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Klöckner: „Das ist Rückenwind für meine Arbeit“

Die bundesweiten Bauernproteste setzen Landwirtschaftsministerin Klöckner unter Druck. Im Interview mit top agrar verteidigt sie die Kompromisse im Agrarpaket und erläutert, wie es jetzt weiter geht.

Lesezeit: 8 Minuten

top agrar: In kurzer Zeit haben sich Zehntausende Landwirte in den sozialen Netzwerken zusammengefunden und mit ihren Schleppern den Verkehr in vielen Städten lahmgelegt. Haben Sie mit Ihrem Agrarpaket überzogen?

Klöckner: Ich verstehe, dass die Bauern auf die Straße gehen. Ich habe mit vielen Demonstranten gesprochen, auch mit den Initiatoren von „Land schafft Verbindung“. Da kommt viel ­zusammen. Es ist ein Gemisch aus zu wenig Wertschätzung, pauschalem Bauernbashing, zu wenig Zahlungs­bereitschaft von Verbrauchern und ­politischen Entscheidungen auf allen Ebenen, die den Bauern etwas abverlangen. Aber es gibt gesellschaftliche Entwicklungen, den Klimawandel, Insektenschwund, Regelungen aus Brüssel, Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag und Gerichtsurteile, die wir nicht ignorieren können. Es wird Veränderungen geben. Dabei werden wir die Landwirte unterstützen.

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86 % der Nutzer auf topagrar.com bewerten das als „Kuhhandel auf Kosten der Bauern“. Was entgegnen Sie?

Klöckner: Das ist eine Wortwahl, die ich nicht teile. Ich habe im Sinne der Landwirte sehr hart verhandelt. Es lagen Forderungen auf dem Tisch, die viel weitergehende Belastungen bedeutet hätten. Bei der Erhöhung der Umschichtung in die Zweite Säule sagen mir viele Landwirte, das sei verkraftbar. 90 % der Mittel fließen wieder zurück an die Landwirte. Unser Tierwohlkennzeichen ist ein Angebot für die Branche. Es kann genau die Wertschätzung transportieren, die die Landwirte einfordern. Beim Insektenschutz ist leider nicht durchgedrungen, dass wir ein Eckpunktepapier verhandelt haben, kein festgezurrtes Gesetz. Wir werden die Landwirtschaft jetzt bei der Umsetzung intensiv einbinden.

Fest steht, eine Bewirtschaftung da, wo sie jetzt stattfindet, muss weiterhin möglich sein. - Klöckner

Welche Zugeständnisse können Sie beim Insektenschutzpaket machen?

Klöckner: Die Landwirte leisten bereits erhebliche Anstrengungen. Am 20. November setzen wir uns daher alle zusammen an einen runden Tisch - das habe ich mit der Bundesumweltministerin vereinbart. Die Beteiligung der Branche ist mir dabei wichtig. Fest steht, eine Bewirtschaftung da, wo sie jetzt stattfindet, muss weiterhin möglich sein. Deshalb wird es in Schutzgebieten immer Ausnahmen geben.

Landwirte befürchten, dass sie die ­Biodiversitätsmaßnahmen entschädigungslos erbringen müssen.

Klöckner: Natürlich müssen wir fördern. Wir haben den größten Haushalt im Bundeslandwirtschaftsministerium, den wir je hatten. Wir werden beim ­Insektenschutz mehr als 80 Millionen Euro Fördergelder haben, um Einschränkungen abzumildern, aber auch als Anreiz. Es stimmt nicht, dass wir nur Ordnungsrecht machen. Davon würde ich auch nichts halten. Es ist ein Mix. Wer von den Bauern verlangt, dass sie etwas tun, was im Interesse des Allgemeinwohls ist, der muss sie dafür auch bezahlen. Deshalb fordere ich auch eine entsprechende Aus­stattung des EU-Agrarhaushalts.

Die Landwirte demonstrieren weiter. Ist Ihre Botschaft zum Dialog noch nicht angekommen?

Klöckner: Das ist ja eher Rückenwind für meine Arbeit und Verhandlungen. Die Landwirte haben ein grundsätz­liches Problem angesprochen, was wir mit den Verbrauchern, NGO’s, mitunter Medien haben. Es gibt zu wenig Wissen und Wertschätzung für unsere Nahrungsmittel und die­jenigen, die sie erzeugen.

Ist der Bauernverband noch Ihr erster Ansprechpartner?

Klöckner: Wir sind mit vielen im Gespräch. Dass Institutionen mit ihrer Bindewirkung zu kämpfen haben, liegt auch an der Individualisierung der Gesellschaft. Natürlich gehört der Deutsche Bauernverband zu unseren ersten Ansprechpartnern. Daneben sind wir offen für die Jungen, die sich direkt an uns wenden oder die, die nicht im Bauern­verband organisiert sind. Einen ­homogenen Berufsstand gibt es nicht und hat es auch nie gegeben.

Der Wunsch von Angela Merkel war, viele unterschiedliche Bauernver­tretungen zu treffen. - Klöckner

Was dürfen die Landwirte vom Landwirtschaftskongress mit der Bundeskanzlerin am 2. Dezember erwarten?

Klöckner: Viele in der Landwirtschaft haben den Wunsch, ihre Anliegen ­direkt der Kanzlerin näherzubringen. Dass dort nicht nur die Autoindustrie Gehör findet, sondern auch die Bauern. Die Bundeskanzlerin und ich sind uns einig, dass wir uns Zeit dafür ­nehmen. Drei Stunden sind angesetzt. Der Wunsch von Angela Merkel war, viele unterschiedliche Bauernver­tretungen zu treffen. Es werden rund 40 Gruppierungen sein.

Geht in der Agrarpolitik ohne Kanzleramt bald nichts mehr, weil sich Umwelt- und Landwirtschaftsressort nicht einigen können?

Klöckner: Na, unser bisheriges Interview dreht sich doch um eine Einigung zwischen den beiden Ressorts. Ich begleite die Kanzlerin auf Auslandsreisen, wenn es um die Landwirtschaft geht, und sie hat hohes Interesse an den Entwicklungen in der Agrarbranche. Es ist ein gutes Zeichen, dass wir mit den Verbänden diesen Termin im Kanzleramt wahrnehmen können.

Dass Mercosur-­Exporte den europäischen Markt überschwemmen, wird nicht passieren. - Klöckner

Die Demonstranten aller Gruppierungen sind sich in ihrer Kritik am ­Mercosur Abkommen einig. Wird es eine Neubewertung geben?

Klöckner: Das Abkommen ermöglicht einen privilegierten Zugang zu einem Markt mit 260 Millionen Verbrauchern. Vor allem für Milchprodukte und Verarbeitungswaren wird es neue Absatzwege geben. Dass Mercosur-­Exporte den europäischen Markt überschwemmen, wird nicht passieren. Das haben wir durchgesetzt. Es gibt Quoten für Rindfleisch, Geflügel, Zucker oder Ethanol. Die Exporteure müssen zudem europäische Standards einhalten. Die Ratifizierung des Abkommens wird vor allem davon abhängen, dass alle Parteien die verbindlichen Regeln zu Arbeit, Umwelt und Klima erkennbar einhalten.

Der Widerstand gegen die neue Düngeverordnung ist groß. Stehen die Landwirte auf verlorenem Posten?

Klöckner: Es wäre besser gewesen, die Düngeproblematik wäre schon vor Jahren abgeräumt worden. Jetzt müssen wir den geforderten Anpassungen der EU-Kommission nachkommen. Sonst drohen massive Strafzahlungen. Unsere Maßnahmen liegen der EU-­Kommission vor. Sie sollen für einen bestmöglichen Ausgleich zwischen den strengen Grenzwerten der Nitrat­richtlinie und den Anforderungen aus der Pflanzenproduktion sorgen. Das ist alles andere als einfach. Wir werden die Landwirte dabei mit einem Nährstoffprogramm unterstützen.

Es kann nicht sein, dass wir alle mehr Tierwohl fordern, und dann kommt uns der Immissionsschutz dazwischen. - Klöckner

Sie haben sich mit dem Bauministerium auf vereinfachte Genehmigungen von Tierwohlställen geeinigt. Ab wann können Landwirte damit rechnen?

Klöckner: Das ist ein wichtiger Durchbruch. Stallumbauten, die bei gleichbleibendem Tierbestand für mehr Platz und bessere Bedingungen sorgen, sollen für die Landwirte ohne Aufwand umsetzbar sein. Ein Inkrafttreten streben wir für 2020 an. Daneben müssen wir nun auch die TA-Luft mit dem Umweltministerium reformieren. Es kann nicht sein, dass wir alle mehr Tierwohl fordern, und dann kommt uns der Immissionsschutz dazwischen. Diesen Zielkonflikt müssen wir im Sinne des Tierwohls beantworten.

Das Gesetz für das freiwillige Tierwohlkennzeichen ist noch nicht durch den Bundestag. Erwarten Sie dort ­Bewegung oder versuchen Sie eher eine europäische Lösung hinzu­bekommen?

Klöckner: Der Bundesrat hat das Tierwohlkennzeichen mit großer Mehrheit angenommen. Jetzt liegt es an den Bundestagsabgeordneten, dass wir ­vorankommen. Denjenigen, die die Einführung verzögern, muss klar sein, dass sie damit mehr Tierwohl auf die lange Bank schieben. Deshalb gehe ich davon aus, dass sich die Kollegen aus der SPD an den Koalitionsvertrag halten. Eine EU-weit verbindliche und einheitliche Kennzeichnung, werde ich während unserer EU-Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr anschieben. Das wird Zeit brauchen.

Bietet der derzeitige große Fokus auf Agrarthemen auch eine Chance, einen Konsens für die großen Konfliktthemen rund um die Landwirtschaft zu entwickeln und den Wandel zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft zu gestalten?

Klöckner: Die hohe öffentliche Aufmerksamkeit ist eine Chance. Wir haben eine so gut ausgebildete Generation in der Landwirtschaft wie wir sie noch nie hatten. Eine, die offen ist für neue Technologien und die Digitalisierung, die auch um die gesellschaftlichen Erwartungen weiß. An Umwelt- und Klimaschutz und einer Ernährungsproduktion, die gleichzeitig effektiv und effizient ist, wird nichts vorbeigehen. Ich bin sicher, dass große Teile des Berufsstands sehr wohl bereit sind, aktuelle und künftige Herausforderungen sowie gesellschaftliche Erwartungen konstruktiv anzugehen, unsere Impulse aufzunehmen. Aber auch die Verbraucher müssen wir positiv in die Pflicht nehmen. Wer von der Landwirtschaft mehr Umwelt-, Klima- und Tierschutz fordert, der muss auch bereit sein, für solche Produkte an der Supermarktkasse mehr zu zahlen. Absichtserklärungen in Umfragen allein ändern nichts.

Ich biete den jungen Leuten an, dass wir die Zukunftsfragen nicht liegen lassen. - Klöckner

Sie sprechen von dem gut ausgebildeten Nachwuchs, der in den Startlöchern steht. Diese saßen zum Teil auch auf den Schleppern. Was können Sie diesen jungen Landwirten anbieten?

Klöckner: Ich biete diesen jungen ­Leuten an, dass wir die Zukunftsfragen nicht liegen lassen. Dass wir die Probleme, die auf uns zukommen, angehen. Dass wir für Wertschätzung und für Geld sorgen, um sie zu unterstützen. Das wir die rechtlichen Rahmenbedingungen so regeln, dass sie besser wirtschaften können. Dass wir die Weichen so stellen, dass die Gesellschaft unsere Landwirtschaft ak­zeptiert.

Halten Sie frisches Geld, so wie der Bauernverband es fordert, für Bio­diversität und Tierwohl für denkbar?

Klöckner: Dafür kämpfe ich und dafür stehen nicht nur die Mittel für das ­Insektenschutzprogramm. Schauen Sie auf unseren Rekordhaushalt. Auch im Klimapaket der Bundesregierung stehen bis 2023 mehr als eine Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung.

Das Gespräch führten top agrar Berlin Korrespondentin Stefanie Awater-Esper und Chefredakteur Matthias Schulze Steinmann.

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