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Ging bei der Glyphosat-Entscheidung durch Efsa alles mit rechten Dingen zu?

Im „Sonderausschuss des Europäischen Parlaments (EP) für das Genehmigungsverfahren der EU für Pestizide (PEST)“ sind in dieser Woche Zweifel an dem Zulassungsverfahren für Glyphosat und dem geltenden rechtlichen Rahmen aufgekommen. Die Efsa soll künftig mehr Ressourcen für eigene unabhängige Studien erhalten.

Lesezeit: 6 Minuten

Die erste Erörterung des Verfahrens um die Risikobewertung und Zulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat im „Sonderausschuss des Europäischen Parlaments (EP) für das Genehmigungsverfahren der EU für Pestizide (PEST)“ am Donnerstag dieser Woche hat Zweifel an dem bisherigen Zulassungsverfahren und dem geltenden rechtlichen Rahmen aufkommen lassen.

 

Vertreter der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) und der EU-Kommission stellten sich in einer dreieinhalbstündigen Sitzung den Fragen der europäischen Abgeordneten über die bisherige Praxis der Risikobewertung von Pflanzenschutzwirkstoffen. Der aktuelle rechtliche Rahmen für die Begutachtung, Bewertung und Zulassung von Wirkstoffen, die in der europäischen Landwirtschaft Anwendung finden, stammt aus dem Jahre 2009.

 

Der PEST-Ausschussvorsitzende Eric Andrieu rief bei der ersten Sitzung, des auf neun Monate angelegten Gremiums des EU-Parlamentes dazu auf, bei der politischen und technischen Bewertung den Blick nach vorne zu richten. „Unser Zielsetzung ist es, den bestehenden Rechtsrahmen zu überdenken und zu überarbeiten“, betonte Andrieu. Angesichts von ermittelten Pestizidrückständen bei 42 Prozent von konventionell produzierten Lebensmitteln in der EU dürfe es keine Tabus geben, schließlich gehe es um die Gesundheit der EU-Bürger.

 

Kritik übten EU-Parlamentarier aus vielen Mitgliedstaaten quer durch die Parteienlandschaft an dem bestehenden Rechtsrahmen für die EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) bei der Risikobewertung von als gesundheitsgefährdenden, krebsgefährlichen oder erbgutverändernden Wirkstoffen in Pflanzenschutzmitteln. So lasse das bisherige Antrags-, Bewertungs- und Genehmigungsverfahren beispielsweise eine umfassende Produktprüfung vermissen und die Auswirkungen auf die Biodiversität und Metaboliten in Ackerböden sowie kumulative Risiken in der Nahrungskette gänzlich außeracht. „Sollte man nicht den Gesamtcocktail und nicht nur Einzelwirkstoffe, sondern auch alle Wechselwirkungen auf menschliche Gesundheit und Umwelt untersuchen“, fragte der belgische EU-Abgeordnete Marc Tarabella von der deutschsprachigen Gemeinschaft.

 

Dürfen Antragsteller weiter Studien und Laborprüfer selbstständig bestimmen?

Als problematisch erachten eine Reihe von EU-Abgeordneten die bisherige Praxis, dass die Antragsteller für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln selbst in Auftrag gegebene Studien nach eigener Wahl aussuchen dürfen, um ihren Genehmigungsantrag zu stützen. Die geltende EU-Gesetzgebung sieht genau dies vor. Es obliegt dem Chemie- oder Saatgutkonzern, mit der Antragstellung nicht nur die Studien für die Unbedenklichkeit eines zur Genehmigung beantragten Wirkstoffes vorzulegen, sondern auch das wissenschaftliche Referenzzentrum zu benennen, dass die Risikobewertung durchführen soll. Darüber hinaus soll nach dem bisherigen Willen des europäischen Gesetzgebers, das Unternehmen, das den wirtschaftlichen Nutzen des Antrages für sich reklamiert auch die gesamten Verfahrenskosten tragen. Mehr noch, dem Antragsteller wird die Freiheit eingeräumt wissenschaftliche Studien als nicht relevant für die Antragstellung zu klassifizieren. 

 

 Gebührensystem und Bezahlgutachten gehören auf den Prüfstand

„Warum kann ein Antragsteller sich ein Mitgliedstaat selbst aussuchen, in dem es seine Risikobewertung durchführen lassen will und darüber entscheiden, welche Studien sie im Bewertungsverfahren für hilfreich halten?“, fragte die niederländische Europaabgeordnete Anja Hazekamp von den europäischen Linken.

 

Der EFSA-Exekutivdirektor Bernhard Url machte die EU-Abgeordneten mit dem derzeit praktizierten Genehmigungsverfahren bekannt. „Wir sind dem Ausschuss sehr dankbar. Je besser wir zusammenkommen, um so besser können wir erklären, wie das Verfahren und die Bewertung von Wirkstoffen auf europäischer Ebene verläuft“. Das Antragsverfahren basiert auf drei Stufen, der Materialsammlung, dem wissenschaftlichen Sachverstand und der gesetzlich verankerten Methodik. Die Bewertungsprozesse verlaufen in vier Schritten. „Der Antragsteller muss nachweisen, dass ein Wirkstoff unbedenklich ist und hat die Pflicht dafür Daten und öffentlich zugängliche wissenschaftliche Literatur und Unbedenklichkeitsstudien vorzulegen“, erklärte Url. Es obliegt dann der EFSA, eine Bewertung nach Maßstäben wissenschaftlicher „peer reviews“ durchzuführen. Dabei sind neben EU-Vorgaben vor allem OECD-Leitlinien der Maßstab des Verfahrens. Über Geld, um eigene Studien in Auftrag zu geben oder unabhängige Tests durchführen zu können, verfügt die EU-Lebensmittelbehörde im bisherigen Budgetrahmen nicht. Daher muss sich EFSA auf die Antragsteller-Studien und die vom Antragsteller zur Verfügung gestellten Daten beschränken. Nach dieser Methodologie sind weder der Antragsteller noch EFSA gebunden, die Rohdaten von vorgelegten Studien vorzulegen beziehungsweise zu validieren.

 

Daher kritisieren nicht wenige EU-Abgeordnete in dem Ende 2017 zum Abschluss gebrachten Verlängerungsgenehmigung für Glyphosat um weitere fünf Jahre auf dem EU-Markt, dass Rohdaten von Studien nicht verifiziert worden seien. „Wir von EFSA würden am liebsten alles veröffentlichen. Aber es gibt auch Unternehmensdaten, die heikel sind und geschützt werden müssen“, sagte Url im EP-Sonderausschuss. Es könne im Übrigen keine Rede davon sein, dass die mit 6.000 Seiten Dokumenten und Studienpapiern rund um die Glyphosat-Zulassung für die EFSA einen Ausnahmezustand dargestellt habe. „Im Gegenteil, wir haben im Jahre 2017 parallel 50 andere Wirkstoffe bewertet und übers Jahr 550 abschließende Bewertungen vorgelegt, die alle auf unsere website veröffentlicht sind“, betonte der EFSA-Direktor.

 

Viele EU-Abgeordnete plädierten in der Sitzung für eine bessere Haushaltsausstattung von EFSA, um eigene unabhängige Studien - jenseits der Industrievorgaben – künftig bewerkstelligen zu können. Des Weiteren soll das bisherige Gebührensystem auf den Prüfstand und eine öffentlich-rechtliche Finanzierung der Antragsverfahrens ins Auge gefasst werden. Auch EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis machte sich am Mittwoch für eine Aufstockung des EFSA-Budgets um jährlich 65 Millionen Euro in diesem Sine stark.

 

EU-Kommission setzt auf mehr Transparenz und eine verbesserte Risikokommunikation

„Wird das Genehmigungsverfahren im Lichte der umstrittenen Glyphosat-Verlängerung aus dem Jahre 2017 und den von der EU-Kommission angekündigten Transparenzinitiative für die Lebensmittelkette als Konsequenz geändert?“, richtete die niederländische EU-Abgeordnete Hazekamp ihre Frage an die EU-Kommission.  „Das Verfahren für die Zulassung von Wirkstoffen wird nicht abgeändert, aber es ist Raum für Effizienzverbesserung und mehr Transparenz“, fasste die Direktorin für Lebensmittel und Tiergesundheit bei der Gesundheits-Generaldirektion, Sabine Jülicher zusammen. Ob ihr persönlicher Standpunkt bei der PEST-Auftaktsitzung am Ende der neunmonatigen Diskussion im EU-Parlament, die Richtschnur für den EP-Abschlussbericht sein wird, darf bezweifelt werden. Ist der aus 2009 stammende Rechtsrahmen noch angemessen? wollte der belgische Europaabgeordnete Tarabella wissen. „Wir wenden den Rechtsrahmen wie vorgeschrieben an, das sollte doch Vertrauen auch unter Ihnen als Abgeordnete wecken“, entgegnete Jülicher und schob den Satz nach „Wir haben uns da nichts vorzuwerfen“. Die EU-Kommission wolle künftig neben einem transparenteren Verfahren auch die Risikokommunikation mit dem Bürger verbessern.

 

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