Die Nachricht, dass die WHO verarbeitetes Fleisch in Kategorie 1 der krebserregenden Stoffe einstuft, also auf eine Stufe mit Zigarettenrauch, Asbest und Röntgenstrahlung stellt, ging kürzlich intensiv durch die Medien.
Wie das ARD-Magazin Plusminus am Mittwochabend jedoch berichtet, hat bislang kein Journalist die genaue Studie gesehen; sie wird erst nächstes Jahr veröffentlicht. Als Basis galt lediglich eine Pressemitteilung der WHO und das Vertrauen, dass die Experten dort schon recht haben werden. Folge waren Überschriften in den Zeitungen wie „Der Wurstskandal“, "Krebs durch Steaks" und "Der gepökelter Killer".
„Wenn man nichts hat, bläst man das Wenige auf“
Kritiker wie der Lebensmittelchemiker Udo Pollmer fordern jetzt wissenschaftliche Belege. Bislang habe die WHO noch keine Studie vorgelegt, mit der die Krebsthese tatsächlich untermauert werden könne. Es gebe nur eine obskure Zusammenfassung auf zwei Seiten und eine Pressemitteilung.
Für ihn ist das nichts als Stimmungsmache: „So etwas macht man eigentlich immer dann, wenn man weiß, dass das Ergebnis nicht belastbar ist. Dann bläst man das erst einmal durch die Medien, es kann keiner nachprüfen, alle regen sich auf und es bleibt eine Botschaft hängen“, so Pollmer. Er stellte in der Sendung klar, das unerbetene Ratschläge unerwünscht seien und wenn, dann sollte man es auch belegen können.
Auch Professor Gerd Gigerenzer vom Max-Plank-Institut in Berlin hält die Meldung für überzogen: "Das erschüttert die Glaubwürdigkeit der WHO." Er nimmt an, dass nun mehr Menschen Angst haben, Wurst und Schinken zu essen. „Diese Panikmache macht mich sehr traurig“, sagte er.
In der WHO-Meldung heißt es, der tägliche Konsum von 50 Gramm verarbeitetem Fleisch erhöhe das Darmkrebsrisiko um 18 Prozent. "Das bedeutet aber nicht, dass zusätzlich 18 von 100 Menschen an Darmkrebs erkranken", erklärt Professor Gigerenzer.
Bei der Angabe handele es sich um ein relatives Risiko. Die WHO hätte seiner Ansicht nach das absolute Risiko nennen müssen: Dieses steige von fünf auf sechs Prozent. Das bedeutet: Statt fünf von 100 Menschen erkranken sechs von 100 Menschen.
"Das hätte die WHO ehrlich sagen können", sagt Gigerenzer. Die Organisation habe das mögliche Risiko übertrieben dargestellt. Gemeinsam mit zwei anderen Professoren hat Gigerenzer deshalb die Zahl 18 Prozent der WHO zur "Unstatistik des Monats" gekürt.
Lebensmittelwirtschaft fasst Fleischfakten zusammen
Da es keine klare und verständliche Risikoaussage zum Fleischverzehr oder zu den Behauptungen der WHO gibt, fasst www.lebensmittelwirtschaft.org in einem ausführlichen Fleisch-Dossier die aktuelle Faktenlage zusammen. Mehr...
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