Im Bundestag wurde am Donnerstag in erster Lesung die von der Ampel geplante Novelle des Bundestierschutzgesetzes debattiert und zur weiteren Beratung an die zuständigen Ausschüsse verwiesen. Aus landwirtschaftlicher Perspektive sind im Entwurf nicht zuletzt die neu geplanten Regeln zu nichtkurativen Eingriffen gravierend.
Diese umfassen:
Ein Verbot des Kupierens der Schwänze von Lämmern
Bei Ferkeln werden die entsprechenden Vorgaben für das Kupieren der Schwänze konkretisiert, was absehbar mit höheren Dokumentationspflichten verbunden wäre
Das Ausbrennen von Hornanlagen bei Kälbern ohne Betäubung soll verboten werden.
Darüber hinaus soll die Anbindehaltung von Tieren jeder Art „grundsätzlich untersagt“ werden. Eine Ausnahme ist nur für Bestandsbetriebe mit „Kombihaltung“ und bis zu 50 Tieren (ab sechs Monaten) vorgesehen.
Hinzu kommen Verschärfungen im sogenannten Qualzuchtparagrafen, die allerdings sehr vage formuliert sind. Genau das eröffnet nach Einschätzung des Bundesverbands Rind und Schwein derart viel Spielraum zur Interpretation möglicher „Qualzucht“, „dass die deutsche Tierzucht von heute auf morgen auf Eis gelegt werden kann“.
In den vergangenen Monaten hatte es deshalb und wegen weiterer Punkte wie der dauerhaften Installation eines Bundestierschutzbeauftragten viel Kritik an der Novelle gegeben. Die ist seitens der Agrarverbände noch lauter geworden, nachdem die Bundesregierung Kompromissvorschläge zum Tierschutzgesetz unbeachtet ließ.
Beringmeier: Vorschläge schlicht nicht umsetzbar
Der Deutsche Bauernverband (DBV) erneuerte deshalb bereits vor der Plenardebatte seine Kritik am Gesetzentwurf. Der DBV-Vizepräsident und Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, Günther Felßner, mahnte dringende Korrekturen an, sonst drohten Betriebsaufgaben, eine weitere Verlagerung der Tierhaltung ins Ausland und vermehrte Importe tierischer Lebensmittel aus Ländern mit deutlich geringeren Tierwohlanforderungen. Der Veredelungspräsident des Bauernverbandes, Hubertus Beringmeier, fürchtet, dass die Vorschläge von vielen Betrieben in dieser Form schlicht nicht umsetzbar sind und diese ins Aus drängen werden. Am Ende drohe mehr Tierleid als Tierschutz. „Dieses Gesetz ist eine Bedrohung für die Tierhaltung in Deutschland“, warnt Beringmeier.
Der DBV verlangt deshalb:
Praxisnahe Änderungen der geplanten Regelung zum Kupieren, da diese nicht das Problem des Schwanzbeißens löse
Den unbefristeten Erhalt der in der Praxis bewährten Kombinationshaltung mit 120 Tagen Bewegung im Jahr statt eines Komplettverbots
Beringmeier und Felßner übergaben diese und weitere Forderungen zusammen mit 24.105 Unterschriften vor der Plenardebatte an den Ernährungsausschuss des Bundestags.
Gemeinsam mit Vertretern von @BayernsBauern und @WLVagrar hat der DBV heute rund 24.000 Unterschriften an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft @Bundestag gegen die Novelle des #Tierschutzgesetzes übergeben. (1/5) pic.twitter.com/0AmbuXsg9q
— Deutscher Bauernverband e.V. (@Bauern_Verband) September 26, 2024
Raiffeisenverband: Kosten- und Bürokratietreiber droht
Hart ins Gericht mit der Tierschutznovelle geht auch der Deutsche Raiffeisenverband (DRV). Für ihn weist der aktuelle Entwurf erhebliche Mängel auf. „Die Überarbeitung des Tierschutzgesetzes braucht einen deutlich praxisorientierteren Ansatz. Sonst droht ein Dreiklang aus noch mehr Bürokratie, noch höheren Kosten und noch mehr Betriebsaufgaben“, mahnt DRV-Geschäftsführer Dr. Christian Weseloh (DRV).
Der DRV fordert unter anderem eine praxisnahe Umsetzung beim Kupieren. Dazu müsse der bewährte nationale Aktionsplan Kupierverzicht in vollem Umfang in das Tierschutzgesetz aufgenommen werden. Beim Veröden der Hornanlagen spricht sich der DRV für eine Beibehaltung der bewährten Praxis aus und dass der geschulte Landwirt weiterhin selbst aktiv werden darf. Hinsichtlich des Verbots der Anbindehaltung sieht der DRV eine ausreichende Übergangszeit von zehn Jahren ohne Beschränkungen als praxisorientiert und realistisch an. Des Weiteren mahnt der Verband eine Beibehaltung der Kombinationshaltung unabhängig der Bestandsgröße an.
ISN: 10 Millionen deutsche Ferkel werden ausgetauscht
Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) hatte zuvor schon vor einem regelrechten „Bürokratiemonster“ gewarnt, das aus dem Gesetz entstehen würde. Für Schweinehalter würde die zusätzliche Bürokratie nach Einschätzung von ISN-Geschäftsführers Dr. Torsten Staack insbesondere bei der Kennzeichnung der Falltiere und bei der Umsetzung des Kupierverbotes durchschlagen.
Staack hält es für nicht nachvollziehbar, dass man bei diesen wichtigen Tierschutzthemen nicht den europäischen Gleichschritt sucht und wieder einmal im nationalen Alleingang vorpreschen will. Besonders problematisch ist ihm zufolge die strikte gesetzliche Festlegung des maximalen Anteils des Schwanzes, der beim Ferkel unter bestimmten Voraussetzungen gekürzt werden darf. Denn mit so einer weitreichenden starren Vorgabe würden lediglich die deutschen Ferkelerzeuger, nicht aber die Importferkel reglementiert. „In der Folge rechnen wir – gerade auch durch den Zusammenfall mit den ohnehin schon schwierig umzusetzenden neuen Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung – mit einem möglichen schnellen Austausch von deutschen Ferkeln gegenüber Importferkeln in der Größenordnung von bis zu 10 Millionen Stück“, so der ISN-Geschäftsführer.
Auernhammer: Grüne zelebrieren „Wachsen oder Weichen“
Während die Tierschutzbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Anke Hennig, in der Einbringung der Novelle in das Parlament einen „ersten, entscheidenden Schritt in Richtung eines umfassenden Tierschutzes in Deutschland“ sieht, fürchtet der der agrarpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Artur Auernhammer, dass die Ampel damit den Strukturbruch in der Landwirtschaft vorantreibt. Er sagt: „Das Aus für die Anbindehaltung und neue bürokratischen Auflagen treffen vor allen Dingen kleinbäuerliche Betriebe. Wo jetzt 20 kleine Betriebe in der Region sind, wird es künftig noch einen Großbetrieb geben.“ Für Auernhammer ist das „die Politik des Wachsen oder Weichens – zelebriert von den Grünen“.
Nick: Echte Verbesserungen für den Tierschutz
Nichtsdestotrotz verteidigte die Parlamentarische Staatssekretärin im BMEL, Dr. Ophelia Nick, das Paket. Sie wies in der Bundestagsdebatte darauf hin, dass Tierschutz seit 20 Jahren als Staatsziel im Grundgesetz verankert ist. Auch Gesellschaft und Wissenschaft zeigten in Richtung von mehr Tierwohl. Die Novelle verspricht nach ihrer Überzeugung „echte Verbesserungen für den Tierschutz“ in der Landwirtschaft, beim Wild und bei Heimtieren. Wichtiger Punkt für Nick: „Tiere Jahr für Jahr anzubinden – das beenden wir.“ Zudem würden nichtkurative Eingriffe wie das Ausbrennen von Hörnern ohne Betäuben eingeschränkt.
Mittag: Haben Lücken bei Zuchtzielen
Die agrarpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Susanne Mittag, hielt dagegen. Ihr zufolge gibt es beim Tierschutz in Deutschland Defizite, auch wenn sich die meisten Landwirte regelgerecht verhalten. „Trotzdem gibt es Lücken“, meint Mittag. Sie denkt dabei an Zuchtziele, den „Grad von Verstümmelungen“ oder tiergerechte Schlachtungen. Da seien andere EU-Länder weiter. Die SPD-Politikerin zeigt sich dennoch offen für Vorschläge von Verbänden, wie es besser und praxisgerechter gehen könnte.
Mittags Fraktionskollegin Dr. Franziska Kersten nannte die Maßnahmen der Tierschutznovelle wie die Ausweitung des Monitorings von Tierschutzverstößen „sehr notwendig“, nahm die „übergroße Anzahl der Landwirte“ aber vom Generalverdacht aus. Kontrollen müssten eher in den Tierkörperbeseitigungsanlagen ansetzen.
Bodtke: Tierschutz mit Augenmaß umsetzen
Der FDP-Politiker Ingo Bodtke mahnte an, dass es bei der Ausgestaltung der Tierschutznovelle keine unverhältnismäßige Belastung der Landwirte geben dürfe. Das Thema Tierschutz sei sehr wichtig, stellte Bodtke klar. Dennoch müsse gelten „Tierschutz mit Augenmaß“. Deshalb werde die FDP bei den anstehenden Verhandlungen insbesondere bei den nichtkurativen Eingriffen auf praktikable Lösungen drängen, versprach der Liberale. Beispiel: „Wenn der Rinderhalter mit Sachkundenachweis die Enthornung selbst vornehmen darf, macht es keinen Sinn, dass der Tierarzt trotzdem auf den Hof kommen muss, um eine lokale Anästhesie vorzunehmen.“ Besser sei die bewährte Kombination von Sedierung und Schmerzmittelgabe.
Damerow: Entwurf vollkommen überzogen
Die CDU-Abgeordnete Astrid Damerow gratulierte der Ampel sarkastisch, denn der sei es gelungen, „jeden, wirklich jeden, der sich mit Haltung, Zucht oder Verkauf beschäftigt“, gegen sich aufzubringen. Der Gesetzentwurf ist aus Sicht der Abgeordneten „vollkommen überzogen“, beispielsweise bei den nichtkurativen Eingriffen. Die seien völlig an der Praxis vorbei und riskierten neues Tierleid, beispielsweise durch Fliegen und Maden an nichtkupierten Schwänzen von Lämmern.
Hermann Färber von der CDU/CSU-Fraktion - selbst Landwirt – findet die Extra-Betäubung bei der Enthornung von Kälbern durch den Tierarzt ebenfalls nicht sinnvoll. Schließlich seien die Veterinäre oft nicht verfügbar. Das führe dazu, dass viele Tiere nicht enthornt werden und andere Tiere oder Halter verletzten könnten. Bei Schweinen stamme heute schon jedes fünfte Ferkel aus dem Ausland, gab Färber zu bedenken. Stamme es aus Dänemark oder den Niederlanden, bekommen es hier den „höchsten deutschen Tierwohlorden“, während der deutsche Landwirt bei Anwendung der gleichen Methoden „Berufsverbot“ mit dem neuen Gesetz, kritisierte der CDU-Politiker. Das dürfe nicht passieren.
Grüne: Union beim Tierschutz unterwegs ins „letzte Jahrhundert“
Dr. Zoe Mayer von den Grünen sieht die Union mit ihren Forderungen auf dem Weg ins „letzte Jahrhundert“. Die größere Gefahr für die deutsche Nutztierhaltung sei nicht die Tierschutznovelle, sondern der Rückgang der gesellschaftlichen Akzeptanz für die hiesigen Haltungsbedingungen. „Tiere können immer noch ganzjährig angekettet werden, Tiere werden immer noch kupiert oder betäubungslos kastriert“, warf Mayer den CDU/CSU-Politikern entgegen. Auf Färbers Frage, wieso dann betäubungslos kastrierte Tiere nah Deutschland importiert werden können, räumte Mayer ein, dass gleiche Standards für alle im Binnenmarkt gelten müssten.
AfD-Protschka: Generalangriff auf die deutsche Tierhaltung
AfD-Agrarsprecher Stephan Protschka warf Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vor, bei Tierschutz „völlig blank“ zu sein. Es gehe bei der Novelle auch nicht um die Verbesserung des Tierschutzes, sondern um einen „Generalangriff“ auf die deutsche Tierhaltung. Lobbyorganisationen wie Peta oder Vier Pfoten seien bei der Entwicklung des Gesetzentwurfs beteiligt gewesen. Massive Bürokratie werde die Tierhaltung unrentabel machen, warnt Protschka. Beispielsweise werde der Kupierverzicht die deutsche Tierhaltung mit rund 1 Mrd. € belasten. Zudem seien die Änderungen bewusst schwammig formuliert, so dass eine Klagewelle von Nichtregierungsorganisationen geradezu provoziert werde. Das münde in der Abschaffung der Tierhaltung auf dem juristischen weg, so der AfD-Politiker.