Frankreichs Agrarminister, Michel Barnier, will nicht zulassen, dass Brüssel die gemeinsame Agrarpolitik demontiert und alles dem freien Handel überlässt. Diese überraschende Aussage vertrat der Minister jetzt nach der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Er schlägt vor, Produktionsmengen weiterhin zu regulieren und Qualitätsstandards festzulegen. "Solange wir keine globale Instanz haben, die das regelt, sollten wir das zumindest in Europa tun", so Barnier. Daher will er sich während seiner Präsidentschaft auf die Grundlagen der gemeinsamen Agrarpolitik zurückbesinnen. Oberstes Ziel ist seiner Meinung nach die Unabhängigkeit der Landwirtschaft, wofür Brüssel politisch wie finanziell einstehen sollte. Damit wendet sich der Minister jedoch gegen die Pläne der EU-Kommission, den Markt weiter zu öffnen und vor allem weniger Geld für die Landwirtschaft auszugeben. Für Barnier ist eine finanzielle Aufstockung dagegen kein Problem. "Warum nicht mehr Geld? Wenn die Bürger gesunde Lebensmittel verlangen, ist das in ihrem Sinne", so der 57-Jährige. Momentan koste die Agrarpolitik jeden Europäer 100 Euro im Jahr - kaum mehr als eine Tankfüllung, wie er sagt. Konkret schwebt dem Franzosen vor, die Direkthilfen an Unternehmen und Landwirte aus der ersten Säule an die Konjunktur anzupassen. Der Markt müsse dabei miteinbezogen werden. Dort, wo die Preise gestiegen sind, wie beim Getreide, könnten Subventionen niedriger ausfallen. Andere Bereiche, Beispiel Tierzucht, müsse Brüssel aber weiterhin fördern, um autonom bleiben zu können.
Bei allem Einsatz der Franzosen sollte man nun aber immer noch grundsätzlich im Hinterkopf behalten, dass Frankreich der größte Nutznießer der 50 Mrd. Euro teuren EU-Agrarpolitik ist. Und obwohl das Land der größte Getreideexporteur der EU ist, zahlt es weiterhin Direktbeihilfen an seine Getreidebauern, zu 25 % gekoppelt an die Produktionsmenge. Das widerspricht eigentlich den Brüsseler Plänen und ist seit langem Streitpunkt. Barnier zeigt sich im Interview darauf angesprochen jedoch überraschend versöhnlich. "Darüber kann man disktutieren, beim Getreide bin ich offen", so der Minister. Anders als die EU-Kommission will er das freiwerdende Geld allerdings nicht in die zweite Säule umschichten, sondern es zur Unterstützung der Betriebe in der ersten Säule umverteilen. So könnten z.B. die Milchbauern etwas von der früheren Getreidestützung abbekommen.
Angesprochen auf Frankreichs Enthaltung bei der Erhöhung der Milchquote im März erklärte Barnier, dass er nicht gegen eine Erhöhung der Quote gewesen sei. Nur gebe es Anzeichen, dass der Milchmarkt umkippen könnte, wenn man ihn nicht reguliert. Wenn jetzt wild produziert wird, gebe es bald wieder Butterberge, ist er sich sicher. Wie seine deutschen Kollegen fordert aber auch das französische Kabinettsmitglied zum Milchquotenausstieg ein Begleitprogramm. "Schafft man die Milchquoten ab, begünstigt das eine Konzentration der Milchbetriebe auf einige wenige Standorte, da bin ich absolut dagegen." Viel Arbeit also für die Ratspräsidentschaft in den kommenden sechs Monaten. Neben den genannten brennenden Themen hat sich Barnier außerdem fest vorgenommen, eine Abgabe einzurichten, um Krisen abzuwenden. Finanzieren soll sie die erste Säule.