Anders geplant, trotzdem passend: Der diesjährige Bauerntag fand in Berlin statt. Das stand schon länger fest – sollte aber eigentlich mitten im Bundestagswahlkampf liegen. Weil aber die Ampelkoalition zerbrach, kamen die 500 Delegierten nun 50 Tage nach Amtsantritt der neuen Regierung zusammen. Und forderten somit direkt von den neuen Verantwortlichen den lang ersehnten „Politikwechsel“ ein.
Allen voran Bauernpräsident Joachim Rukwied. Ihm gelang eine gute Einordnung: Die geopolitische Lage mit Kriegen in der Ukraine und dem Nahen Osten sowie weiteren Konflikten habe die Prioritäten verschoben. Verteidigung hat in der EU wieder einen enormen Stellenwert. Für Rukwied zählt aber auch die Versorgungssicherheit dazu. Daher fordert er ein höheres EU-Agrarbudget von Brüssel. Und von Berlin endlich wieder mehr unternehmerische Freiheiten für Landwirte. Das trug er bekannt engagiert vor – und mindestens so spitz formuliert wie gegenüber dem damaligen grünen Agrarminister Cem Özdemir.
Alois Rainer verspricht Bürokratieabbau
Den neuen Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) schockte das nicht. Er fühlte sich ohnehin „zu Gast bei Freunden“. Bodenständig und authentisch sprach er den Landwirten viel Wertschätzung aus.
Rainer brüstete sich mit den Punkten, die er politisch schon erreicht hat: Rückkehr zur vollständigen Agrardieselrückvergütung, Abschaffung der Stoffstrombilanz, stabiler nationaler Agrarhaushalt. Und natürlich versprach er, weitere Punkte wie den Bürokratieabbau anzugehen.
Was er beim Bauerntag nicht erwähnte: Der Minister schickt drei Abteilungsleiter mit grünem Parteibuch aus seinem Ministerium in den vorzeitigen Ruhestand. Das hatten sich insbesondere Verbandsvertreter erhofft, da nur so ein „Politikwechsel“ möglich sei. Und genau den wolle Schwarz-Rot, versprach auch Rainer.
Umweltminister lobt Klimaschutzeinsatz
Sein Kabinettskollege Carsten Schneider (SPD) ist da auf Linie. Allein damit, dass der Bundesumweltminister zum Bauerntag ging, setzte er ein Zeichen. Er lobte die Leistungen der Landwirtschaft ausdrücklich, beispielsweise beim Klimaschutz. Schneider betonte, dass er auf kooperative Ansätze beim Umweltschutz setze. Zur Wahrheit gehört aber auch: Kritische Themen wie Wolf oder Pflanzenschutz sprach er gar nicht erst an.
Mindestlohn bleibt Zankapfel der Koalition
Ein definitiv strittiges Thema zwischen Union und SPD ist der Mindestlohn. Er steigt bis 2027 auf 14,60 €. CDU/CSU können sich Ausnahmen für die Landwirtschaft vorstellen, die Sozialdemokraten nicht. Diesen Dissens auf offener Bühne zeigten Steffen Bilger und Matthias Miersch. Ansonsten waren der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union und der SPD-Fraktionsvorsitzende aber auf maximale Harmonie bedacht. Ihre Botschaft: Wir haben verstanden – Menschen wollen keinen öffentlichen Regierungsstreit, sondern Lösungen – wir müssen liefern!
Dass dies nun offensichtlich in Berlin angekommen ist, stimmt zuversichtlich. Doch die Erkenntnis genügt nicht – es kommt aufs „Machen“ an. Aufs Umsetzen. Auf spürbare Erfolge. Auf bessere Perspektiven. Nur dann kommt der ersehnte Aufschwung. Damit keine falsche Erwartungshaltung entsteht: Nicht alle Forderungen werden sich erfüllen lassen. Und trotzdem kann es jetzt genau das Momentum für einen „Politikwechsel“ sein.