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Experten uneins über Beja­gung der Wöl­fe

Soll der Wolf in Deutschland wieder bejagt werden und würde dies die Situation von Weidetierhaltern verbessern? In diesen Fragen sind sich Experten und Politiker extrem uneins. Dies wurde bei einer Anhörung des Umweltausschusses deutlich. So besteht bereits Unklarheit über die Zahl der in Deutschland lebenden Wölfe.

Lesezeit: 6 Minuten

Soll der Wolf in Deutschland wieder bejagt werden und würde dies die Situation von Weidetierhaltern verbessern? In diesen Fragen sind sich Experten und Politiker extrem uneins. Dies wurde am Mittwoch bei einer Anhörung des Umweltausschusses des Bundestages deutlich.


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So besteht bereits Unklarheit über die Zahl der in Deutschland lebenden Wölfe. Dr. Nicole von Wurmb-Schwark von ForGen meinte etwa, die Sorge um den Erhalt der Wölfe sei derzeit „eher gering“. Die steigende Population führe zu einer zunehmenden Verpaarung mit Hunden; hier müsse die Datenlage verbessert werden, um Weidetierhalter entschädigen zu können.



Helmut Damman-Tamke wies für den Deutschen Jagdverband darauf hin, dass die Zahl der Wölfe in Deutschland „exponenziell“ wachse; die Politik habe diese „Dynamik“ aber „nicht erkannt“. Angesichts des guten Zustands der Art sei er nicht gegen „eine Überführung des Wolfes in das Jagdrecht“. Dies würde keine automatische Bejagung bedeuten, es gäbe auch die Möglichkeit einer ganzjährigen Schonzeit.


„Bejagung würde Schafhaltern nicht helfen“


Ilka Reinhardt vom LUPUS Institut für Wolfsmonitoring und -forschung in Deutschland plädierte dafür, von Ländern wie Polen, Italien und Spanien zu lernen, in „denen der Wolf nie weg war“. Dort funktioniere der Herdenschutz; bei diesem Thema gebe es in Deutschland „Nachholbedarf“. Das Schießen der Tiere nütze nichts; sie dürften gar nicht erst lernen, „dass Schafe lecker sind“. Mit einer Bejagung wäre den Schafhaltern nicht geholfen; diese würde die Konflikte nicht minimieren. Schon jetzt sei eine Entnahme einzelner Tiere möglich.


Prof. Dr. Wolfgang Köck vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung führte aus, der Wolf sei sowohl durch das Berner Übereinkommen als auch eine europarechtliche Richtlinie geschützt. So solle ein günstiger Erhaltungszustand erreicht werden. Sei dieser Zustand erreicht, komme „theoretisch auch eine Bejagung wieder in Betracht“. So sei die Lage derzeit aber nicht: Für einen günstigen Erhaltungszustand sei eine „Minimumpopulation“ von 1.000 erwachsenen Tieren nötig. Derzeit gebe es in Deutschland aber nur 150 erwachsene Wölfe. Daher stelle sich die Frage nach der Jagd „gegenwärtig nicht“.


„Es muss regelmäßige Wolfstreibjagden geben“


Werner Gerhards betonte für den Verein Sicherheit und Artenschutz, man werde über die Zahl der Wölfe in Deutschland „amtlich falsch informiert“ – die Angaben reichten von 150 bis rund 700 Tiere. Man müsse aber von etwa 1.050 Exemplaren ausgehen. Das Wolfsmanagement gehöre „sofort“ in das Bundesjagdgesetz. Zudem brauche es, um die Schäden einschätzen zu können, die die Tiere anrichteten, eine Aktualisierung des Wolfsmonitorings. Es müsse regelmäßige „Wolfstreibjagden“ geben, bei der die Tiere „nicht totgeschossen“, sondern „erschreckt werden“ sollten.


Weidetierprämie befürwortet


Für die Arbeitsgemeinschaft Herdenschutzhunde wies Frank Hahnel darauf hin, dass Herden momentan mit Elektrozäunen und Herdenschutzhunden geschützt würden. Die Kosten dafür träfen die Schäfer, die ohnehin eine Berufsgruppe mit geringem Einkommen seien, hart. Sie würden die „Landschaft, die Sie lieben“ pflegen, würden für die Dienstleistungen und gesellschaftlichen Aufgaben aber nicht angemessen entlohnt. Hahnel sprach sich für eine Weidetierprämie aus.


Dafür ist auch Andreas Schenk vom Bundesverband Berufsschäfer. Er fordert zudem ein Kompetenzzentrum Herdenschutz und bundeseinheitliche Standards im Umgang mit dem Wolf. Dafür müsse die Bundesebene Verantwortung übernehmen. Für einen guten Herdenschutz brauche es mehr Forschung und den Austausch von Praktikern sowie eine technische Weiterentwicklung.


Für den WWF Deutschland verfolgte Wildtierreferent Moritz Klose die Diskussion im Plenum vor Ort:

"Bei der Debatte im Bundestag wurde deutlich, dass der Wolf für Schäfer und andere Nutztierhalter nicht das eigentliche Problem ist. Mit einer Aufnahme ins Jagdrecht wird keinem Schäfer geholfen. Vielmehr leidet dieser Berufszweig unter einer prekären wirtschaftlichen Situation und fehlenden Zukunftsperspektiven. Wir brauchen daher dringend eine  Weidetierprämie. Diese könnte unkompliziert von der Bundesregierung schon im nächsten Jahr umgesetzt werden.“



Darüber hinaus wirkt es nach Ansicht des WWF beinahe zynisch, wenn Union und SPD daran arbeiten wollen, auf Druck von Landwirten den Wolf zum Abschuss freizugeben, während gleichzeitig der Erhalt von biologischer Vielfalt als Querschnittsaufgabe definiert wird. Zudem sei die insbesondere von der AfD eingebrachte Diskussion über Wolfsmischlinge eine Scheindebatte und helfe keinen weiter. Das ist schlichtweg populistische und unwissenschaftliche Stimmungsmache.


DBV: Inzwischen über 1.000 Wölfe in Deutschland


Der Umweltbeauftragte des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Eberhard Hartelt, forderte die ehrliche Offenlegung von Zahlen. „Wir müssen bereits von über 1.000 Wölfen in Deutschland ausgehen. Es dürfe nicht immer nur verharmlosend die Anzahl der Rudel oder erwachsenen Einzeltiere genannt werden“, betont Hartelt. „Eine Koexistenz zwischen Wolf und Weidetierhaltung in Deutschland braucht die Regulierung des Wolfes“, so Hartelt.

 

Nach einer Schätzung des Deutschen Bauernverbandes gibt es Anfang 2018 über 1.000 freilebende Wölfe in Deutschland. Die Zahlen basieren auf der Grundlage der offiziellen Wolfsstatistik des DBBW/BfN für das Jahr 2016 und einer Hochrechnung für das Jahr 2017 auf Basis von Angaben über die Anzahl von Wölfen pro Rudel des NABU.


Entsprechend dieser rasanten Zunahme an Wölfen ist auch die Zahl der gerissenen Tiere in der Landwirtschaft dramatisch gestiegen. Allein in Niedersachsen wurden 2017 durch Wölfe 403 Nutztiere getötet. Ein Jahr vorher waren es noch 178 Risse, was mehr als einer Verdoppelung innerhalb nur eines Jahres entspricht. Damit kommt es bundesweit auf schätzungsweise rund 1.500 Risse im Jahr 2017. „Wir sehen, dass der Herdenschutz alleine nicht funktioniert. Mehr Wölfe bedeuten automatisch mehr Risse. Wir brauchen dringend ein aktives Wolfsmanagement und einen konsequenten Schutz der Weidetiere“, sagt DBV-Präsident Joachim Rukwied.

 

Zur Berechnung:


Das Bundesamt für Naturschutz spricht für das Jahr 2016 lediglich von 60 Wolfsrudeln und 13 Paaren in Deutschland. Dabei wird ignoriert, dass nach Angaben des NABU jedes Rudel nicht nur aus den zwei erwachsenen Wölfen, sondern auch aus 6 bis 8 Welpen und 2 bis 4 Jährlingen besteht. Nach den amtlichen Zahlen der Wolfsstatistik ist für das Jahr 2016 somit von einer Wolfspopulation von ca. 630 bis 870 Tieren auszugehen.


Für das Jahr 2017 unter Berücksichtigung der aktuellen jährlichen Zuwachsrate der Wolfspopulation in Höhe von 30 Prozent schätzt der DBV den Wolfsbestand auf 800 bis 1.100 Tiere für Anfang 2018. Der gute Erhaltungszustand der Wolfspopulation dürfte damit bereits mit den in Deutschland lebenden Wölfen erreicht sein, obgleich die Wölfe Teil einer sehr viel größeren zentraleuropäischen Flachlandpopulation sind. Danach ist der Wolf nicht mehr im Bestand gefährdet und kann nach EU-Naturschutzrecht reguliert werden.


NABU fordert nationales Herdenschutzzentrum


Für den NABU hat die Debatte gezeigt, dass an vielen Stellen reine Stimmungsmache und Populismus die Wolfsthematik regieren. "Anstatt ein möglichst konfliktarmes Zusammenleben von Mensch, Wolf und Weidetier in den Vordergrund zu stellen, werden immer noch unsachliche Forderungen nach der Bejagung von Wölfen sowie haltlose wissenschaftliche Theorien diskutiert“, sagt NABU-Geschäftsführer Leif Miller.

 

Der Herdenschutz funktioniere, es seien nur Bund und Länder in der Pflicht, gemeinsam mit den Weidetierhaltern und weiteren Experten Lösungen zu finden. Der NABU fordert deshalb die Einrichtung eines nationalen Herdenschutzzentrums.

 

Der NABU weist außerdem darauf hin, dass der günstige Erhaltungszustand der zentraleuropäischen Wolfspopulation noch längst nicht erreicht ist. Die unwissenschaftliche Debatte zur Wolfsgenetik und Auflösung von Populationsgrenzen werde dazu genutzt, einen nicht vorhandenen günstigen Erhaltungszustand herbeizureden.

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