In Bayern werden die Jäger offenbar der Populationsexplosion bei Wildschweinen und Gänsen nicht mehr Herr, obwohl es seit Jahren Appelle zur Verstärkung der Jagd gibt. Das bestätigte am Mittwoch Jagdfachmann Niels Hahn im Agrarausschuss des Landtags. Er war vom Landwirtschaftsministerium geladen worden.
„Es sind eigentlich nicht die Schweine, die das Problem darstellen“, so Hahn. Verantwortlich seien vielmehr fehlendes Wissen und Egoismen in der Jägerschaft, gegenseitige Schuldzuweisungen und mangelhafte Kommunikation von Jägern, Bauern, Förstern und Behörden.
Fachleute betrachten die Ausbreitung der Tiere mit Sorge. So wird befürchtet, dass sich die in Osteuropa aufgetretene Afrikanische Schweinepest nach Westen ausbreiten könnte. Graugans, Kanadagans und Nilgans richten Schäden in der Landwirtschaft an und lösen im Sommer bei Badegästen Verdruss aus, weil Seeufer mit Gänsekot verdreckt sind.
Landwirtschaftsministerium trägt Mitschuld
Hubert Aiwanger, Vorsitzender der Freien Wähler, nimmt die Jäger dagegen in Schutz. „Das Landwirtschaftsministerium trägt Mitschuld an der Wildschweinplage. Viele revierübergreifende Drückjagden auf Wildschweine kommen deshalb nicht zustande, weil die Staatsjagdreviere darauf bestehen, dass gleichzeitig Rehe geschossen werden“, sagte er am Mittwochabend.
Hierdurch würden Wildschweinjagden gezielt torpediert, weil die Tiere im Wald als nützlich angesehen werden. „Es ist höchste Zeit, dass der Landwirtschaftsminister diesem Treiben ein Ende setzt und dafür sorgt, dass bei gemeinsamen Wildschweinjagden auf den Rehabschuss auch in den Staatsrevieren verzichtet wird, wenn die beteiligten Privatreviere auch darauf verzichten."
Ministerium: Jagdmanagement liegt bei den Revierinhabern
Das bayerische Landwirtschaftsministerium erklärte dagegen am Donnerstag, man habe wiederholt angemahnt, dass die Interessen der Landwirte und Waldbesitzer nicht gegeneinander ausgespielt werden dürften. Aus diesem Grund habe sich die Staatsregierung dafür eingesetzt, dass bei Bewegungsjagden alle Schalenwildarten bejagt werden können und sollen. Die Wildschäden im Feld müssen nach Ansicht des Ministeriums genauso ernst genommen werden wie die Verbiss- und Schälschäden im Wald. Daher müsse Schwarzwild intensiv bejagt werden, aber auch die Abschusspläne für Reh- und Rotwild müssen erfüllt werden.
Die Entscheidung und Verantwortung über das jeweilige Jagdmanagement liegt nach Ansicht des Ministeriums beim Revierinhaber als Jagdausübungsberechtigten. Den Grundeigentümern als Inhaber des Jagdrechts obliege es, sich im Rahmen der Willensbildung innerhalb der Jagdgenossenschaft einzubringen und z. B. bei der Gestaltung der Jagdpachtverträge entsprechende Vorgaben aufzunehmen.
Im Projekt „Brennpunkt Schwarzwild“ wurde aus Sicht der Behörde nachweislich aufgezeigt, dass revierübergreifende Bewegungsjagden erfolgreich durchgeführt werden können, und dass unabhängig davon, ob die beteiligten Revierinhaber in ihren Revieren die Mitbejagung von anderen Schalenwildarten vorsehen oder nicht. Das in einem der Modellgebiete gemeinsam entwickelte und wiederholt erfolgreich durchgeführte sog. „Pottensteiner Bewegungsjagdmodell“ sei der beste Beweis dafür, dass bei gutem Willen aller Beteiligten effektiv und ohne Vorbehalte gejagt werden kann.
Jagdverband verärgert über ungerechtfertigte Kritik
Der Bayerische Jagdverband (BJV) ist über die Präsentation des Berichtes zum Projekt „Effiziente Reduktion überhöhter Schwarzwildbestände“ im Bayerischen Landtag enttäuscht und verärgert.
„Enttäuscht sind wir, weil aus einem dreijährigen Projekt, das 364 600 Euro verschlungen hat, die von den Jägern aufgebracht wurden, keine wirklichen Erkenntnisse für die Praxis hervorgehen. Verärgert sind wir, weil die gesamte Jägerschaft und alle Beteiligten vor Ort, so hingestellt werden, als hätten sie die Entwicklung verschlafen“, sagt BJV-Präsident Prof. Dr. Jürgen Vocke. „Gegen eine derartige Darstellung in einer öffentlichen Sitzung im Landtag verwehren wir uns in aller Form!“
In vielen Teilen Bayerns funktioniere die Zusammenarbeit zwischen Bauern und Jägern bestens. Nicht von alleine seien im vergangenen Jagdjahr rund 66.000 Stück Schwarzwild zur Strecke gebracht worden. In diesem Zusammenhang von Egoismen der Jäger, Unkenntnis und fehlender Kommunikation der Jäger, Bauern, Förster und Behörden zu sprechen, entspricht nicht der Realität in weiten Teilen Bayerns“, so Vocke.
Die Kritik des BJV an der fehlenden Seriosität des mehrjährigen Schwarzwildprojekts, die seit Beginn immer wieder geäußert wurde, habe sich bestätigt.
Als anerkannter Fachverband setzt der BJV seit vielen Jahren in der Schwarzwild-Bejagung auf die enge Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Der BJV hat vorausschauend reagiert und schon 2008 ein landesweites Schwarzwild-Management-Konzept initiiert. In Kooperation und mit praxisgerechter Erfahrung wurden jagdliche Forderungen erarbeitet, um die Bejagung von Schwarzwild effizienter zu gestalten.
Dazu gehören die Anlage von Bejagungsschneisen in landwirtschaftlich genutzten Flächen, die Etablierung von Hundeausbildungsgattern, partnerschaftliche Wildschadensregelungen, Verringerungen der Gebühren für die Trichinenuntersuchung und Verkehrssicherungsmaßnahmen.
Ein digitales Monitoring-System verbessert die Kommunikation aller Beteiligten. Dieser Maßnahmenkatalog kann aber nur gemeinsam mit den Grundeigentümern erfolgreich umgesetzt werden. „Beide, Jäger und Bauern, stehen gleichermaßen in der Verantwortung, um langfristig erfolgreich zu sein“, betont BJV-Präsident Vocke.