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Journalist Dirk Fisser: "Zu Schwert und Pflug kommt Alu-Hut"

Die Demonstrationen von Landwirten in Berlin und Hannover zeigen, wie gespalten der Berufsstand ist. Ein Blick von Außen...

Lesezeit: 4 Minuten

Ein Gastkommentar von Dirk Fisser. Er ist Redakteur bei der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Zu seinen Schwerpunktthemen zählen Landwirtschaft und Agrarpolitik. Der Kommentar ist zuerst erschienen im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.

Vor etwa einem Jahr bekam mein Verlag Post von einer Person, die offensichtlich unzufrieden war mit meiner Berichterstattung über die Landwirtschaft. Der Brief richtete sich nicht direkt an mich, aber es ging um mich: Die Geschäftsführer wurden aufgefordert, mich aus dem Verkehr zu ziehen. Ansonsten übernehme man das selbst. Eine Unterschrift fehlte, dafür klebte eine Patrone auf dem Blatt Papier. Sorgsam aufgeklebt mit Tesa-Film.

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Zwei Tage später sollte ich einen Vortrag vor Landfrauen halten. Ich wollte auch darüber sprechen, dass sich nach meiner Wahrnehmung ein Teil der Branche zunehmend radikalisiert. Als ich die Powerpoint-Folien dafür zusammengebaut hatte, wusste ich von dem Brief noch nichts.

Wo führt die Unzufriedenheit hin?

Warum ich Ihnen das hier erzähle? Bedroht und beleidigt werden Journalisten zunehmend. Ich frage mich aber seit diesem Brief: Wo soll die Unzufriedenheit auf den Bauernhöfen hinführen? Und konkreter in den vergangenen Tagen mit Blick auf die Bauernproteste: Kann das überhaupt ein gutes Ende nehmen?

Da fahren Landwirte aus der ganzen Republik nach Berlin, an ihren Treckern, auf ihren Masken und Mützen das Emblem einer Bewegung, die vor fast hundert Jahren ins Radikale abdriftete, die Historiker als antidemokratisch und antisemitisch einordnen. Deren Anhänger teils Bomben bauten statt zu diskutieren. Und unter dieser Fahne wird nun gefordert, dass sich Politiker den Wutbauern von heute stellen sollen. Diese Symbolik ist keine Diskussionsgrundlage, sondern eine Kampfansage.

Die Kritik an der Landvolk-Flagge war und ist groß, auch und gerade in der Land­wirtschaft. Kritik führt aber nicht etwa zu Reflexion, sondern wird in den sozialen Netzwerken – Treffpunkt und Rückzugsort der Frustrierten – umgemünzt in eine Bestätigung des eigenen Weltbildes: „Wir“ gegen die.

Dieses Weltbild sieht in etwa so aus: Politiker, Nichtregierungsorganisationen, Journalisten, mittlerweile auch der Bauernverband und die Wissenschaft arbeiten angeblich an der Abschaffung der deutschen Landwirtschaft.

Das ist unsinnig. Aber in den Videobeiträgen taucht genau diese Erzählung in unterschiedlichen Varianten und Akzentuierungen immer wieder auf. Das ist Verschwörungsglaube. Und genau deswegen ist es kein Zufall, dass sich Verschwörungstheoretiker aus anderen Bereichen an den Protest heranwanzen. Zu Pflug und Schwert gesellt sich der Alu-Hut, das Symbol der Verschwörungstheoretiker. Wo soll das hinführen?

Zurück zur Realität: Die Demos der vergangenen Tage in Berlin und Hannover haben vor allem gezeigt, wie gespalten der Berufsstand eigentlich ist. In den Postfächern von Journalisten und Politikern landen Mitteilungen dieser Absender:

  • Deutscher Bauernverband,
  • Land schafft Verbindung (LsV),
  • LsV Original,
  • Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL),
  • Freie Bauern,
  • Bauern-Basis-Bewegung,
  • Landvolk-Bewegung

und so weiter. Diese Mitteilungen haben in aller Regel eines gemeinsam: Die Autoren nehmen in Anspruch, für alle Landwirte zu sprechen.

Doch genau das stimmt nicht. Nicht einmal mehr beim Bauernverband, dessen Vertreter wenigstens halbwegs demokratisch legitimiert sind. Der an sich schon kleine Berufsstand hat sich in viele noch kleinere Gruppierungen gespalten: Ich-AG statt Interessenvertretung. Und das in einem Superwahljahr.

Der Wahlkampf hat begonnen. Landwirtschaft wird eines der großen Themenfelder neben Klima und Corona. Deswegen wird es agrarpolitisch wohl kaum noch vorangehen. Auch nicht bei so drängenden Themen wie der Tierhaltung. Die Zukunft der Landwirte wird in die nächste Wahlperiode verschleppt werden.

Politik ist nicht mehr Taktgeber, sondern der Handel

Wandel vollzieht sich trotzdem, denn Taktgeber der Veränderung ist schon lange nicht mehr die Politik, sondern der Handel, der vorschreibt, was wie produziert wird.

Wer einen Supermarkt betritt, dem muss auffallen: Ersatzprodukte wie Mandelmilch oder fleischfreie Wurst und einstige Nischen-Sortimente wie Bioprodukte nehmen immer mehr Regalmeter in Anspruch, während die Preise für klassische landwirtschaftliche Produkte immer niedriger werden – und das alles nicht nur in den urbanen Zentren, sondern auch in der Provinz.

Die Zukunft der Landwirtschaft hat längst begonnen. Werden und wollen die Landwirte sie noch mitgestalten.

Hinweis: Gastkommentare geben nicht in allen Bereichen die Meinung der Redaktion wieder. Wir veröffentlichen sie dann, wenn wir sie für einen interessanten Diskussionsbeitrag zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft halten. Wie stehen Sie dazu? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar unten.

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