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Klöckner: „Ich mute den Landwirten viel zu, aber begleite sie“

Wie geht’s für die Landwirtschaft weiter? Welche Rolle spielt sie im Bundestagswahlkampf? Agrarministerin Klöckner über ASP, Zukunftskommission, Green Deal, Umbau der Tierhaltung und Pflanzenschutz.

Lesezeit: 11 Minuten

top agrar: Die Afrikanische Schweinepest – ASP - überschattet aktuell die Agrarpolitik sowohl in Deutschland wie in Europa. Wie bewerten Sie das Seuchengeschehen?

Klöckner: Wer die Entwicklung der ASP beobachtet hat, musste damit rechnen, dass sie – trotz unser umfangreichen vorbeugenden Maßnahmen –nach Deutschland kommen könnte. Wir betreiben seit vielen Jahren intensiv Aufklärungs- und Präventionsarbeit. Wir haben uns immer auf den Ernstfall vorbereitet: Mit Änderungen im Tiergesundheits- und im Bundesjagdgesetz habe ich dafür gesorgt, dass den Ländern nun wirksame Instrumente zur Verfügung stehen, um die weitere Ausbreitung wirksam zu verhindern. Umso wichtiger ist, dass Brandenburg diese und weitere etablierten Verfahrensweisen für den Krisenfall konsequent einhält. Es gilt jetzt, die Verbreitung des Virus einzudämmen. Wichtig zu betonen ist: Betroffen sind bisher ausschließlich Wildschweine in einem räumlich begrenzten Gebiet. Unsere Hausschweinebestände sind frei von ASP - sie müssen wir jetzt bestmöglich schützen.

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Sie haben Hilfen für Schweinehalter in Aussicht gestellt. Was muss passieren, damit diese anlaufen?

Klöckner: Erstens müssen wir verhindern, dass sich die Schweinepest weiter ausbreitet und dabei auf Hausschweine übergeht. Zweitens beobachten wir intensiv, wie sich die Märkte weiterentwickeln. Dass wir nicht mehr in Drittstaaten exportieren können, ist eine schwierige Situation für viele Schweinehalter. Ihre Sorgen nehme ich sehr ernst. Gleichzeitig ist aber der Handel innerhalb der EU für Betriebe, die nicht in der Restriktionszone liegen, weiter möglich – 70 Prozent unserer Exporte verbleiben hier. Was potenzielle Hilfsprogramme angeht: Hier geht es in erster Linie darum, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Sollte es zu massiven Marktverwerfungen kommen, dann müssen sie zielgerichtet wirken, um auch wirklich die Leidtragenden der Krise zu erreichen.

Die ASP kommt zu einer ohnehin angespannten Situation in der Landwirtschaft dazu.Beim letzten top agrar Interview im Herbst 2019 bezeichneten Sie die Bauernproteste als „Rückenwind für meine Arbeit“. Sehen Sie das heute auch noch so?

Klöckner: Grundsätzlich ist es gut, wenn auch Landwirte ihre Interessen verdeutlichen. Es macht einen Unterschied, ob jemand mit einem Argument kommt oder mit einem Henkerseil. Die Landwirtschaft, die Ernährungsfragen sind stärker in den gesellschaftlichen Fokus gerückt. Aber Lautstärke ersetzt kein Argument. Ich mute den Landwirten viel zu, aber ich begleite sie, unter anderem mit Förderungen und Forschung. Wir sind heute weiter als vergangenes Jahr.

Dieses Zerfallen in Einzelgruppen führt am Ende zu einer Schwächung des Berufsstandes. - Klöckner über die Bauernproteste

Wie nehmen Sie ihre Zusammenarbeit mit den Landwirten wahr?

Klöckner: Es gibt nicht die Landwirte. Die einen demonstrieren bei ‚Wir haben es satt!‘, die anderen beim Bauernverband, die nächsten bei Land-schafft-Verbindung und wieder andere bei ‚Pflug und Schwert‘. Was mir Sorge macht, ist die Zersplitterung des Berufsstandes. Das macht die Landwirtschaft nicht schlagkräftiger. Dieses Zerfallen in Einzelgruppen, die Maximalforderungen und zum Teil auch Maximalblockaden führen am Ende zu einer Schwächung des Berufsstandes.

Erwarten Sie, dass die Zukunftskommission die Bauern wieder einen kann?

Klöckner: Es nicht die Aufgabe der Zukunftskommission, die Landwirte zu einen. Die Zukunftskommission muss die Bandbreite der Erwartungen in eine Balance bringen, zu Verständnis und Verständigung zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen beitragen. Ich bin da an der Seite der Landwirte und sage ihnen: Schaut, dass Ihr zu gemeinsamen Positionen kommt. Ein guter Kompromiss ist keine Schwäche.

Reicht die Zeit, um die Ergebnisse der Zukunftskommission auch noch in die GAP Verhandlungen einfließen zu lassen?

Klöckner: Die Zukunftskommission ist ja keine europäische Kommission. Ihre Ansätze werden später gefragt sein, wenn die nationalen Strategiepläne anstehen. Auf EU-Ebene stelle ich im Rahmen unserer Ratspräsidentschaft derzeit einen Kompromissvorschlag für die Mitgliedstaaten zur Grünen Architektur, zu den Eco-Schemes und nicht produktiven Flächen und vielen anderen Punkten zusammen. Im Oktober sprechen die 27 Mitgliedstaaten über eine allgemeine Ausrichtung der GAP. Da ist noch viel Arbeit für die Einigung notwendig, denn die Sichtweisen gehen noch weit auseinander.

Diese pauschale Vision ist unrealistisch, das ist ein schönes Bauchgefühl in quantitative Zahlen gegossen. - Klöckner zur Farm-to-Fork-Strategie

Die EU-Kommission verlangt in der Farm-to-Fork-Strategie eine Reduktion des Pflanzenschutz und Düngemitteleinsatz um 50 % bzw. 20 % bis 2030. Der Ökolandbau soll auf einen Anteil von 25 % wachsen. Halten Sie das für realistisch?

Klöckner: Nein, diese pauschale Vision ist unrealistisch, das ist ein schönes Bauchgefühl in quantitative Zahlen gegossen. Die EU-Kommission kann uns nicht mal sagen, von welcher Basis aus denn genau 50 % Pflanzenschutz reduziert werden sollen. Deutschland etwa hat die Menge der eingesetzten Pflanzenschutzmittel schon enorm reduziert. Die Situation in den Mitgliedsstaaten ist hier aber unterschiedlich. Wie sollen wir Ressourcen schonen und Lebensmittelverschwendung vermeiden, wenn wir Ernten nicht sichern können? Deshalb haben wir der Kommission verdeutlicht, dass es erst eine Folgenabschätzung geben und es konkreter werden muss.

Was ist dann für Sie ein realistisches Ziel beim Pflanzenschutz?

Klöckner: Da sind die Umweltmaßnahmen und die Eco-Schemes, über die noch diskutiert wird und die meiner Meinung nach verpflichtend für alle Mitgliedstaaten sein müssen. Aber wir müssen auch auf die klimatischen Besonderheiten achten. In trockenen Gebieten und Jahren gibt es andere Schäden als in feuchten. Dazu benötigen wir standortangepasst Maßnahmen und können nicht pauschale Pflanzenschutz Reduktionen für alle einheitlich vorgeben.

Welchen Rückhalt haben Sie für ihre Forderung, dass die Eco-Schemes verpflichtend in allen Mitgliedstaaten gelten sollen?

Klöckner: Das Bild ist da noch sehr heterogen in der EU. Ich meine, wir brauchen Mindeststandards in allen europäischen Mitgliedstaaten damit kein Umweltstandard-Dumping stattfindet. Wir haben schon genug Wettbewerbsnachteile zum Beispiel durch gekoppelte Zahlungen oder Notfallzulassungen, die in anderen Mitgliedstaaten zur Regel geworden sind.

Wir haben schon genug Wettbewerbsnachteile. - Klöckner zu den Agrarverhandlungen auf EU-Ebene

Diskutiert wird auch über nicht produktive Flächen. Bekommen wir mit 10% ökologischer Vorrangfläche die Biodiversitätsprobleme gelöst?

Klöckner: Das hängt von der Analyse vor Ort ab. Wo haben wir welche Biodiversitätsprobleme? Das hat etwas damit zu tun, welche Ackerfrüchte Sie anbauen und wie der Landstrich gekennzeichnet ist. Da ist auch eine gewisse Flexibilität für die Mitgliedsstaaten absolut wichtig.

Wann müssen sich die Landwirte darauf einstellen, dass die neuen GAP-Regeln gelten?

Klöckner: Es zeichnet sich eine zweijährige Übergangsfrist für die bestehende GAP ab. Die neue GAP würde dann ab dem 1. Januar 2023 in Kraft treten. Die Frage ist, ob wir in der Übergangszeit mit dem Geld aus dem Corona-Hilfsfonds der EU schon über Anreize in der zweiten Säule weitere grüne Maßnahmen finanzieren können.

Welche Unterstützung gibt es bei den EU-Mitgliedstaaten für das von Ihnen geforderte Europäische Tierwohllabel?

Klöckner: Die Debatte über europäische Tierwohlstandards, die über den gesetzlichen Mindeststandard liegen, habe ich auf die europäische Agenda gesetzt und ich werde da nicht lockerlassen. Aber der Weg ist noch lang. Ich freue mich aber, dass immer mehr Mitgliedstaaten hier mitgehen wollen.

Ich strebe noch in dieser Legislaturperiode Entscheidungen an. Der Borchert Vorschlag funktioniert nur als Gesamtes. - Klöckner zum Umbau der Tierhaltung

Noch gibt es keinen Beschluss zum nationalen freiwilligen Tierwohlkennzeichen im Bundestag. Erwarten Sie, dass die SPD vor der Bundestagswahl noch zustimmt?

Klöckner: Mit meinem Ministerium habe ich die Hausaufgaben gemacht, der Gesetzentwurf ist vom Kabinett angenommen, bei der EU notifiziert. Der Ball liegt beim Parlament. Wir haben die Kriterien für die verschiedenen Tierwohlstufen in der Schweinehaltung definiert, darauf bezieht sich auch die Borchert Kommission. Jetzt werden die Kriterien für Geflügel und Rind entwickelt. Wer hier blockiert, verhindert schnelle Verbesserungen beim Tierwohl und seine Sichtbarkeit in der Ladentheke.

Wieviel von den Borchert-Vorschlägen wollen Sie vor der Bundestagswahl noch umsetzen?

Klöckner: Ich strebe noch in dieser Legislaturperiode Entscheidungen an, die breit getragen werden. Der Borchert-Vorschlag funktioniert nur als Gesamtes. Nur Stallumbau ohne Finanzierungskonzept und langfristige Zusage wird kein Tierhalter mitmachen. Eine Tierwohlabgabe halte ich für eine Möglichkeit. Das Geld fließt nicht in die Tasche des Handels, sondern in einen Fonds, bei dem die Landwirte Geld beantragen können für den Umbau ihrer Ställe, wenn sie die Tierwohlkriterien einhalten. Wir brauchen dafür aber einen gesamtgesellschaftlichen Kompromiss, damit das über Legislaturperioden und Regierungskonstellationen hinaus Bestand hat. Ich habe dafür die Zusage vom Parlament und von der Agrarministerkonferenz der Länder. Nun folgt die notwendige Machbarkeitsstudie, die die europarechtlichen Fragen klärt. Im Frühjahr werde ich die Ergebnisse vorstellen können. Es ist aber unrealistisch zu glauben, vor der Bundestagswahl wird alles komplett umgesetzt. Aber ich will Beschlüsse dazu haben, hinter die keiner mehr zurückkann.

Die geplanten Korrekturen im Baurecht stellen viele Landwirte noch nicht zufrieden...

Klöckner: Wir haben im Kabinett das Baugesetzbuch angepasst, der Bundesrat hatte keine Einsprüche. Auch das liegt jetzt im Parlament. Ich kann die SPD nur warnen, auf Zeit zu spielen und Maximalforderungen zu stellen. Wer das tut, verhindert eine schnelle Optimierung des Tierwohls. Es gibt so viele Landwirte, die wären bereit, ihre Ställe umzubauen. Aber wenn sie den Bestandsschutz verlieren, warum sollen sie es dann tun?

Wir müssen in eine stärkere Balance kommen was die Anzahl der Tiere und die Flächenverfügbarkeit anbelangt. - Klöckner zur Flächenbindung

Ist eine Erweiterung für An- und Neubauten denkbar?

Klöckner: Es geht nicht darum, den Bestandsschutz zu nutzen, um den Tierbestand zu erweitern. Wir müssen in eine stärkere Balance kommen, was die Anzahl der Tiere und die Flächenverfügbarkeit anbelangt. Es gibt auch einen Konflikt zwischen der Vermeidung von Emissionen und mehr Tierwohl. Für mich ist klar, Tierwohl geht vor. Und ja, bei einigen Ställen wird es auch um die Frage Neubau oder Anbau für mehr Tierwohl gehen.

Kommen wir zurück zur Flächenbindung der Tierhaltung?

Klöckner: Ich halte eine Flächenbindung für hoch angeraten. Wir sehen doch alle, wo eine hohe Konzentration der Tierhaltung, die in keiner Relation mehr zur Fläche steht, hinführt.

Wird es mit Ihnen die vom BMU geplanten 10 m Gewässerabstände und die Ausweitung von Biotopen in einem Insektenschutzgesetz geben?

Klöckner: Was über das hinausgeht, was wir 2019 im Aktionsplan Insektenschutz beschlossen haben, mache ich nicht mit. Ich habe den Landwirten zugesagt, dass wir Folgeabschätzungen machen – auch Frau Schulze hat dem zugestimmt, daran habe ich sie jüngst erinnern müssen. Ich muss darauf achten, dass wir in Deutschland unsere Erzeugung nicht beschneiden, und dann importieren – was dem C02-Fußabdruck nicht zugutekommt.

Ich warne davor, sich Themen aufzuheben, um damit Wahlkampf zu machen. – Klöckner zur Lage der Koalition

Was wird aus Ihrer Glyphosat-Minimierungsstrategie?

Klöckner: Die habe ich vorgelegt, die liegt beim BMU. Ich warne davor, sich Themen aufzuheben, um damit Wahlkampf zu machen. Am Ende werden wir gemeinsam als Koalition nur gewinnen, wenn wir Probleme gemeinsam lösen und sie nicht nur anderen vors Hoftor kippen.

Welche Rolle wird die Landwirtschaftspolitik im Bundestagswahlkampf spielen?

Klöckner: Landwirtschaft ist in den Fokus der gesellschaftlichen Debatten gerückt. Essen ist emotional, Tierhaltung auch, und wo unsere Lebensmittel herkommen ebenso. Meine Botschaft ist, dass Landwirtschaft eine Zukunftsbranche ist, wo wir Neuerungen, Technik und Forschung der Spitzenklasse brauchen und zum Teil bereits anwenden. Ich denke, dass das Thema der Tierhaltung und die Debatte um das Tierwohl noch mehr an Bedeutung gewinnt und die Debatte um die Atomkraft emotional ersetzt. Aber die Gefahr besteht, dass das nicht differenziert, sondern populistisch aufgegriffen wird. Denn Essen ist hochpolitisch.

Die Debatte um das Tierwohl wird die Debatte um die Atomkraft emotional ersetzen. – Klöckner über den Bundestagswahlkampf

Befürchten Sie, dass die CDU/CSU von den Grünen, die das Thema Landwirtschaft sehr stark besetzen, in die Ecke gedrängt wird?

Klöckner: Die Grünen besetzen die Landwirtschaft doch mit immer widersprüchlichen Vorstellungen: ‚Weg mit den Ackergiften, auf keinen Fall neue Züchtungsmethoden, nur regional, aber mit vielen Auflagen.‘ Wozu führt das? Dass wir noch weniger heimische Produktion erreichen - und der C02-Fußabdruck durch höhere Importanteile dadurch schlechter wird. Wir Christdemokraten gehen selbstbewusst in den Bundestagswahlkampf. Wir bringen ökologische und wirtschaftliche Interessen zusammen, spielen nicht das eine gegen das andere aus. Wir sind die Partei, die beides zusammenhält, ökologische Veränderungen, aber mit ökonomischer Basis. Ansonsten wandern die Betriebe ab. Wir wollen das jedenfalls nicht!

Das Gespräch führten top agrar Chefredakteur Matthias Schulze Steinmann und Berlin Korrespondentin Stefanie Awater-Esper.

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