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Landwirtschaft im Dialog

Isermeyer: Längerfristiger Bestandsschutz nötig

Wie sieht die Landwirtschaft von morgen aus? Darüber diskutiert top agrar am 29. September bei „Landwirtschaft im Dialog“ in Berlin. Wir haben Podiumsteilnehmer Prof. Isermeyer vorab befragt.

Lesezeit: 5 Minuten

Wie schaffen wir im aktuellen Spannungsfeld den Ausgleich zwischen den Wünschen der Bürger und den Interessen der Landwirte? Welche Landwirtschaft wollen wir in Deutschland? Welche Rahmenbedingungen muss die Politik dafür setzen? Darüber wollen wir am 29. September 2020 mit Politikern, Wissenschaftlern, Wirtschaftsvertretern und dem landwirtschaftlichen Berufsstand in Berlin bei "Landwirtschaft im Dialog" diskutieren. Wir sprachen vorab mit Prof. Dr. Folkhard Isermeyer, Präsident des Thünen-Instituts Braunschweig.

Welche Anforderungen stellt die Wissenschaft an die Landwirtschaft der Zukunft?

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Isermeyer: Die Wissenschaft hat nicht die Aufgabe und meines Erachtens auch nicht das Recht, Forderungen an die Landwirtschaft zu stellen. Unsere Aufgabe ist es, die komplexe Welt zu analysieren, mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen, Problemlösungen zu entwickeln und die Folgen verschiedener Lösungsoptionen abzuschätzen.

Sie fordern einen Gesellschaftsvertrag mit konkreten Zielbildern. Schaffen wir so Verlässlichkeit in politische Entscheidungen, die übliche Investitionszeiträume abdecken?

Isermeyer: Noch einmal: Ich fordere nicht, sondern ich empfehle. Die Politik hat schon oft bewiesen, dass sie verlässliche Rahmenbedingungen schaffen kann. Nehmen Sie zum Beispiel die Agrarsozialpolitik, die Direktzahlungen, die Biogasförderung oder den Vertragsnaturschutz. Selbstverständlich sind auch diese Maßnahmen nicht bis in alle Ewigkeit festgeschrieben. Wichtig ist aber: Landwirte, die im Vertrauen auf politische Zusagen eine kostspielige Investitionen getätigt haben, müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Investition einen längerfristigen Bestandsschutz hat.

Haben Sie ein Beispiel für ein mögliches Zielbild?

Isermeyer: Zielbilder entstehen gegenwärtig in der Nutztierstrategie. Sie bestehen aus zwei Komponenten. Zum einen benötigen wir einen Kriterienkatalog mit messbaren Indikatoren, die ein landwirtschaftlicher Betrieb erfüllen muss, wenn er z. B. eine Tierwohlprämie erhalten möchte. Ein Zahlenkatalog ist aber noch kein Zielbild. Es müssen konkrete Haltungssysteme entwickelt werden, die (a) die Kriterien erfüllen, (b) unter Praxisbedingungen funktionieren und (c) der interessierten Bevölkerung – auch bildhaft –vorgeführt werden können. Für die Schweinehaltung könnte zum Beispiel der Maststall, den Katja Bodenkamp und Jens van Bebber in Samern entwickelt haben, ein solches Zielbild sein.

Wie geht es nach der Zieldefinition weiter? Wie setzt man Zielbilder in konkrete Politik um?

Isermeyer: Hier ist zunächst vorauszuschicken, dass es illusorisch wäre, die Zielbilder in der Tierhaltung auf dem heutigen Niveau einfrieren zu wollen. Wir lernen ständig dazu, und deshalb müssen auch die Zielbilder dynamisch weiterentwickelt werden. Um auf dem heutigen Kenntnisstand zu überzeugenden Zielbildern zu kommen, habe ich ein 100 Ställe-Programm vorgeschlagen. Ziel wäre es, für die Stufen 2 und 3 des nationalen Tierwohlniveaus verschiedene Ausgestaltungsoptionen zu entwickeln und unter Praxisbedingungen zu erproben. Je nachdem, wie diese Experimente ausgehen, werden sich dann auch die Kriterienkataloge weiterentwickeln.

Die Landwirte brauchen mit ihren Investitionen aber nicht jahrelang zu warten, bis belastbare Ergebnisse aus solchen Programmen vorliegen. Sie sollten nach dem jetzt gültigen Kriterienkatalog loslegen können und dafür dann auch Bestandsschutz erhalten. Damit das möglich ist, müssten Bund und Länder (a) das Bau- und Umweltrecht anpassen, (b) die Tierwohlprämie einführen und (c) sich auf ein Auditierungssystem verständigen.

Kann man diese Art der Zielbildentwicklung auch auf den Pflanzenbau übertragen?

Isermeyer:Nein. Wenn wir auch die Agrarlandschaften und den Pflanzenbaues wirklich gestalten wollen, müssten wir ganz anders vorgehen. Bezüglich der Agrarlandschaften lautet mein Kerngedanke: Jede Gemeinde hat nur eine einzige Agrarlandschaft, und an diese werden vielfältige Anforderungen gestellt: Agrarproduktion, Naturschutz, Erosionsschutz, Landschaftsbild, Fahrradwege, Wassermanagement, Energieerzeugung und vieles mehr. Wir haben nicht genug Fläche, um das alles nebeneinander her zu planen.

Also brauchen wir eine integrierte Entwicklungsplanung, bei der für jede Gemarkung ein einziges, stimmiges Zielbild entsteht" - Prof. Isermeyer

Dieses Zielbild kann sinnvoll nur vor Ort entwickelt werden. Um das dann konkret umzusetzen, würde man vielerorts wahrscheinlich ein modernes Flurneuordnungsverfahren benötigen. Ich weiß, dass solche Verfahren einen sehr langen Atem benötigen, aber für blühende Landschaften sollte es uns das eigentlich wert sein.

Für den Pflanzenbau ist wiederum ein ganz anderer Kerngedanke maßgeblich: Hier ist es wichtig, dass Landwirte auf ihren Flächen schnell und flexibel auf Wetter, Märkte, Schädlingsdruck und andere Entwicklungen reagieren können. Dabei müssen sie ihre Standortbedingungen berücksichtigen, und niemand kennt diese Bedingungen besser als sie selbst. Deshalb ist es beim Pflanzenbau meines Erachtens nicht erfolgversprechend, flächendeckend einheitliche Zielbilder definieren und umsetzen zu wollen. Dennoch kann die Gesellschaft auch hier gestaltend eingreifen: Wenn sie zum Beispiel möchte, dass insgesamt weniger Dünge- und Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, dann ist das dazu passende Politikinstrument eine EU-weite Verteuerung dieser Produktionsmittel. Die Landwirte würden die veränderten Preise bei ihren Planungen berücksichtigen, dass heißt weniger düngen und spritzen, sie blieben aber prinzipiell frei in ihren Entscheidungen.

Wie soll der Spagat zwischen Weltmarkt und Heimatmarkt gelöst werden? Wie viel Staat ist nötig und wieviel Markt ist möglich?

Isermeyer: Die EU deutet in ihrem Green Deal an, dass sie Produkte, bei deren Herstellung die hohen EU-Standards nicht eingehalten wurden, immer stärker vom EU-Markt fernhalten möchte. Das wäre eine Abkehr vom bisherigen handelspolitischen Kurs, der auf Freihandel ausgerichtet ist. Meines Erachtens gibt es gute Gründe, den internationalen Handel tatsächlich ein wenig einzubremsen, d. h. der Inlandsproduktion einen gewissen Preisvorteil gegenüber importierten Produkten zu verschaffen. Die nationale Umwelt- oder Tierschutzpolitik könnte dann erhöhte Standards festsetzen, ohne dass immer gleich eine Verlagerung der Produktion in Drittstaaten zu befürchten ist.

Liveübertragung ab 19 Uhr: Die Veranstaltung ist bereits ausgebucht. Die Diskussion wird aber auch ab 19 Uhr live über den top agrar-YouTube-­Kanal www.youtube.com/topagrar übertragen.

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