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Greenpeace legt Kursbuch Agrarwende 2050 vor

Greenpeace hat am Wochenende ihr Konzept vorgelegt, wie Deutschland bis 2050 eine „ökologisierte Landwirtschaft“ erreichen kann. Das „Kursbuch Agrarwende 2050“ rechnet vor, dass „wir uns von der zerstörenden intensiven Landwirtschaft verabschieden können – ohne jeden Tag Kohlsuppe essen zu müssen“.

Lesezeit: 5 Minuten

Die Umweltorganisation Greenpeace hat am Wochenende ihr Konzept vorgelegt, wie Deutschland bis 2050 eine „ökologisierte Landwirtschaft“ erreichen kann. Das „Kursbuch Agrarwende  2050“ rechnet vor, dass „wir uns von der zerstörenden intensiven Landwirtschaft verabschieden können – ohne jeden Tag Kohlsuppe essen zu müssen“, betont Greenpeace in der begleitenden Pressemitteilung. Erstellt hat die Studie das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FibL) in Frankfurt.

 

Greenpeace hat sich zum Ziel gesetzt bis 2050  

  • die Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft um 50 % zu senken,
  • auf 100 % der LF den Indikator „Artenvielfalt und Landschaftqualität“ zu erreichen,
  • den N-Überschuss auf maximal 30 kg/ha zu begrenzen,
  • alle Grund-, Oberflächen- und Küstengewässer in einen guten ökologischen/chemischen Zustand gem. Wasserrahmenrichtlinie zu bringen,
  • keine chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel mehr einzusetzen,
  • die Tiere komplett artgerecht zu halten und dabei auch kritische Haltungsformen wie die Anbindehaltung bei Kühen oder Kastenstände bei Sauen komplett zu verzichten sowie
  • nur noch Futtermittel aus europäischem/heimischem Anbau zu nutzen.


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Hartes Ordnungsrecht soll kommen


Um diese Ziele zu erreichen, setzt Greenpeace vor allem auf eine Verschärfung des Ordnungsrechts. An diesen Punkten wollen die Umweltschützer dabei vor allem ansetzen:


  • Tierhaltung: Flächenbindung, Beendigung der Förderung von Stallneubauten, Verpflichtung zu artgerechten Haltungsformen (z.B. Verbot aller nicht kurativer Maßnahmen, Verpflichtung zur Weidehaltung);
  • Düngung: Begrenzung über eine wirkungsvolle Düngeverordnung, regionale Obergrenzen für die Tierhaltung, effizientere Stickstoffdüngung;
  • Bereitstellung von Flächen für Arten- und Klimaschutz: verpflichtende Einführung von 15 % ökologischer Vorrangflächen auf Acker, Schutz und Erneuerung von Dauergrünland, Umwandlung von 500.000 ha Moorflächen zu extensivem Grünland;
  • Pflanzenschutz:vollständiger Verzicht auf chemisch-synthetischen Pflanzenschutz durch Anwendungsbeschränkungen, Abstandsauflagen, Auslaufen von Zulassungen.


Tierhaltung würde halbiert


Greenpeace und das FibL gehen davon aus, dass die genannten Maßnahmen die deutsche Landwirtschaft bis 2050 gegenüber dem Status quo (2013) radikal verändern würden:

  • Rund 1 Mio. ha Ackerland würden komplett aus der Produktion fallen, was einem Rückgang von knapp 10 % entspräche. Weitere 500.000 ha will man zu extensivem Grünland umwandeln.
  • Die Zahl der Milchkühe müsste von 4,9 Mio. auf 2,7 Mio. (- 45 %), die der Mastrinder sogar von 3,7 Mio. auf 1,0 Mio. sinken (- 73 %).
  • Von 49,7 Mio. Mastschweinen blieben 2050 noch 17,4 Mio. in den Ställen (- 65 %)
  • Statt der aktuell 709 Mio. produzierten Masthühnern wären es nur noch 335 Mio. (- 53 %).
  • Nur die Zahl der Legehennen stiege von jetzt 48 Mio. auf gut 50 Mio. Stück (+ 5 %), weil die Legeleistung der einzusetzenden Zweinutzungshühner sinke.
Aufgrund der ordnungsrechtlichen Produktionsbeschränkungen würden auch die pflanzlichen und tierischen Leistungen drastisch sinken, erwarten die Gutachter des FibL. Sie gehen von folgenden Eckwerten aus:

  • Die Erträge im Ackerbau sinken im Mittel über alle Kulturen um etwa 40 %.
  • Die Milchleistung soll 2050 nur bei 7.400 kg/Kuh und Jahr liegen,
  • Eine Sau wird nicht mehr als 20 Ferkel pro Jahr absetzen.
  • Und eine Legehenne nur noch ca. 230 Eier pro Jahr legen.


Selbstversorgung möglich – aber nur bei weniger Fleisch, Eier und Käse


Trotz der gewaltigen Verringerung der Produktion soll sich Deutschland weiterhin selbst versorgen können – aber nur wenn folgende Annahmen der FibL-Experten eintreffen:


  • Die Abfallquote der Lebensmittelproduktion (Ernte- und Nachernteverluste) müsste sich halbieren. Experten gehen davon aus, dass derzeit noch etwa ein Drittel der produzierten Lebensmittel in den Abfall wandern.
  • Der Verzehr tierischer Nahrungsmittel müsste sich drastisch verringern. Der Fleisch- und Wurstkonsum soll um 49 %, der Eierverzehr um 32 % sinken. Darüber hinaus soll auch der Verbrauch von Ölen und Fetten um 37 % zurückgehen. Und es würde im Jahre 2050 auch 28 % weniger Käse und 11 % weniger Milch getrunken.
Unter diesen Annahmen gebe es sogar noch einen Sicherheitspuffer von knapp einer Mio. ha LF, die nur zur Verfügung stünde, um Unsicherheiten bei den Annahmen und Berechnungen auszugleichen, heißt es in der Studie.

 

top agrar meint:

Hier sind Greenpeace und das FibL eindeutig zu kurz gesprungen. Natürlich ist es theoretisch machbar, dass Deutschland seine Landwirtschaft radikal ökologisiert und sich trotzdem noch selbst versorgen kann. Man muss halt nur die richtigen Annahmen treffen und so lange rechnen, bis es passt.

 

Entscheidend ist aber: Treffen die Annahmen zu? Hier sind Zweifel angebracht. Um die Ergebnisse der Studie stichhaltig zu machen, hätten die Gutachter auch auf folgende Fragen plausible Antworten geben müssen:

  • Welche Konsequenzen hätte eine solche Agrarwende für die Lebensmittelpreise in Deutschland?
  • Wenn diese deutlich stiegen: Würden diese Preissteigerungen von den Verbrauchern akzeptiert?
  • Wie kann man bei offenen Märkten verhindern, dass billige ausländische Lebensmittel nach Deutschland kommen und damit die hiesigen Bemühungen unterlaufen?
  • Was hieße das für die Agrarstruktur in Deutschland?
  • Wie viele Betriebe gäbe es 2050 noch?
  • Welche ökonomische Basis hätten insbesondere die Tierhalter dann?
  • Was würde die Agrarwende kosten und wer trüge die Kosten?
Das tun die Autoren leider nicht oder völlig unzureichend. Zur Frage der Kosten und der Mittel für die Agrarwende wird lediglich auf die Umschichtung von der 1. zur 2. Säule verwiesen. Das wird hinten und vorne nicht reichen. Seit dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats wissen wir, dass allein der Umbau der Tierhaltung Kosten in Milliardenhöhe verursachen würde – jährlich. Zur Frage der Akzeptanz höherer Lebensmittelpreise und ausländischer Importe heißt es lapidar, hier müsse man eine Ernährungskampagne starten. Ob eine solche wirklich reicht, das Problem zu lösen? Zweifel sind angebracht.

 

Insofern ist die neue Greenpeace-Studie kein ernsthafter Beitrag zur Lösung der aktuellen Probleme der Landwirtschaft. Sie ist nur ein Akt des üblichen politischen Schaukampfs vor der Grünen Woche. Schade. 


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