

Die Rinderzahlen sind leicht rückläufig, Schweine gibt es im Vergleich zum Vorjahr weniger. Die Tierwohldebatten verunsichern Bauern, wie wird sich die Tierhaltung verändern?

Totschnig: Das Thema Tierwohl ist gesellschaftlich sehr sensibel. Wir haben mit der zuletzt beschlossenen Novelle des Tierschutzgesetzes viel Druck aus der Debatte herausnehmen können. Wir konnten sichere Rahmenbedingungen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte schaffen. Aber klar muss sein: Tierwohl ist nicht nur ein Thema der Produzenten, sondern der Gesellschaft. Wer höhere Standards bestellt, muss sie auch kaufen. Unser aller Ziel muss sein, die Produktion im Land zu halten, statt Billigprodukte aus dem Ausland zu importieren.

Der deutsche Markt ist anders als der österreichische.

Wie soll der Absatz unterstützt werden? In Deutschland wurde das nicht besonders gut angenommen.

Totschnig: Der deutsche Markt ist anders als der österreichische. Bei uns halten die Konsumenten Premiumprodukten mit mehr Tierwohl oder Bio die Treue. Wir sehen den Willen des Handels, hier mitzutun. Auch die Verbände und Erzeugergemeinschaften engagieren sich in diesem Bereich. Trotzdem ist es eine große Herausforderung, die Produkte abzusetzen. Beim Schweinefleisch sind 2 % biologisch, und mit den Tierwohlprogrammen erreichen die höheren Standards derzeit rund 5 % Marktanteil.

Dazu braucht es auch neue Ställe, die sind derzeit extrem teuer und schwierig umzusetzen.

Was kann das Ministerium hier unterstützen?

Totschnig: Hier bewegen wir uns in der Landesgesetzgebung und der Raumordnung. Mit der Investitionsförderung der neuen GAP (Förderobergrenze: 400.000 €) können wir viele Projekte – sowohl für kleine, mittlere und große Betriebe – unterstützen.

Der Wolf bedroht unsere heimische Alm-, Land- und Tourismuswirtschaft.

Der Wolf lässt vor allem auf den Almen die Wogen hochgehen. Braucht es Abschüsse?

Totschnig: Der Schutzstatus des Wolfes wird über eine EU-Richtlinie geregelt, die 30 Jahre alt ist. Damals gab es in Österreich keine Wölfe. Mittlerweile bedroht der Wolf unsere heimische Alm-, Land- und Tourismuswirtschaft. Auch in anderen EU-Mitgliedstaaten wird dieses Raubtier zu einer immer größeren Herausforderung. Beim

Agrar-Rat am 26. September in Brüssel habe ich daher mit Unterstützung von sechs Mitgliedstaaten eine Forderung an die EU-Kommission eingebracht, dass diese Richtlinie angepasst werden muss. Wir brauchen Naturschutz mit Hausverstand.

Welche Länder beteiligen sich an Ihrem Vorschlag?

Totschnig: Neben Kroatien, Finnland, Ungarn, Lettland, Rumänien und der Slowakei haben darüber hinaus auch Frankreich, Spanien, Italien, Slowenien, Griechenland, Dänemark, Portugal, Estland, Litauen und Belgien unsere Forderung in der Rats-Sitzung unterstützt bzw. die Bedenken geteilt.

Der Verein gegen Tierfabriken (VGT) hat im Pinzgau Landwirte geklagt, weil sie ihre Schafe auf der Alm zu wenig betreuen. Was sagen Sie zu solchen Anwandlungen?

Totschnig: Der VGT ist eine Tierrechtsgruppe, die die Nutztierhaltung ablehnt. Sie sprechen sich gegen die Almwirtschaft aus und sind für die Schaffung von Wildnisgebieten. Diese Aktion soll provozieren und hat nichts mit unserem Verständnis von Almwirtschaft zu tun. Wir gehen davon aus, dass die Bauern ihre Tiere auf der Alm nach bestem Gewissen betreuen.

Der Strukturwandel hat sich Ihrer Meinung nach eingebremst, geht aber nach wie vor weiter. Wie lange kann man noch von den klein strukturierten Familienbetrieben sprechen?

Totschnig: Im europäischen Vergleich sind wir klein strukturiert und stehen mit einem globalen Markt in Konkurrenz. Das bedeutet großen Druck für die Betriebe. Es gelingt uns, mit dem Agrarumweltprogramm, den Ausgleichszahlungen und der Investitionsförderung trotzdem mitzuhalten. Auch die Verbände und Erzeugerorganisationen leisten hier gute Arbeit, denn kleine Betriebe müssen mehr Erlöse erwirtschaften.

Immer mehr Bauern kommen in den Nebenerwerb. Welche Maßnahmen gibt es, den Vollerwerb zu steigern?

Totschnig: Die Anzahl der Nebenerwerbsbetriebe hat nur leicht abgenommen, hier ist der Strukturwandel eingedämmt. Zu beachten ist, wo der Nebenerwerb stattfindet. In Tirol oder Salzburg, haben die Bauern schon immer mit Holz oder im Tourismus Geld dazu verdient. Das Wichtigste ist, dass die Bauern Planungssicherheit haben. Klare Rahmenbedingungen eröffnen Perspektiven. Es geht auch um Wertschätzung, die erfahren unsere Bauern noch. Andere Länder haben uns vor Jahren wegen des ökosozialen Wegs belächelt. Jetzt, in Krisenzeiten, zeigt sich, es war genau der richtige.

Wir wollen eine marktkonforme Weiterentwicklung der Biolandwirtschaft.

27 % der Fläche in Österreich wird biologisch bewirtschaftet. Innerhalb der nächsten Jahre sollen 3 % dazukommen, ist der Plafond im Biolandbau erreicht?

Totschnig: Wir wollen eine marktkonforme Weiterentwicklung der Biolandwirtschaft. Da sich die EU-Kommission dieses Ziel für ganz Europa setzt, wird sich am Markt einiges tun. Die biologische Landwirtschaft wird unterstützt und soll attraktiv gestaltet werden. Marktseitig muss das begleitet werden, damit Produkte, die zu höheren Kosten produziert werden, auch teurer verkauft werden können. Hier braucht es ein Miteinander der Verarbeiter, des Lebensmittel-Einzelhandels und der Konsumenten.

Viele Biobetriebe steigen durchs neue ÖPUL finanziell schlechter aus, wie Experten berechnet haben, wie kommt das?

Totschnig: Hinter jeder Maßnahme steht eine Kalkulation, die muss vor der Europäischen Kommission durchgebracht werden. Die Maßnahmen werden nicht nach Gutdünken festgesetzt, wenn sich Marktpreise besser entwickeln, als bei anderen Produkten, fließt das ein.

Viele Landwirte sehen die Zukunft als „Energiewirte“. Ist das auch ein Ziel Ihres Ministeriums?

Totschnig: Energie ist eine Riesenchance für die bäuerlichen Familienbetriebe – es ist eine Stabilisierung des Betriebes, des Standortes und der bäuerlichen Struktur. Das Erneuerbaren-Gase-Gesetz ist derzeit in Ausarbeitung. Hier soll auch das Thema Biogas neu geregelt werden.

Photovoltaik ist ein großes Thema für die Bauern, wie stehen Sie zu Freiflächenanlagen?

Totschnig: Bei der Photovoltaik stehen wir hinter dem Ausbau. Jedoch bin ich für eine Priorisierung von Dachflächen, versiegelten Flächen wie Parkplätzen und für echte Agro-PV, die eine Zweinutzung darstellt mit Ackerbau oder Tierhaltung. Das Zupflastern von Flächen mit Anlagen sehen wir höchst problematisch. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist gering und es treibt die Pachtpreise für die Bauern in die Höhe.

Mehr zu dem Thema

Die Redaktion empfiehlt

top + Top informiert in die Maisaussaat starten

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.