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topplus Umbau der Tierhaltung

Hocker: „Höhere Mehrwertsteuer – da gehen wir nicht mit“

Die FDP lehnt staatliche Finanzierungsmodelle für den Umbau der Tierhaltung weiterhin ab und drängt auf eine Wirtschaftslösung. Agrarsprecher Gero Hocker über mögliche Kompromisse der Ampel.

Lesezeit: 7 Minuten

Die Landwirtschaft erwartet ungeduldig, wie die neue Bundesregierung die Zukunft der Tierhaltung organisiert. Wie schnell wird die Ampel jetzt liefern?

Hocker: Es ist gemeinsames Ziel der Ampel etwas zu vollenden, was der Vorgängerregierung nicht gelungen ist. Nämlich dass wir eine verbindliche Haltungs- und Herkunftskennzeichnung hin bekommen, am besten europaweit. Der Verbraucher soll so maximale Transparenz bekommen.

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Heißt das, dass Sie auf die EU warten mit den Tierhaltungskennzeichnungen?

Hocker: Wir wollen national beginnen und das dann europäisch ausrollen. Wir haben auf dem EU-Binnenmarkt völlig verschiedene Tierhaltungsstandards. Da ist es auch ein Gebot der Fairness, dass dem Verbraucher auch transparent zu machen. Deshalb müssen die nationale und die europäische Lösung Hand in Hand gehen.

Stockt der Prozess, weil sich die Ampel noch nicht auf eine klare Finanzierungsstrategie für den Umbau der Tierhaltung hat einigen können?

Hocker: Nein, das sehe ich nicht so. Denn es gibt für den Umbau der Tierhaltung drei ernst zunehmende Finanzierungsoptionen.

Warum ist die FDP gegen eine Finanzierung über eine Mehrwertsteuererhöhung für Fleisch, die sich in den Machbarkeitsstudien als am einfachsten erwiesen hat?

Hocker: Wir haben uns im Koalitionsvertrag auf Betreiben der FDP darauf geeinigt, die Steuern nicht zu erhöhen. Ich halte die Mehrwertsteuererhöhung weiterhin nicht für den richtigen Weg. Sie würde die Schere zwischen billigen Fleischerzeugnissen und Qualitätsware noch größer machen. Der preissensible Verbraucher wird deswegen nicht vermehrt zum höherwertigen Tierwohl-Produkt greifen, dass damit noch teurer wird. Auch gegenüber einer Abgabe bin ich sehr kritisch. In der Politik sind gerade die Begehrlichkeiten nach zusätzlichen Einnahmequellen - etwa für den Klimaschutz - groß. Ich habe die Befürchtung, dass die Politik an staatliche Einnahmen, die eigentlich für die Landwirtschaft und den Umbau der Tierhaltung gedacht waren, später für andere Begehrlichkeiten ran geht.

Ich habe mehr Vertrauen in die Wirtschaft als in die Politik.

Wie wollen Sie die laufenden höheren Betriebskosten für Fleisch aus höheren Haltungsstufen, die der Markt nicht honoriert, begleichen?

Hocker: Wir brauchen einen privatwirtschaftlichen Fonds, der dem unmittelbaren Zugriff des Gesetzgebers entzogen ist. Dieser könnte über einen verpflichtenden Obolus, erhoben beim Lebensmitteleinzelhandel, dem LEH, gespeist werden. Unser Vorschlag ist, das orientierend an der bestehenden Initiative Tierwohl – ITW – zu machen.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass das Geld aus dem Fonds zu den Betrieben kommt, wenn Sie als Staat keinen Einfluss drauf nehmen können?

Hocker: Das funktioniert in der ITW schon jetzt. Ich habe mehr Vertrauen in privatwirtschaftliche Strukturen als in die Politik. Das Instrumentarium muss sowohl inländische als auch im Ausland erzeugte Fleischprodukte einbeziehen. Und es muss mengenbezogen und nicht preisbezogen sein.

Im Koalitionsvertrag versprechen Sie, dass Sie das „bürokratiearm ohne den Handel zu belasten“ umsetzen wollen. Wie soll das mit der Umlage, die an einer Stelle in der Wirtschaft eingezogen werden müsste, gehen?

Hocker: Ich weiß nicht, warum es bürokratieintensiv sein soll. Ich sehe nicht, dass man dafür viele Stellen schaffen müsste. Man kann sehr wohl beim LEH einen mengenbezogenen Obolus fürs Tierwohl einbuchen. Dieser muss dann seine Kassen umprogrammieren.

Der bestehende ITW-Fonds hat gerade das Problem, dass ein Großteil des Fleisches, dass in die Gastronomie geht, dort nicht einzahlt. Das verändert sich mit ihrer Lösung nicht. Wo soll mehr Geld für den Umbau herkommen?

Hocker: Anders als bisher wäre der Obolus verpflichtend. Im Interesse der Einnahmen wäre es schlau, alle mit ins Boot zu nehmen. Aber das ist noch nicht entschieden. Je digitalisierter die Lieferketten sind, desto eher ist das möglich.

Ich finde die Analogie mit der EEG-Umlage nicht glücklich.

Die privatwirtschaftliche Variante mit verpflichtender Umlage, die Sie bevorzugen, entspräche dem System der EEG-Umlage. Wie passt das damit zusammen, dass Sie die EEG-Umlage gerade abschaffen?

Hocker: Ich finde die Analogie mit der EEG-Umlage nicht glücklich. Es stimmt zwar, dass das ebenso ein umlagefinanziertes System ist, das sich nicht Steuer nennt. Aber als Stromkunde habe ich keine Wahlmöglichkeit, ich muss die EEG-Umlage zahlen. Das ist bei der Tierhaltung anders. Als Konsument kann ich sagen, ich kaufe kein Fleisch, ich ernähre mich anders. Da ist die freie Konsumentenentscheidung gewahrt.

Die Borchert-Kommission hat vor allem auf 20-jährige staatliche Verträge mit den Tierhaltern gesetzt, die ihnen die Finanzierung der laufenden Betriebskosten zusagen. Herr Borchert argumentiert, die privatwirtschaftliche Lösung mit einer Umlage wäre dafür keine verlässliche Finanzierungsgrundlage. Denn die Umlage könnte jederzeit von einer Regierung geändert werden, so wie Sie es gerade bei der EEG-Umlage tun.

Hocker: Das Problem sehe ich nicht. Meine Befürchtung, dass sich der Staat an solche 20-jährigen Verpflichtungen nicht hält, ist deutlich größer, als dass privatwirtschaftliche Verträge zwischen Akteuren gebrochen werden. Wir brauchen dann zusätzlich Moratorien. Einmal um die Politik in die Pflicht zu nehmen, die Umlage über den Zeitraum auch einzuhalten. Und zweitens für die Dauer der 20 Jahre an den Auflagen für den Stallbau zu Lasten der Landwirtschaft nichts zu ändern.

Die Tierhalter sind teilweise in einer existenziellen Lage, sie bräuchten eine schnelle Perspektive für die Zukunft. Nehmen Sie in Kauf, dass einige aufgegeben haben, bis Sie die Finanzierung geklärt haben?

Hocker: Mir ist die verheerende Lage der tierhaltenden Betriebe, insbesondere der Schweinehalter, aufgrund der Corona-Pandemie, der Afrikanischen Schweinepest und der Politik der Vorgänger-Regierungen bewusst, die für zusätzliche Auflagen statt faire Bedingungen in der EU gesorgt haben. Deshalb ist die Zukunft der Tierhaltung eine Priorität der Ampel-Koalition. Wir wollen schnellstmöglich tragfähige und verlässliche Lösungen finden.

Wir müssen uns fragen, was ist wichtiger: Klima oder Tierwohl?

Das BMEL schlägt mittlerweile als zusätzliche Alternative vor, den Umbau der Tierhaltung mit Mitteln aus dem Energie- und Klimaschutzfonds zu finanzieren. Wird dafür das Geld reichen?

Hocker: Ich habe die Gewissheit, dass diese Fonds schon derart überzeichnet sind, dass der Umbau der Tierhaltung nicht an oberster Priorität stehen kann. Der Klimaeffekt von Tierhaltung ist immer verbunden mit weniger Tierhaltung. Wir müssen uns aber fragen, was ist wichtiger: Klima oder Tierwohl? Dass die Grünen die Tierhaltung reduzieren wollen, ist eine politische Trophäe. Ich halte es aus einer betriebswirtschaftlichen Sicht für absurd, dass der Gesetzgeber einem Unternehmen vorschreiben will, wie viele Tiere es halten darf.

Die Grünen wollen den Umbau mit einem Abbau der Tierbestände und einer Flächenbindung kombinieren...

Hocker: Wir haben im Osten Niedersachsens Regionen, wo wir ein eklatantes Defizit an Wirtschaftsdünger haben. Dazu per se zu sagen, wir reduzieren die Tierhaltung in Vechta und Cloppenburg und an anderer Stelle müssen wir Mineraldünger zu kaufen, halte ich für absurd. Wenn wir über Klima reden, dann nehme ich doch lieber den Wirtschaftsdünger aus der Tierhaltung als ihn energieintensiv als synthetischen Dünger zu produzieren.

Die Landwirtschaft braucht nicht mehr Geld sondern Verlässlichkeit.

Das Problem ist die Verteilung des Wirtschaftsdüngers. Wie gehen Sie an die Nitratproblematik und die Ausweisung der roten Gebiete ran, die die Ampel jetzt wieder mit der EU-Kommission lösen muss?

Hocker: Wir haben keine Verlässlichkeit, dass sich die EU-Kommission mit allem, was wir auch machen, zufrieden gibt. Noch nicht mal die vorletzte Reform von 2017 ist lange genug her, um zu sagen, wie sie auf die Grundwasserkörper wirkt. Wir als FDP sagen, die Landwirtschaft braucht nicht mehr Geld, etwa in Form von Bauernmilliarden, sondern Verlässlichkeit. Und wir kämpfen gerade an allen Fronten, dass wir das so mild wie möglich für die Landwirtschaft gestalten.

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