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Heinen-Esser: „Keine Seite wird sich eins zu eins durchsetzen können“

NRW-Agrarministerin Ursula Heinen-Esser agiert als Vermittlerin in einer polarisierten Agrarpolitik. Im Interview spricht sie über Insektenschutz, Agrarreform und fordert Tempo beim Borchert-Plan.

Lesezeit: 10 Minuten

top agrar: Frau Heinen-Esser, wie zufrieden sind Sie mit dem Insektenschutz-Paket, auf das sich BMEL und BMU letzte Woche geeinigt haben?

Heinen-Esser: Ich bin mir noch nicht sicher, ob es tatsächlich eine Einigung ist, oder jetzt im parlamentarischen Verfahren das harte Ringen kommt. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat dem Gesetz nur mit einer Protokollerklärung zugestimmt, die noch wesentliche Punkte zur Änderung enthält. Nämlich, dass auch Fördertatbestände möglich sein müssen. Die Pflanzenschutzanwendungsverordnung, die ordnungsrechtlich für Landwirte entscheidend ist, liegt demnächst bei uns im Bundesrat zur weiteren Beratung.

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Bleiben Sie auch nach den letzten Änderungen dabei, dass Sie der Pflanzenschutzanwendungsverordnung im Bundesrat so nicht zustimmen wollen?

Heinen-Esser: Wir müssen uns das Gesamtpaket anschauen. Positiv ist, dass der Bund den Ländern mehr Spielräume gibt. Was die Anwendung von insektenfeindlichen Pflanzenschutzmitteln in Naturschutzgebieten angeht, sind ordnungsrechtliche Verbotstatbestände enthalten. Das beeinträchtigt aber die Förderung. Bisher haben wir großen Erfolg in NRW mit kooperativem Naturschutz. In enger Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft setzen wir auf den weiteren Ausbau der erfolgreich etablierten Agrarumwelt- und Vertragsnaturschutzmaßnahmen. Es geht nicht um ein Entweder-Oder, sondern um ein gut austariertes Zusammenspiel von Ordnungsrecht und freiwilligen Maßnahmen, bundesweit geltenden Standards und Spielräumen für landesrechtliche Besonderheiten. Eine extrem kleinteilige und damit bürokratische Förderung wollen wir verhindern.

Wir müssen unsere Förderungen auch unter den neuen Gegebenheiten weiterführen und ausbauen können.

Das Ackerland in FFH-Gebieten ist bis 2024 von den Pflanzenschutzverboten ausgeschlossen unter der Bedingung, dass die Länder dort geförderte Naturschutzmaßnahmen anbieten. Werden Sie dafür neue Programme anbieten?

Heinen-Esser: In NRW liegen die FFH-Gebiete faktisch auf den Naturschutzgebieten. Deshalb werden wir genau hinschauen, ob wir unsere Förderungen dort auch unter den neuen Gegebenheiten weiterführen und ausbauen können. Wenn das nicht ginge, ist das für mich ein Grund, der Verordnung im Bundesrat nicht zuzustimmen.

Wie werden Sie mit den jetzt vorgeschriebenen Gewässerrandstreifen in NRW umgehen?

Heinen-Esser: Das Landeswassergesetz ist zurzeit in der parlamentarischen Beratung. Darin haben wir die Gewässerrandstreifen explizit mit Verweis auf die Bundesregelungen herausgenommen. Mit dem Ziel, Doppelregelungen zu vermeiden. Bereits jetzt sind Einschränkungen für den Ackerbau und die Düngung sowie für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Düngerecht und im Wasserhaushaltsgesetz verankert. Nun enthält der Entwurf der Pflanzenschutzanwendungsverordnung weitere Regelungen. Wir müssen jetzt schauen, was wir daraus – im Zusammenhang mit dem Landeswassergesetz – machen.

Es wird von der Gesprächs- und Kompromissbereitschaft aller Beteiligten abhängen, ob wir einen nordrhein-westfälischen Weg gehen können.

Niedersachsen hat seinen Niedersächsischen Weg, Bayern und Baden-Württemberg haben nach den Volksbegehren umfangreiche Regeln verabschiedet. Wird es jetzt auch einen NRW-Weg beim Artenschutz geben?

Heinen-Esser: Dies hängt entscheidend auch davon ab, wie die Naturschutzverbände sich positionieren. Ich stehe stets für einen Austausch bereit und werde die Verbände zeitnah zu einem Gespräch über gemeinsame Wege zum Schutz der Biodiversität einladen. Weniger Schottergärten, mehr Grüne Infrastruktur, weniger Pflanzenschutzmittel, weniger Lichtverschmutzung sind nur einige Beispiele. Es wird schon viel gemacht. Es wird von der Gesprächs- und Kompromissbereitschaft aller Beteiligten abhängen, ob wir einen nordrhein-westfälischen Weg gehen können.

Die Sonder-Agrarministerkonferenz ist Anfang Februar ohne handfeste Ergebnisse, dafür aber mit Unstimmigkeiten geendet. Welche Fronten sind verhärtet?

Heinen-Esser: Eine solche Sonder-Agrarministerkonferenz habe ich noch nicht erlebt. Ich ärgere mich darüber, dass die grüne Seite weder den SPD-Ländern noch den Unions-Ländern an irgendeiner Stelle entgegenkommen wollte. Wir müssen einen Kompromiss erzielen und es wird sich keine Seite eins zu eins durchsetzen können. Das muss allen klar sein. Allen ist bewusst, dass die Agrarpolitik grüner werden muss. Aber den Preis dafür, darüber müssen wir schon noch einmal verhandeln. Es geht hier um das Einkommen einer großen und für die Gesellschaft wichtigen Berufsgruppe, um einen massiven Eingriff in Eigentumsverhältnisse und um die Zukunftssicherung.

Ich halte von Verzögerung gar nichts, weil unser Spielraum immer kleiner wird.

Ist der Handlungsdruck bei der GAP noch nicht groß genug?

Heinen-Esser: Wenn wir den Streit unter den Ländern nicht auflösen, verspielen wir unsere Chance zur Mitsprache. Julia Klöckner und Svenja Schulze werden sich dann auf die Umschichtung der Mittel von der ersten in die zweite Säule für das Übergangsjahr 2022 einigen – ohne uns. Die Bundeslandwirtschaftsministerin hat das Interesse, bis zum Sommer eine Kabinettsvorlage zu erstellen. Offenbar hat die grüne Seite ein hohes Interesse daran, Entscheidungen über die Bundestagswahl zu verschleppen mit der Hoffnung auf andere Mehrheitsverhältnisse. Das sind zwei Haltungen, die nicht übereinander passen. Ich halte von Verzögerung gar nichts, weil unser Spielraum immer kleiner wird.

Wollen Sie bei 6% Umschichtung zwischen den Säulen bleiben?

Heinen-Esser: 2020 ist die Umschichtung auf 6 Prozent gestiegen. Ich könnte mir eine Aufstockung vorstellen. Andere Länder haben bisher jedoch klargemacht, dass sie auf keinen Fall mehr als 6 Prozent zugestehen wollen. Die Konsequenz wäre, dass es dann am Ende der Bund allein entscheidet.

Sie hatten im Vorfeld als Umwelt- und Agrarministerin die Forderungen der Umweltminister, mit in die GAP-Entscheidungen einbezogen zu werden, unterstützt. Werden Sie deren Anliegen jetzt in der Agrarministerkonferenz platzieren?

Heinen-Esser: Eine gemeinsame Diskussionsrunde hätte ich durchaus begrüßt, eine gemeinsame formale Ministerkonferenz ist dafür jedoch nicht erforderlich. Ich bin Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt in NRW. Mir ist an einem Ausgleich der Interessen sehr gelegen. Landwirtschaft und Umwelt bedingen einander. Am Ende benötigen wir im Bund und in den Ländern Mehrheiten in unterschiedlichen Koalitionen.

Wie können tragfähige Kompromisse zwischen den Bundesländern für die Öko-Reglungen (Eco-Schemes) aussehen?

Heinen-Esser: Wir wollen bei den Ökoregelungen eine geringe Anzahl von Maßnahmen haben, um es relativ einfach zu machen. Ich sehe da, wenn es nicht zu sehr in den Wahlkampf abdriftet, auch noch verschiedene Kompromissmöglichkeiten für eine Einigung unter den Ländern.

Was halten Sie von dem Konzept der Gemeinwohlprämie für die Eco-Schemes?

Heinen-Esser: Wir haben uns die Studie des Thünen Instituts angeschaut. Die Gemeinwohlprämie ist ein interessanter Ansatz. Für die jetzige Reform kommt er jedoch zu spät. Wir müssen jetzt klassisch bei der Aufteilung von erster und zweiter Säule bleiben und über die zweite Säule die meisten Agrarumweltmaßnahmen finanzieren.

3 Prozent aktiv aus der Bewirtschaftung zu nehmen - Das muss man sich auch mal vorstellen.

An welche Bedingungen wollen Sie die Basisprämie knüpfen?

Heinen-Esser:Wir haben uns für drei Prozent Brache bzw. nichtproduktive Flächen ausgesprochen. Außerdem soll den landwirtschaftlichen Betrieben über die Öko-Regelungen ein Anreiz gegeben werden, dass sie weitere drei Prozent ihrer Flächen zum Schutz und der Förderung der Biodiversität erstmalig aktiv aus der Bewirtschaftung rausnehmen. Das muss man sich auch mal vorstellen.

Der Bauernverband fordert eine Basisprämie von mindestens 175 €/ha, ist das realistisch?

Heinen-Esser: Da halten wir uns erstmal zurück, weil wir noch nicht wissen, wieviel Geld letztendlich zur Verfügung steht. Das wissen wir tatsächlich erst nach dem Trilog. Man kann eine sehr hohe Basisprämie einführen, aber knüpft dann auch entsprechend klare Bedingungen daran.

Wie ist Ihre Haltung zur Kappung der Prämien nach Betriebsgröße, der Degression sowie der höheren Förderung für die ersten Hektare?

Heinen-Esser: Wir haben in NRW eine mittelständische Agrarstruktur und die möchte ich auch auf gar keinen Fall gefährden, indem große Kapitalgesellschaften im Osten die Förderung abgreifen. Wir setzen uns für eine verbesserte Förderung der ersten Hektare ein, die nur Betrieben mit einer Größe bis zu einschließlich 300 Hektaren zur Verfügung steht. Aufgrund der damit verbundenen leicht degressiven Verteilung der Direktzahlungen könnten wir dann auf eine Kappung und Degression von Direktzahlungen in großen Betrieben verzichten.

Der Bund muss mit der Umsetzung des Borchert-Plans jetzt vorankommen.

Beim Borchert-Plan stockt es. Niedersachsen hat eine Bundesratsinitiative gestartet, die Sie unterstützen. Zudem planen Sie mit Schleswig-Holstein einen Vorstoß auf der Agrarministerkonferenz. Warum?

Heinen-Esser: Der Bund muss mit der Umsetzung des Borchert-Plans jetzt vorankommen. Die Gefahr ist, dass die Regierung in dieser Legislaturperiode nicht umsetzt und somit der große Konsens zum Umbau der Nutztierhaltung verloren geht. Im September gibt es eine neue Bundesregierung, die möglicherweise das Thema Nutztierhaltung anders bewertet als wir es tun. Ein Entschließungsantrag zeigt den Willen des Bundesrates, dass wir jetzt die Umsetzung des Borchert-Papiers wünschen. Die Agrarministerkonferenz hatte sich ja schon eindeutig positioniert.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sagt, wer jetzt fordere Borchert schnell umzusetzen, habe das Papier nicht gelesen oder nicht verstanden.

Heinen-Esser: Sicher sind die offenen Fragen zur Finanzierung immer schwieriger zu lösen, je näher wir an die Bundestagswahl kommen. Denn ein Vorschlag von einer Verbrauchssteuer von 40 Cent/kg Fleisch wird nicht bei allen Jubelschreie auslösen, das birgt Risiken in einem Wahljahr. Daher gilt es, jetzt das Thema anzupacken und abzuräumen.

Ich halte eine Verbrauchssteuer, etwa in der vorgeschlagenen Höhe von 40 Cent/kg für fair.

Bleiben wir bei der Finanzierung: Die Borchert-Kommission empfiehlt eine Verbrauchssteuer, die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat sich für eine Umlage ausgesprochen. Was favorisieren Sie?

Heinen-Esser: Ich halte eine Verbrauchssteuer, etwa in der vorgeschlagenen Höhe von 40 Cent/kg für fair, weil sie sich am Verbrauch orientiert. Die Umlage arbeitet mit pauschalen Beträgen. Gleich welches Instrument man wählt: Der Mehrpreis für höhere Tierwohlstandards kann zumindest mittelfristig nicht allein über den Markt dargestellt werden. Dass auf den Markt kein Verlass ist, hat jetzt noch einmal der sogenannte Bauern-Soli gezeigt, den ein Discounter schon nach wenigen Wochen wieder zurückgenommen hat. Da bin ich jetzt aber auch auf die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie gespannt.

Diese sollte eigentlich schon da sein, kommt jetzt vermutlich im März. Warum die Verzögerung?

Heinen-Esser: Das müssen Sie im BMEL anfragen. Rückenwind für faire Lebensmittelpreise gibt unsere aktuelle Bunderatsinitiative, die vergangene Woche mit breiter Mehrheit von den Ländern unterstützt wurde. Darin wird der Bund aufgefordert, Lockvogelwerbung bei Fleisch und Fleischerzeugnissen zu unterbinden und sicherzustellen, dass die Einkaufspreise des Handels nicht unter den realen Produktionskosten liegen. Faire Preise sind die Voraussetzung für mehr Tier- und Umweltschutz entlang der Fleischkette vom Stall bis zum Teller.

Wie realistisch ist dann überhaupt, dass eine Umsetzung der Ergebnisse der Borchert-Kommission noch vor der Wahl kommt?

Heinen-Esser: Der Handlungsdruck ist groß, auch sehe ich eine breite Unterstützung in der Gesellschaft. Also bin ich weiterhin zuversichtlich. Auch bei der Agrarministerkonferenz im März werden wir dies noch einmal ansprechen und einfordern. Die Zustimmung im Bundesrat halte ich für realistisch, hier haben wir es ja selbst in der Hand. Wie gewillt der Bundestag ist, das noch vor der Wahl zu verabschieden, ist offen.

Das Gespräch führten Stefanie Awater-Esper und Patrick Liste

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