Bundesarbeitsminister Hubertus Heil fordert, dass der Mindestlohn 2026 auf rund 15 € steigen muss. Das hat er in einem Brief an die Mindestlohnkommission mitgeteilt. Von einer Erhöhung würden 6 Mio. Menschen profitieren, sagte Heil. "Es ist auch eine Frage der Leistungsgerechtigkeit, dass Menschen die Vollzeit arbeiten auch von der Arbeit leben können." Dadurch werde wiederum die Kaufkraft gestärkt, was sich auch auf die Konjunktur positiv auswirken könne.
Mindestlohnkommission entscheidet, nicht der Minister
Zur Begründung verweist der SPD-Politiker auf einen Referenzwert aus der Richtlinie von 60 % des mittleren Lohns. Das wären nach derzeitigen Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) 15,27 € pro Stunde. Allerdings ist dieser Wert nur ein Richtwert und nicht bindend, wie FDP-Arbeitsmarktexperte Jens Teutrine am Montag direkt einwarf.
Heil weiß zwar, dass die Mindestlohnkommission unabhängig ist, er sieht sie allerdings gebunden an rechtliche Vorgaben des deutschen Gesetzes und der EU-Richtlinie. Er müsse der EU-Kommission bis November melden, ob das deutsche Recht der EU-Richtlinie entspreche.
Die FDP dagegen sieht den Standort Deutschland und die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands in Gefahr. Deutschland erfülle bereits die Vorgaben der EU-Mindestlohnrichtlinie, daher werde es von der Fraktion keine Unterstützung für Heils Initiative heben.
Mindestlohn steigt 2025 bereits
In diesem Jahr beträgt der Mindestlohn 12,41 €. Im kommenden Jahr steigt er auf 12,82 €. Über die Anhebung ab 2026 muss die Mindestlohnkommission bis Mitte 2025 entscheiden. Dabei ist offen, ob die Kommission der Aufforderung des Ministers folgen wird.
Die Kommission hatte sich im Sommer 2023 zerstritten, berichtet die Tagesschau. Die Arbeitgeber setzten die Erhöhungen für 2024 und 2025 gegen die Stimmen der dort vertretenen Gewerkschafter durch. Diese hatten eine stärkere Anhebung gefordert. Und auch jetzt meldet sich die Arbeitgeberseite zu Wort: Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) beschwert sich, dass man sich die Mindestlohnkommission sparen könne, wenn ständig die Politik von der Seite reingrätscht. Der Minister pfusche den Tarifparteien ins Geschäft. Das sei Wahlkampf und Stimmenfang, heißt es beim IW Köln.
Auch die Agrarwirtschaft hatte sich wiederholt mahnend zu Wort gemeldet, dass die ohnehin schon hohen Kosten der Betriebe dadurch weiter steigen, ohne dass es der Kunde an der Ladenkasse ausgleicht. Viele Höfe würden dann etwa aus Bereichen aussteigen, wo sie viele Erntehelfer einsetzen müssen, z.B. beim Spargel- oder Erdbeeranbau.
RLV: "Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft in Gefahr"
So lehnen z.B. der Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauer und die Arbeitgebervereinigung im Rheinischen Landwirtschafts-Verband (RLV-Arbeitgebervereinigung) die Forderungen mit aller Entschiedenheit ab. Aus Sicht der beiden Verbände wäre dies eine untragbare Belastung für die Landwirtschaft, insbesondere für die rheinischen Sonderkulturbetriebe im Bereich Obst- und Gemüseanbau.
„Unsere Betriebe befinden sich bereits jetzt in einer äußerst schwierigen Lage. Die Wettbewerbsbedingungen auf dem europäischen Markt sind für deutsche Landwirte durch die hohen Mindestlöhne deutlich härter als in vielen anderen EU-Ländern“, erklärt Georg Boekels, Präsident des Provinzialverbandes Rheinischer Obst- und Gemüsebauer. „Während unsere Hauptkonkurrenten in Südeuropa und Nordafrika unter deutlich niedrigeren Lohn- und Sozialstandards produzieren, müssen wir in Deutschland mit immer weiter steigenden Kosten rechnen. Eine Erhöhung des Mindestlohns auf bis zu 15 € im Jahr 2026 bedeutet für viele unserer Betriebe das wirtschaftliche Aus.“
Die rheinischen Sonderkulturbetriebe, die bereits jetzt mit erheblichen Mehrkosten durch steigende Energie- und Betriebsmittelpreise konfrontiert sind, könnten durch die geplante Lohnerhöhung in ihrer Existenz bedroht werden. „Der massive Preisdruck auf die landwirtschaftliche Produktion und die Konkurrenz durch günstigere Importe aus dem Ausland gefährden die regionale Versorgungssicherheit. Die Gefahr besteht, dass der Anbau von Obst und Gemüse in Deutschland langfristig nicht mehr wettbewerbsfähig ist“, warnt Johannes Brünker, Vorsitzender der RLV-Arbeitgebervereinigung.
Dann kommt die Ware aus dem Ausland
Neben den wirtschaftlichen Folgen für die Landwirtschaft warnen Arbeitgebervereinigung und Provinzialverband vor negativen Auswirkungen auf Verbraucher und die Umwelt. „Wenn der Sonderkulturanbau aus Deutschland verschwindet, sind die Verbraucher zunehmend auf importierte Waren angewiesen, die oft unter deutlich niedrigeren Sozial- und Umweltstandards produziert werden“, betont Boekels. „Damit wird nicht nur die regionale Wertschöpfung geschwächt, sondern es entsteht auch eine Abhängigkeit von Produkten aus dem Ausland, deren ökologische Bilanz oft schlechter ist. Diese Abhängigkeiten sollten jedoch als eine der Lehren aus der Coronazeit vermieden werden.“