Die Teilnehmer der Trilog-Verhandlungen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) haben das Pfingstwochenende sicherlich zum Ausschlafen genutzt. Denn Schlaf werden sie in den kommenden Tagen wohl eher nicht bekommen. Die GAP-Verhandler bereiten sich auf einen Verhandlungsmarathon mit den für Brüssel üblichen Nachtsitzungen vor.
Neben den Verhandlungsteams der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft, des Europaparlamentes und der EU-Kommission, reisen auch die Agrarminister aller 27 EU-Mitgliedstaaten in die belgische Hauptstadt. Am Mittwoch beginnt die Sitzung des EU-Agrarministerrates, einen Tag nachdem der „Jumbo-Trilog“ die entscheidende Woche der GAP-Verhandlungen eingeläutet haben wird.
Umfassende Neuausrichtung oder Reförmchen?
Schon vor Ende der Verhandlungen positionieren sich die Trilog-Teilnehmer bei der Frage nach der Bedeutung der GAP-Reform. Für den Vorsitzenden des Agrarausschusses im Europaparlament, Norbert Lins, ist die kommende GAP-Reform die „umfassendste Agrarreform seit der MacSharry-Reform 1992“. Damals ersetzte die EU das europäische Stützpreis-System durch flächengebundene Direktzahlungen. Ganz anders sieht das der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling. Von den bisherigen Verhandlungsergebnissen ist er enttäuscht. Er fragt sich: „Wird die Reform am Ende zum Reförmchen, wo nur die Überschriften neu sind?“
Verhandlungserfolg erwartet
Einig sind sich Brüsseler Kreise jedoch darin, dass ein Verhandlungserfolg zu erwarten ist. Gegenüber Pressevertretern äußerte sich der GAP-Chefverhandler des Europaparlamentes, Dr. Peter Jahr, verhalten optimistisch: „Wir kennen die die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Rat und Parlament. Jetzt sind die Chancen da, die Verhandlungen abzuschließen.“
Im GAP-Finale gibt es noch einige Knackpunkte:
- Umverteilung zu Gunsten der ersten Hektare: Das Parlament fordert mindestens 12% Umverteilung. Die Präsidentschaft schlägt 7,5% als Kompromiss vor.
- Eco-Schemes: Das Parlament will die Öko-Regelungen ab 2023 ambitioniert und verpflichtend in der GAP verankern. Es fordert 30 % der Mittel aus der 1. Säule ab 2023 für die Öko-Regelungen. Die EU-Mitgliedstaaten schlagen nun 25% mit zweijähriger Lernphase als Kompromiss vor.
- Aktiver Landwirt: Für das Parlament sind nur „aktive Landwirte“ förderfähig. Über die konkrete Definition sind sich Rat und Parlament noch uneins.
- Soziale Dimension: Wie stark soll die GAP-Förderung von der Einhaltung von Arbeitnehmerrechten abhängen?
- Materieller und finanzieller Umfang der gekoppelten Zahlungen
- Interventionsinstrumente bei schweren Marktkrisen (z.B. auf dem Milchmarkt): Das Parlament fordert hier mehr Möglichkeiten für die EU-Kommission. Die Mitgliedstaaten lehnen das bislang ab.
DBV warnt vor Bürokratiemonster
Vor allem neue Sozialstandards und die Definition des aktiven Landwirts bereiten dem Deutschen Bauernverband (DBV) Bauchschmerzen. „Uns Landwirten droht hier ein bürokratisches Monster, ohne erkennbar positive Wirkung für die in der Landwirtschaft tätigen Personen“, fürchtet DBV-Präsident Joachim Rukwied. Im Hinblick auf die Eco-Schemes machte Rukwied im Rahmen einer Veranstaltung des italienischen Bauernverband Confagricultura kürzlich deutlich, dass es nicht primär auf deren Höhe ankomme. Vielmehr sollten sie praxistauglich ausgestaltet sein und finanzielle Anreize für die Landwirte bieten.
Umweltverbände: GAP wird zum „Greenwashing“
In einer gemeinsamen Stellungnahme mit europäischen Umweltverbänden beklagt der NABU-Dachverband BirdLife ein „Greenwashing“ der GAP, also nur vermeintliche Umweltverbesserungen ohne tatsächliche Wirkung. Von den freiwilligen Öko-Regelungen versprechen sich die Umweltverbände kaum Verbesserungen für Klima und Umwelt. Anders sehen das über 300 Wissenschaftler, die sich für eine kluge Ausgestaltung der in der GAP verankerten Instrumente stark machen.