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Grethe zu Agrarpaket: „Das Wichtigste ist jetzt die Finanzierung“

Der Agrarökonom Prof. Harald Grethe begrüßt, dass sich Umwelt- und Landwirtschaftsministerium auf ein Agrarpaket geeinigt haben. Aber alle 3 Teile hängen noch an der Finanzierung.

Lesezeit: 5 Minuten

top agrar: Wie bewerten Sie das Agrarpaket der Bundesregierung mit Insektenschutz, Tierwohllabel und Umschichtung?

Grethe: Es ist gut, dass sich diese beiden Häuser zusammengesetzt haben, um eine gemeinsame Linie zu entwickeln. Denn es tut der Landwirtschaft nicht gut, wenn Umwelt- und Landwirtschaftsministerium gegeneinander arbeiten. Die Umschichtung ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Der Kompromiss einer Erhöhung auf 6% beinhaltet eine auch kurzfristig verschmerzbare Kürzung der Direktzahlungen von 1,5%. Er ist auch ein wichtiges Signal, wo die Agrarpolitik in Zukunft hinmuss. Die Zahlungen, die wir im Rahmen der Europäischen Agrarpolitik leisten, müssen viel stärker als bisher an den großen Herausforderungen Umweltschutz, Klimaschutz und Tierschutz orientiert werden.

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Die Umschichtung soll nur für 2020 gelten. Erwarten Sie, dass diese auch in der Übergangszeit und in der neuen GAP weitergeführt wird?

Grethe: Ich kann mir schlecht vorstellen, dass man zurück rudern wird. Es hilft dem Sektor auch nicht, jedes Jahr den Kurs zu wechseln. Der eingeschlagene Weg sollte schrittweise weiter in diese Richtung gehen: Die Mittel der EU-Agrarpolitik müssen an gesellschaftliche Ziele gebunden werden. Insofern wünsche ich mir, dass diese Umverlagerung raus aus den pauschalen Direktzahlungen und rein in zielorientierte Maßnahmen fortgesetzt wird. Ob das nun über die 2. Säule läuft, oder langfristig über die Eco-Schemes in der 1. Säule ist zweitrangig.

Glauben Sie, dass die Einigung auf das Tierwohlkennzeichen nun ein Durchbruch in der langwierigen Diskussion um die Nutztierhaltung ist?

Grethe: Erstmal ist das ja nur ein freiwilliges Label. Der Handel ist mit der flächendeckenden Kennzeichnung schon weiter.

"Eine staatliche Tierwohlkennzeichnung entwickelt langfristig nur dann Schlagkraft, wenn sie verpflichtend wird."

Braucht man das freiwillige Tierwohlkennzeichen jetzt noch?

Grethe: Da kann man trefflich drüber streiten. Ich glaube, dass eine staatliche Kennzeichnung langfristig nur dann Schlagkraft entwickelt, wenn sie verpflichtend wird. Wenn das freiwillige Label ein Einstieg in die staatlich verpflichtende Kennzeichnung ist, dann kann das freiwillige Label ein sinnvoller Schritt sein. Wenn man die verpflichtende staatliche Kennzeichnung in den nächsten Jahren nicht schafft, dann sehe ich nicht, dass das freiwillige Label viel Mehrwert gegenüber der Kennzeichnung des Handels hat.

Erwarten Sie eine Verpflichtung auf nationaler oder europäischer Ebene?

Grethe: Wünschenswert wäre eine verpflichtende Kennzeichnung auf europäischer Ebene. Deutschland sollte die EU-Ratspräsidentschaft kommendes Jahr nutzen, um diesen Prozess voran zu treiben. Deutschland gewinnt in der EU auch dadurch an Glaubwürdigkeit, dass hier ein freiwilliges Label geschaffen wird, weil sichtbar wird, dass Tierschutz wichtig für die deutsche Agrarpolitik ist. Ob das auf europäischer Ebene gelingt, ist offen. Denkbar wäre aber auch, dass man auf EU-Ebene vereinbart, es einzelnen Mitgliedstaaten möglich zu machen, in ihren Mitgliedstaaten eine verpflichtende Kennzeichnung umzusetzen, auch wenn nicht alle EU-Mitgliedstaaten mitgehen.

Was sollte die Bundesregierung in ihrer Nutztierstrategie jetzt anpacken?

Grethe: Vieles, dazu zählt unter anderem die lange überfällige Weiterentwicklung des Ordnungsrechts und ein besseres Monitoring. Aber das aller Wichtigste ist jetzt eine Finanzierungsstrategie. Denn nur dadurch, dass wir Labelstufen schaffen, ist das Angebot am Markt ja noch nicht da. Und Tierschutz kostet Geld. Das größte Versagen der Agrarpolitik im Bereich Tierschutz ist, dass immer noch keine Finanzierungsstrategie für einen Umbau der Nutztierhaltung vorliegt.

Welche Finanzierungsstrategie sollte das sein? Die Fleischsteuer?

Grethe: Das ist eine politische Entscheidung. Die Wissenschaft hat immer wieder vorgeschlagen, die weitgehend unkonditionierten Direktzahlungen in Teilen auch hierfür umzuwidmen. Wenn das politisch nicht durchsetzbar ist, dann sind auch andere Lösungen denkbar. Dazu gehören eine Umsatzsteuererhöhung auf tierische Produkte, eine Tierwohlabgabe oder anderweitig aus den öffentlichen Haushalten bereitgestellte Mittel. Wir kommen nicht umhin, in erheblichen Umfang staatliche Mittel in die Hand zu nehmen, um die Tierwohlleistungen der Tierhalterinnen und Tierhalter zu honorieren. Und so das Angebot heran zu fördern an die geschaffenen Labelstufen. Unter 1 Milliarde Euro jährlich wird man nicht viel erreichen; ein Betrag von 3 Milliarden Euro jährlich würde den langfristigen Umbau zu anderen Haltungssystemen ermöglichen – eine solche Finanzierungsstrategie wäre ein Durchbruch für den Umbau der Nutztierhaltung.

"Was wir brauchen, ist eine Gesamtstrategie und keine Symbolpolitik für einzelne Pflanzenschutzmittel."

Wie wird sich das Insektenschutzprogramm auf die deutsche Landwirtschaft auswirken?

Grethe: Auch hier finde ich es sinnvoll, dass sich Umwelt- und Landwirtschaftsministerium zusammensetzen und gemeinsam eine gemeinsame Strategie entwickeln. Denn das Insektenschutz eine hohe Bedeutung hat und viel stärker als bisher priorisiert werden muss, ist grundsätzlich richtig. Insofern halte ich es auch für richtig, ein Insektenschutzprogramm finanziell gut auszustatten. Es ist noch zu früh, um die Auswirkungen abschätzen zu können, weil dafür noch zu viele Details offen sind.

Wie bewerten Sie denn das Enddatum für Glyphosat 2024 und die Einschränkungen für Pflanzenschutzmittel in Schutzgebieten?

Grethe: Die grundsätzliche Strategie, den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu verringern und nach Gebietskulissen zu differenzieren, halte ich für richtig. Das ist viel zielführender als ein grundsätzlicher Verzicht auf Pflanzenschutzmittel. In Bezug auf Glyphosat bin ich aber nicht davon überzeugt, dass ein grundsätzliches Verbot die deutsche Landwirtschaft nachhaltiger macht. Die Alternativen sind bei weitem nicht immer nachhaltiger etwa andere Herbizide oder eine intensivere Bodenbearbeitung. Was wir brauchen, ist eine Gesamtstrategie und keine Symbolpolitik für einzelne Mittel. Ein Pflanzenschutzmittelverbot in Schutzgebieten wäre eine weitgehende Nutzungseinschränkung. Hier muss man darüber nachdenken, ob, in welcher Form und in welchem Umfang ein finanzieller Ausgleich von Landwirten erfolgt, die dort wirtschaften.

Das Gespräch führte top agrar Berlin Korrespondentin Stefanie Awater-Esper

Prof. Harald Grethe leitet an der Humboldt-Universität zu Berlin das Fachgebiet Internationaler Agrarhandel und Entwicklung und ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik und Ernährung beim Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL).

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