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Wolf Maisernte Gülle und Wirtschaftsdünger

Landwirtschaft im Dialog

„Kein direkter Zusammenhang zwischen Tierhaltung und Hunger“

Getreide steht weltweit genügend zur Verfügung. Das trotzdem Menschen hungern, hat nach Ansicht von Prof. Dr. Martin Banse vom Thünen-Institut viele verschiedene Gründe.

Lesezeit: 6 Minuten

Weniger Tiere, weniger Flächenverbrauch = weniger Hunger: Stimmt die Gleichung? Am 22. September diskutiert top agrar im Rahmen von „Landwirtschaft im Dialog“ in Berlin über „Tank, Trog oder Teller“. Die Veranstaltung findet im Umweltforum in Berlin statt und ist kostenlos. Die Anmeldung und weitere Infos finden Sie auf www.seminare.lv.de. Die Diskussion wird zudem ab 19:00 Uhr live über den top agrar-YouTube-­Kanal www.youtube.com/topagrar übertragen.Wir sprachen vorab mit dem Podiumsteilnehmer Prof. Dr. Martin Banse vom Thünen-Institut.

Herr Prof. Banse, müssen wir in Deutschland unsere Tierhaltung reduzieren, um den Hunger in der Welt zu lindern?

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Banse: Es gibt aktuell keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Getreideverbrauch in der Tierhaltung und dem Hunger in der Welt. Rein physisch steht genügend Getreide für alle Seiten zur Verfügung. Wir haben hingegen ein weltweites Verteilungs- und einen Einkommensproblem, denn nicht jeder kann sich die aktuell hohen Getreidepreise leisten.

Allerdings gibt es verschiedene andere Gründe, warum wir trotzdem über die Verkleinerung der Tierbestände nachdenken sollten. Zum einen landen 25 Mio. t heimisches Getreide im Trog. Um langfristig – unter fortschreitendem Klimawandel – unsere eigene Versorgung sicher zu stellen, sollten wir jedoch weniger Getreide verfüttern. Zum anderen sind sich Ernährungswissenschaftler/innen weitestgehend darin einig, dass unser Fleischkonsum aus gesundheitlichen Gründen zu hoch ist.

Wir haben eine steigende Lebenserwartung und der Fleischkonsum sinkt. Sind wir ohnehin auf diesem Weg?

Banse: Unser Konsum von Eiern und Milchprodukten ist aus Sicht der Ernährungswissenschaft unproblematisch. Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung essen wir aber doppelt so viel Fleisch wie uns eigentlich gut tun würde. Wir müssten demnach jedes zweite Kilo Fleisch aus unserem Ernährungsplan streichen. Es gibt im Übrigen auch Studien, die eine Reduktion um zwei Drittel nahelegen.

Welchen Beitrag kann Deutschland überhaupt leisten? Wäre unser Beitrag nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Wir können helfen. Unser Einfluss ist aber begrenzt. Was aus meiner Sicht gut läuft: Deutschland unterstützt mit großen Beträgen das World-Food-Programm. Unseren finanziellen Beitrag leisten wir somit.

Mit Blick auf unseren Konsum können wir hingegen an der ein oder anderen Stelle sicherlich noch nachjustieren. Allerdings müssen wir zwischen kurz- und langfristigen Maßnahmen unterscheiden. Kurzfristig könnten wir bei einer Angebotsknappheit unsere Produktion von Biokraftsoffen herunterfahren und so Flächen für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung stellen. Es geht nicht darum, die Biospritproduktion komplett einzustellen. Was wir aber benötigen, sind flexible Beimischungsquoten. Derzeit gibt es leider starre Vorgaben. Langfristige Erfolge erzielen wir, wenn wir beispielsweise mehr Reststoffe in Biogasanlagen einsetzen anstatt Mais. Und die Diskussion um die Flächenstilllegung ist ebenfalls legitim.

Lassen sich theoretisch alle Futteranbauflächen auch für die Nahrungsmittelproduktion nutzen?

Banse: Nein, natürlich nicht. Und hier macht es sich der ein oder andere in der aktuellen Debatte zu einfach. Nicht auf jedem Standort bzw. Stilllegungsfläche lässt sich Brotweizen erzeugen. Hinzu kommen die vielen Restriktionen für den Anbau. Wenn unsere Landwirte weniger Pflanzenschutzmittel und Dünger ausbringen dürfen, wird die Produktion von Brotweizen mit mindestens 12 % Rohprotein ohnehin nicht mehr überall gelingen.

Welche Kulturen könnten wir auf den freiwerdenden Flächen anbauen?

Wenn wir unseren Konsum von tierischem Eiweiß reduzieren, müssen wir unseren Bedarf mit pflanzlichem Alternativen abdecken. Wir bräuchten somit mehr Fläche für Leguminosen. Hier ist auch die Wissenschaft gefragt, entsprechende Sorten zu entwickeln, die mit dem sich verändernden Klima zurechtkommen. Letztendlich wird der einzelne Landwirt bzw. die einzelne Landwirtin seine Produktionsentscheidung entsprechend der politischen Vorgaben und der Marktentwicklungen treffen.

Angenommen diese Flächen fallen aus der Produktion. Was machen wir dann mit den reinen Grünlandflächen?

Banse: Wir benötigen weiter die Rinder- bzw. Milchviehhaltung, um diese Flächen auch weiter nutzen zu können. Ich warne in diesem Zusammenhang auch vor schnellen politischen Entscheidungen. Im Schnitt erwirtschaften deutsche Landwirte 2/3 ihres Einkommens mit der Tierhaltung. Wir können nicht einfach von heute auf morgen diesen Betrieben ihre Existenzgrundlage nehmen.

Wenn wir die Tierbestände abbauen, besteht dann nicht die Gefahr, dass die Fleischimporte steigen?

Sollten wir es nicht schaffen, unseren Fleischkonsum zu reduzieren, dann werden Importe die Lücke schließen.

Sie sprechen immer wieder das Ernährungsverhalten an. Glauben Sie das ein Großteil der Verbraucher freiwillig seinen Fleischkonsum reduziert?

Banse: Kurzfristig werden wir keine 180-Grad-Wende erwarten können. Zwar landen immer häufiger vegane und vegetarische Gerichte auf unseren Tellern. Allerdings findet erst langsam ein Umdenken statt. Die Regierung könnte jedoch den Mehrwertsteuersatz auf Fleisch von aktuell 7 auf 19 % anheben. Das dürfte im gewissen Umfang konsumsenkend auswirken.

Was halten Sie von Vorschlägen wie einem Veggieday?

Banse: Solche Knallhartvorschriften sorgen nur für Unmut. Um diese Ziele zu erreichen, müssen wir längerfristig denken und vor allem das Bewusstsein bei den Verbrauchern dafür schaffen, dass unser hoher Fleischkonsum uns schadet. Und das geht nur über Aufklärung und Bildung.

Gleiches gilt auch für die Lebensmittelverschwendung. Wir können sicherlich mit schärferen Gesetzen in der Lebensmittelverarbeitung oder dem Einzelhandel die Verluste eingrenzen. Das Hauptanteil der Lebensmittelverschwendung liegt aber bei uns Konsumierenden, die im Schnitt eine komplette Mahlzeit pro Woche in den Müll werfen. Mit einer „Grüne-Tonne-Polizei“ bekommen wir das Problem kaum in den Griff. Wenn wir uns hingegen den Wert von Lebensmitteln bewusst machen, werden wir auch verantwortungsvoller mit unseren Nahrungsmitteln umgehen.

Wäre es nicht sinnvoller, die Produktion auszudehnen und mit modernen Methoden unsere Erträge zu steigern?

Banse: Auch das kann ein Ansatz sein. Allerdings müssen wir sehr genau hinterfragen: Zu welchem Preis und unter welchen Bedingungen geht eine Produktionsausdehnung?

Was würde den Hunger effektiv bekämpfen?

Banse: Neben vielen Faktoren, wie Transportmöglichkeiten, kulturellen Gegebenheiten, Regierungsführung, Klimabedingungen und Bodenverfügbarkeit spielt Bildung eine wesentliche Rolle. Aber leider lassen sich Bildungsprogramme politisch schlecht vermarkten. Der Transfer von High-Tech alleine reicht nicht aus. Die Programme für eine nachhaltige Steigerung der Lebensmittelerzeugung in ärmeren Ländern muss an besserer Bildung vor Ort ansetzen. Einschränkend ist hinzuzufügen, dass es nicht eine einzige Maßnahme gibt, die den Hunger effektiv bekämpft. Abhängig von den jeweiligen Ländern und Gegebenheiten muss immer ein Maßnahmenbündel angewendet werden, um den Hunger zu reduzieren.

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