Im Weißbuch der EU-Kommission mit den fünf Szenarien zur Zukunft der Europäischen Union kommt die Agrarpolitik nicht vor. Einen direkten Bezug zu Landwirten gibt es nur an zwei wenig auffälligen Stellen. Die großen politischen Linien der EU ab 2025 liegen woanders.

Die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) findet im Mittwoch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorgestellten Weißbuch zur Zukunft Europas keine Beachtung. So erwähnt das 29-seitige Dokument die Agrarpolitik mit keinem Wort. Auch die Worte Landwirtschaft, Agrarwirtschaft oder die Vorsilbe agrar- gibt es in dem Dokument nicht. Dabei fließen derzeit rund 40 Prozent des EU-Haushaltes in die Unterstützung der Europäischen Landwirtschaft und des ländlichen Raumes.

Einziger Bezug ist der Zugang zu Wetter- und Anbaumanagementdaten

Lediglich an zwei kleinen Stellen findet sich im Weißbuch ein direkter Bezug zur Landwirtschaft. „Den Menschen ist nicht immer bewusst, dass der Bauernhof in der Nachbarschaft, ihr Verkehrsnetz oder ihre Hochschulen teilweise von der EU finanziert werden“, schreibt die EU-Kommission in ihrem einleitenden Textabschnitt. In einem der fünf möglichen Szenarien zur Zukunft Europas findet sich immerhin eine Auswirkung auf Landwirte. „Landwirte haben dank eines uneingeschränkt funktionierenden europäischen Satellitensystems Zugang in Echtzeit zu erschwinglichen Wetter- und Anbaumanagementdaten“, heißt es in Szenario 4 „Weniger, aber effizienter“.

Auswirkungen auf Agrarpolitik über andere Bereiche ableiten

Die Auswirkungen auf die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) von den im Weißbuch genannten fünf Zukunftsszenarien lassen sich an anderen Stellen erahnen. So geht der Text viel auf den Stellenwert von Freihandelsabkommen ein, die dann Auswirkungen auf die Agrarproduktion in Europa und den Agrarhandel hätten. Gleiches gilt für die im Weißbuch gemachten Aussagen und Bewertungen für den gemeinsamen Binnenmarkt. An wenigen Stellen benennt das Dokument gemeinsame Umweltstandards. Diese beeinflussen die Agrarproduktion, dort hinein könnten die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und gentechnisch veränderten Organismen (GVO) fallen und auch die Umweltanforderungen aus Cross Compliance und dem Greening.

Klimaschutz wird große Bedeutung beigemessen

Erwähnung finden in dem Weißbuch vor allem die Politikbereiche Sicherheit und Migration, Außenpolitik und Verteidigung, Binnenmarkt und Handelsbeziehungen, Wirtschafts- und Währungsunion sowie EU-Haushalt. Doch selbst zu den Ausführungen unter diesen Überschriften finden Agrarbelange und ländliche Entwicklung so gut wie keine Erwähnung. Dies ist zum Beispiel anders bei den Bereichen Sozialpolitik, Energiepolitik, Verkehrspolitik oder Forschungspolitik. Präsent ist in dem Dokument auch der Klimaschutz, ausgehend vom Abkommen des Pariser Klimagipfels. „Wir werden uns außerdem weiterhin einem wachsenden Klima- und Umweltdruck anpassen müssen“, heißt es im Grundtext zu den „Faktoren, die Europas Zukunft prägen“.

Fünf Szenarien von Weiter so über radikale Reduktion der EU bis zu Vereinigten Staaten von Europa

Die EU-Kommission stellte am Mittwoch insgesamt fünf Szenarien für die Zukunft Europas vor. Diese reichen von einem „Weiter wie bisher“ über die radikale Rückbesinnung auf lediglich den freien Warenverkehr hin zu einem Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. Die beiden weiteren Szenarien skizzieren eine EU, die sich auf einige Kernbereiche konzentriert, während andere zurück an die Mitgliedstaaten gehen. Zudem ist ein Modell der Vereinigten Staaten von Europa erläutert, in dem die einzelnen Staaten sich entschließen würden, mehr Entscheidungen als bisher gemeinsam zu treffen. Im Detail lauten die fünf Versionen:

• Szenario 1: Weiter wie bisher
• Szenario 2: Schwerpunkt Binnenmarkt
• Szenario 3: Wer mehr will, tut mehr
• Szenario 4: Weniger, aber effizienter
• Szenario 5: Viel mehr gemeinsames Handeln

Juncker lässt Bevorzugung auf Konzentration weniger Politikbereiche durchblicken

EU-Komissionspräsident Juncker ließ die Bewertung der fünf Szenarien bei der Präsentation des Weißbuches vor den Europaabgeordneten in Brüssel explizit offen. Das solle die nun die folgende Diskussion ergeben. Dennoch zeigte er ein Unbehagen gegenüber dem Szenario 2, der radikalen Rückbesinnung auf den gemeinsamen Binnenmarkt. Und er ließ durchblicken, dass ihm das Szenario 4, die Konzentration auf weniger Politikbereiche, vermutlich am liebsten wäre.

Das Weißbuch zum Download auf Deutsch finden Sie hier.