Wer am vergangenen Wochenende das Geschehen rund um die Hypo Real Estate Bank verfolgt hat, wird sich gefragt haben, wo die frühere "Seriosität" der Banken geblieben ist? Nach Berechnungen der Bundesbank bestehen bei der Real Estate Bank Ausfallrisiken in Höhe von 100 Mrd. Euro. Man fragt sich, ob all das, was Banken im Geschäft mit ihren Kleinkunden verlangen \- dabei geht es oft nur um 50 oder 100 Euro \- urplötzlich nicht mehr gilt, wenn Milliarden im Spiel sind. Eine ganze Reihe grundlegender und kapitaler Fehler sind gemacht worden, die einem Auszubildenden im ersten Lehrjahr nicht verziehen würden: • Die in Schieflage geratenen Banken haben "Produkte" eingekauft, deren Inhalte sie selbst nicht einmal kannten. Die Renditezusagen waren teil utopisch. • Langfristige Engagements wurden mit kurzfristigen Geldern finanziert, ein eklatanter Anfängerfehler. • Die Banken wissen teilsweise nicht einmal genau. wieviel Schulden sie haben. Wie kann das sein?
Mit Anfängerfehlern allein lässt sich das Ausmaß der Katastrophe indessen nicht erklären. In der Bankenwelt, auch in der großen Geschäftswelt, führt man ein Eigenleben, das an Arroganz und Überheblichkeit der handelnden Personen kaum noch zu übertreffen ist. Viele "Führungspersonen" haben die Bodenhaftung verloren. Es fehlt der Umgang mit der Basis und der Bezug zu den Menschen, die jetzt für die Fehler und Fehleinschätzungen geradestehen müssen. In dieses Bild passt, dass die handelnden Personen jährlich Millionenbeträge verdienen. Doch der eigentliche Grund für das kollektive Versagen der Banken liegt tiefer. Aufsicht und Aufsichtsorgane \- in allererster Linie also die Aufsichtsräte \- haben versagt und sind ihren eigentlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Das hängt damit zusammen, dass Aufsichtsräte oft nach eigenen Interessen bzw. nach den Interessen handeln, die ihnen vom "Entsender" auferlegt werden. Vor allem aber überschauen Aufsichtsratsmitglieder heute nicht mehr, was in einer Großbank oder einem Großunternehmen vor sich geht \- sie sind froh, wenn ihnen Vorstand oder Geschäftsführer bestätigen, dass alles zum Besten steht. Vorstände oder Geschäftsführer wiederum sind selbst nicht in der Lage \- oder ihnen fehlen Arbeitswille und Engagement \- sich in Details und Zusammenhänge des Unternehmens vollständig einzuarbeiten. Sie beauftragen stattdessen Beratungsunternehmen, die für viel Geld das zu Papier bringen, was Vorstand oder Geschäftsführung hören und sehen wollen. Und die Wirtschaftsprüfer? Sie sind vor allem darauf bedacht, im Geschäft zu bleiben und hüten sich vor kritischen Äußerungen. Das Ergebnis solch "modernen Managements" überrascht nicht: Man stolpert blind in die Katastrophe, wie die jüngsten Bankenbeispiele zeigen.
