topplus EU-Grüner Waitz im Gespräch

GAP ab 2028: „Ich rechne mit Einschnitten“

Mitte Juli dürfte die EU die Reformpläne für die neue GAP ab 2027 vorstellen. Landwirte müssen mit Einschnitten rechnen. Thomas Waitz, Grüner im EU-Parlament, fordert mehr Geld für die zweite Säule.

Lesezeit: 9 Minuten

Thomas Waitz ist Abgeordneter der österreichischen Grünen im Europäischen Parlament und seit der Europawahl 2024 deren Delegationsleiter. Für die EU-Grünen verhandelt er die bevorstehende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).

Wie ist Ihre Einschätzung zum Zeitplan bei der GAP ab 2027? Wann will die EU-Kommission Ihre Reformpläne präsentieren? 

Thomas Waitz: Nach meinen Informationen sollten die Pläne am 16. Juli präsentiert werden, gemeinsam mit dem mehrjährigen Finanzrahmen.  

Und wie schätzen Sie das Zusammenspiel aus EU-Haushalt und GAP ein? Bleibt noch Geld für die Landwirtschaft übrig? 

Thomas Waitz: Ja, bestimmt. Die Frage ist, werden wir ein vergleichbares Budget wie vorher haben? Und das sieht nicht gut aus. Ich rechne mit Einschnitten, mit weniger Geld. Das Minus dürfte so zwischen minus 10 und 30 % liegen. 

Was ist das wahrscheinlichere Szenario? 

Thomas Waitz: Das ist ein sehr gut gehütetes Geheimnis. Der mehrjährige Finanzrahmen wird in der Kommission von einigen wenigen Menschen verhandelt und vorbereitet. Die arbeiten in einem Glaskasten, müssen ihre Handys vorher abgeben, bekommen die Beschlussvorlagen ausgedruckt und müssen sie wieder abgeben, wenn sie rausgehen. Ursula von der Leyen macht gerade alles, um zu verhindern, dass Informationen herauskommen. Wie der Vorschlag genau aussieht, kann ich aktuell noch nicht sagen. 

Es ist zwar kein Wunschkonzert, aber was erhoffen Sie sich für die kommende GAP?  

Thomas Waitz: Die Frage ist, wie wird das Geld verwendet und wofür? Was für Reformen sind möglich? Wir brauchen für die Landwirtschaft die entsprechenden Gelder, um den Umstieg und die Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren und die Landwirte dabei zu unterstützen.

Was sich verändert hat zum letzten Mandat ist, dass heute niemand mehr halbwegs Vernunftbegabte die Auswirkungen der Klimaerwärmung infrage stellt. Mittlerweile ist allen klar, dass wir ein Problem haben und etwas tun müssen. Ob das Waldbrände, Trockenheit, Überschwemmungen, Wassermangel oder Spätfröste sind – je nach Region sind es andere Probleme, aber sie sind überall massiv.

Wir müssen unsere Landwirtschaft an die Veränderungen anpassen, das ist keine Frage von Ideologie. Wenn wir weiterhin zuverlässig Lebensmittel erzeugen wollen, müssen wir uns anpassen, und das kostet Geld. Viele Betriebe stehen ökonomisch mit dem Rücken zur Wand. Die Rentabilität ist sehr gering, das sieht man auch daran, dass kaum junge Höfe übernehmen. Das Durchschnittsalter der Betriebsleiter liegt bei 57, 58 Jahren in der EU. In Österreich ist es 48 – damit sind wir Europameister in der jungen Landwirtschaft. 

Wir brauchen für die Landwirtschaft die entsprechenden Gelder, um die Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren.
Thomas Waitz

Wie könnte die Anpassung an den Klimawandel aussehen? 

Thomas Waitz: Es wird z.B. stark diskutiert, weniger Grundvoraussetzungen zu verlangen und alles, was in Richtung Ökologie und Anpassung geht, mit Anreizen zu bedienen. Am Ende braucht es für die Betriebe finanzielle Unterstützung, die über das hinausgeht, was sie selbst an Kosten haben.

Ein Beispiel: Für Winterbegrünung gibt es 150 € Förderung pro Hektar, das deckt gerade mal die Saatgutkosten. Wenn ein Bauer ohnehin nur noch 200 bis 300 € pro Hektar verdient, ist es schwer, zusätzliche Maßnahmen zu verlangen. Entweder der Markt bezahlt faire Preise oder öffentliche Leistungen werden entsprechend finanziert. Mit öffentlichen Leistungen meine ich nachhaltige Lebensmittelproduktion, sauberes Wasser, Biodiversität, Erholungsräume, Böden, die auch Dürre resistent sind und CO2 binden. Von beiden Seiten müssen massiv Maßnahmen gesetzt werden. 

Was ist für die Grünen im EU-Parlament nicht verhandelbar? Haben Sie rote Linien? 

Thomas Waitz: Ein Rausschmeißen der Nebenerwerbsbauern ist für mich eine rote Linie. Es gibt Kräfte, die das wollen. Was allerdings geht, ist zu sagen: Der Bewirtschafter muss das Geld bekommen, nicht der Grundeigentümer. Es sollte auch niemand mehr nur Kraft seines Landbesitzes einen Förderanspruch haben. Wir brauchen außerdem eine Deckelung der Grundförderungen. Es kann nicht sein, dass einzelne Großbetriebe oder Multimilliardäre riesige Summen bekommen. Und natürlich muss die Klimawandelanpassung verankert werden. 

Und wie schätzen Sie die Verhandlungsposition gegenüber der Kommission ein? 

Thomas Waitz: Die Frage wird sein, wie viel Kraft wir entwickeln können, der Kommission ein vernünftiges Budget abzuringen. Wenn wir deutlich weniger Agrarmittel haben und das Geld in andere Bereiche fließt, werden wir wieder Bauernproteste quer durch Europa sehen. 

Welche Strategien haben die Grünen, damit kleinbäuerliche Betriebe von der GAP auch nach 2027 profitieren können? 

Thomas Waitz: Hier stellt sich zunächst die Frage, was ist ein aktiver oder professioneller Landwirt? Es gibt Vorschläge, wie viel Prozent des Einkommens aus der Landwirtschaft kommen muss, um als professionell zu gelten. Das ist heikel, weil viele Bergbauernbetriebe in Österreich einen Großteil des Einkommens aus Erwerbsarbeit beziehen. Wir wollen die Produktion dort aufrechterhalten, um die Lebensmittelversorgung sicherzustellen und die Landschaft zu erhalten. Österreich verdient viel mit Landschaftstourismus. Die wesentlichen Maßnahmen sind eine Obergrenze und eine höhere Förderung der ersten 20 Hektar, sowie Degressivität der Zahlungen. Ein Betrieb mit 2000 ha hat viel geringere Bewirtschaftungskosten pro Hektar als ein 80- oder 50-ha-Betrieb. Wir versuchen außerdem, einen Arbeitsplatzbezug in die erste Säule einzubauen. Es ist schwer zu erklären, warum Großbetriebe oder Handelsketten hohe Einkommensunterstützung brauchen. Spannend ist, wie viele Arbeitsplätze und wie viel Wertschöpfung ein Betrieb erzeugt. Ein Beispiel: Ein Winzer mit 5 ha schafft zweieinhalb Vollarbeitskräfte pro Jahr, bekommt aber nur einen Bruchteil der Förderungen im Vergleich zu einem Großbetrieb. In die Grundeinkommensstützung einen Arbeitsplatzbezug einzubauen, würde es Betrieben ermöglichen, die viele Arbeitskräfte beschäftigen, mehr Förderung zu bekommen. 

Die von ihnen erwähnten Bergbauernbetriebe stellen hochwertige Produkte her, bekommen dafür aber relativ wenig. Sie haben angesprochen, dass die Pflege der Flächen auch dem Tourismus zugutekommt. Denken Sie an eine Abgabe des Tourismus? 

Thomas Waitz: Das ist zwar nichts, was wir auf europäischer Ebene beeinflussen können. Aber aus meiner Sicht braucht es eine Abgabe pro Übernachtung, die an die Landwirtschaft geht und an jene, die diese Betriebe aufrechterhalten. Bei den Almen sieht man sehr gut, dass die Almwirtschaft ökonomisch kaum mehr darstellbar ist. Es wird kaum mehr Milch produziert, nur noch Jungvieh. Die Bauern oder Hirten sind nicht mehr auf der Alm, die Tiere sind allein. Das hat ökonomische Gründe. Gleichzeitig werben wir in halb Europa mit den Kühen auf der Alm. Der Wandertourismus und die Diversifizierung im Tourismus funktionieren in Österreich sehr gut. Wenn man das möchte, muss man aus öffentlicher Hand auch entsprechend unterstützen, zum Beispiel mit einer Abgabe von 1 €/Tag pro Urlauber, die an die Bauern weitergegeben werden.  

Zurück zur Gemeinsamen Agrarpolitik und speziell zum ÖPUL-Programm. Sehen Sie Potenzial, dieses Programm nach 2027 stärker auf klimapolitische Ziele auszurichten? Und wenn ja, in welchen Bereichen? 

Thomas Waitz: Zuerst einmal müssen wir sehen, ob wir überhaupt eine zweite Säule wie bisher bekommen. 

Warum, wackelt die etwa? 

Thomas Waitz: Ich vermute, und ich habe guten Grund zu vermuten, dass wir einen Vorschlag bekommen werden, der alle Förderungen – also auch Kohäsions- und Regionalförderungen – in einen einzelnen Fonds bündelt. Das wäre das Worst-Case-Szenario, und es gibt verschiedene Abstufungen dazu. Es gibt Überlegungen, die zweite Säule mit den Regionalförderungen zusammenzulegen. Es gibt Überschneidungen – zum Beispiel kann ich in einen Verarbeitungsbetrieb im ländlichen Raum sowohl über die zweite Säule als auch über den Regionalfonds investieren. Die zweite Säule ist kofinanziert, und daran wird sich entscheiden, wie viele Mittel wir dort zur Verfügung haben. 

Wir könnten einen Vorschlag bekommen, der alle Förderungen – also auch Kohäsions- und Regionalförderungen – in einen einzelnen Fonds bündelt.
Thomas Waitz

Das ÖPUL-Budget, aber auch die Ausgleichszulage in Österreich sind im europäischen Vergleich schon sehr umwelt- und klimaorientiert. Kann man das überhaupt erhalten? 

Thomas Waitz: Ich gehe davon aus, dass es zu erhalten ist. Die Frage wird sein, inwieweit es konkrete Vorschriften gibt, auch wenn die GAP als eigenständiger Topf verschwindet und inwiefern es genaue Vorschriften gibt, wofür die Mittel zu verwenden sind. Der Rest ist dann nationale Entscheidung. Wir hatten schon eine Renationalisierung in der letzten GAP, das wird jetzt noch stärker kommen. Das bringt einerseits die Möglichkeit, Förderungen an die eigene Agrarstruktur anzupassen, andererseits kann es zu komplett unterschiedlichen Förderstrukturen in den Mitgliedsländern führen. Das könnte problematisch werden im Sinne von Wettbewerb und Markt. 

In der bisherigen Periode wurden jährlich etwa 614 Mio. Euro an Ausgleichszahlungen im Rahmen des ÖPUL bereitgestellt. Halten Sie diese Summe für ausreichend, um die angestrebten Umwelt- und Naturschutzziele zu erreichen? Oder sollte diese Summe für die nächste Periode angepasst werden? 

Thomas Waitz: Angesichts der Realität, dass wir jeden Tag zwischen zehn und zwölf Betriebe in Österreich verlieren, und der Tatsache, dass viele Betriebe keine Hofnachfolge mehr finden, muss man sagen: Nein, das reicht nicht. Wenn wir die Agrarstruktur erhalten wollen, brauchen wir mehr Geld. Im europäischen Vergleich investieren wir zwar viel in alpine Landwirtschaft, aber wenn wir nicht wollen, dass wir im nächsten Jahrzehnt einen dramatischen Rückgang an Landwirtschaftsbetrieben sehen, müssen wir mehr aufwenden. 

Und inwiefern sollte das Budget für Programme wie das ÖPUL speziell zweckgebunden sein, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen? 

Thomas Waitz: Es muss zweckgebunden sein, sonst wird es nicht dafür verwendet. Gerade bei Investitionen sind das oft viele kleine Projekte, die viel Verwaltungsaufwand bedeuten. Wenn man nicht Geld für benachteiligte Gebiete fest verankert, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es anderweitig verwendet wird. Natürlich braucht man eine gewisse Flexibilität, aber zuerst einmal muss es zweckgebunden sein. 

Wenn wir die Agrarstruktur erhalten wollen, brauchen wir mehr Geld.
Thomas Waitz

Sollten bestimmte Bereiche oder Maßnahmen innerhalb des ÖPUL-Programms ab 2027 besonders priorisiert und mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet werden? Und wenn ja, welche? 

Thomas Waitz: In den Ackerbauregionen müssen wir Agroforstsysteme in die ÖPUL-Förderungen aufnehmen. Wir müssen vom Dogma wegkommen, dass Wald und Landwirtschaft strikt getrennt sein müssen. Auch der Rückgang an Pestizidverwendung ist wichtig. Österreich hat eine positive Agraraußenhandelsbilanz, weil unsere Lebensmittel sehr hohe Qualität haben und als ökologisch produziert gelten. Ein weiterer Ausbau von agrarökologischen Methoden stärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit. Wir müssen auch in die Kennzeichnung investieren, zum Beispiel Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie, und das könnte man auch aus Agrargeldern unterstützen. 

Wie könnte das konkret aussehen? 

Thomas Waitz: Zum Beispiel durch eine AMA-Zertifizierung oder durch Druck der Werbung, der Wirtschafts- und Landwirtschaftskammern. Man könnte Programme aufsetzen, die Gastronomiebetriebe motivieren, freiwillig eine Zertifizierung anzunehmen. Ich bin aber eher dafür, das gesetzlich zu verankern, damit alle eine ehrliche Auskunft geben müssen. 

Abschließende Frage: Welchen Eindruck haben Sie von Christoph Hansen? 

Thomas Waitz: Ich habe eine sehr gute Gesprächsbasis zu ihm. Er kommt von einem landwirtschaftlichen Betrieb, kennt die Praxis, weiß, wie schwierig es ist, eine Familie mit Landwirtschaft zu ernähren. Er hat als Abgeordneter gezeigt, dass er Brücken bauen kann, zum Beispiel zwischen Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit. Da bin ich zuversichtlich. 

 

Ihre Meinung ist gefragt

Was denken Sie über dieses Thema? Was beschäftigt Sie aktuell? Schreiben Sie uns Ihre Meinung, Gedanken, Fragen und Anmerkungen.

Wir behalten uns vor, Beiträge und Einsendungen gekürzt zu veröffentlichen.

Mehr zu dem Thema

top + Wissen, was wirklich zählt

Zugang zu topagrar.com & App: Nachrichten, Marktdaten, Empfehlungen. Jetzt 4 Wochen testen!

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.