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Landjugend enttäuscht von Özdemir und der Ampel

Die Landjugend wirft der Koalition Orientierungslosigkeit vor. Ideen und Konzepte für eine zukunftsfähige Landwirtschaft lägen auf dem Tisch. Bislang sei jedoch völlig offen, was umgesetzt wird.

Lesezeit: 8 Minuten

Enttäuscht von der bisherigen Arbeit des Bundeslandwirtschaftsministers und der Ampelkoalition zeigt sich die Co-Vorsitzende vom Bund der Deutschen Landjugend (BDL), Theresa Schmidt. „Warme Worten reichen nicht, es müssen auch Taten folgen“, sagt Schmidt jetzt im Interview mit AGRA-EUROPE an die Adresse von Cem Özdemir. Leider habe es noch keinen Gesprächstermin mit dem Minister gegeben.

AgE: Frau Schmidt, Sie haben sich kürzlich in harschen Worten zur bislang nicht erfolgten Umsetzung der Ergebnisse geäußert, die von der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) erarbeitet worden sind. Was hatten Sie erwartet?

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Schmidt: Ich hätte mir gewünscht, dass die Ampelkoalition konkrete Vorhaben benennt und angeht, die im Abschlussbericht der Zukunftskommission beschrieben werden. Der Umbau der Tierhaltung ist ein Beispiel. Ich kann bisher nicht erkennen, dass dies geschieht. Ich habe immer mehr das Gefühl, der wertvolle Konsens, den die ZKL erreicht hat, wird zerredet, anstatt ihn beherzt mit Leben zu erfüllen.

Immerhin haben sich der Minister und Koalitionspolitiker wiederholt zu den Ergebnissen der ZKL bekannt…

Schmidt: Das ist definitiv zu wenig. Gerade Junglandwirtinnen und Junglandwirte müssen wissen, was auf sie zukommt, wenn sie ihre Betriebe weiterentwickeln. Wertschätzung und Zuspruch, wie wichtig wir alle sind, helfen da nur bedingt. Das würden wir gern einmal dem Minister persönlich sagen.

Es gab noch keinen direkten Kontakt mit Minister Özdemir?

Schmidt: Wir hatten eine Online-Anhörung der Jugendverbände mit ihm. Das wissen wir zu schätzen, aber wir erwarten dann auch, dass uns der Minister Rede und Antwort steht und nicht die Abteilungsleiter des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Das ist nicht zu viel verlangt, wenn gesagt wird, Jugendvertreter sollen mehr Gehör finden. Leider hat es noch keinen Gesprächstermin mit dem Minister gegeben.

In welche Richtung geht die Politik?

Was würden Sie ihm sagen?

Schmidt: Dass es nicht reicht zu sagen, wie toll es ist, wenn junge Menschen aus voller Überzeugung in der Landwirtschaft arbeiten möchten. Die wollen auch ganz gern wissen, auf was sie sich einstellen müssen. Die Zukunftskommission gibt eine Richtung vor. Aber geht die Politik in diese Richtung? Wir wissen es nicht so genau.

Das würden wir gern mal mit dem Minister besprechen. Dabei würden wir ihn auffordern, mutig voranzugehen und Projekte aufzulegen, die zeigen, dass was passiert, zum Beispiel um die regionale Erzeugung zu stärken. Warme Worte allein reichen nicht. Es müssen auch Taten folgen. Als Bundeslandwirtschaftsminister muss man kämpfen.

Viele fragen, ob die Landwirtschaft überhaupt noch gewollt ist

Wie ist gegenwärtig die Stimmung unter den Junglandwirtinnen und -landwirten?

Schmidt: Trübe! Im Hinblick auf die Politik herrscht großer Unmut, weil es an Klarheit fehlt und wir nicht gehört werden. Viele fragen sich, ob Landwirtschaft hier bei uns überhaupt noch gewollt ist. Ich kann nur wiederholen: Ideen und Konzepte für eine zukunftsfähige Landwirtschaft liegen auf dem Tisch. Warum nutzt man sie nicht oder nur halbherzig? Es kostet eben auch etwas, Landwirtschaft zu erhalten und nicht zuzulassen, dass die Erzeugung abwandert. Das ist in der Landwirtschaft und drum herum allen klar, in der Politik aber offenbar nicht.

Ich denke an die FDP. Bestimmt haben junge Menschen in der Landwirtschaft die FDP gewählt und jetzt lässt sie und uns hängen, wenn es um die Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung geht. Das verstehen die meisten nicht. Sie verstehen auch nicht, dass die Grünen einerseits eine Ernährungswende fordern, andererseits nichts unternommen wird, den heimischen Obst- und Gemüseanbau zu stärken. Im Gegenteil, den Betrieben werden immer neue und höhere Belastungen auferlegt.

Kritik an Landwirtschaft als Chance annehmen

Wie nehmen Sie die gesellschaftliche Diskussion etwa zur Tierhaltung, dem Pflanzenschutz oder der Düngung wahr - als Bedrohung?

Schmidt: Ich sehe das eher als Chance. Voraussetzung ist aber, dass wir uns mit Fachwissen einbringen können und Gehör finden. Die Fragen, die es zu beantworten gilt, sind zu komplex, als dass sie Leuten mit Halbwissen überlassen werden sollten.

Wir sollten die Chance nutzen, um zu erklären, wie wir wirtschaften und warum wir so und nicht anders arbeiten. Gerade uns jungen fällt es dabei leichter, Vorbehalte gegen bestimmten Wirtschaftsweisen ernst zu nehmen und uns konstruktiv mit Kritikern auseinanderzusetzen. Wenn ich jemanden sehe, wie er mich fotografiert beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln, steige ich schon mal vom Schlepper ab, spreche mit ihm und lade ihn ein, eine Runde mitzufahren. Mein Papa oder mein Opa hätten dazu keine Lust.

Wenn mich jemand beim Spritzen fotografiert, steige ich ab und gehe hin.

Zunehmender Fleischverzicht nicht umkehrbar

Der Anteil der Veganer und Vegetarier liegt bei Jugendlichen deutlich höher als bei Älteren. Was bedeutet das für Sie?

Schmidt: Den Trend zu stärker pflanzenbetonter Ernährung werden wir nicht umkehren können. Umso wichtiger ist, darin Chancen für neue Betriebskonzepte zu erkennen und umzusetzen. Ich denke, gerade junge Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter gehen da ganz anders ran als ihre Eltern. Nicht eine Entwicklung beklagen, sondern mutig nach vorne gehen und innovativ sein. Dafür steht meine Generation.

Würde der BDL ähnlich wie der Deutsche LandFrauenverband (dlv) so weit gehen und empfehlen, insbesondere aus gesundheitlichen Gründen den Fleischverzehr einzuschränken?

Schmidt: Wissenschaftlich abgesichert ist, dass wir aus Klimaschutzgründen weniger Tiere halten sollten. Wir wollen aber niemandem vorschreiben, wie und was er zu essen hat. Und es ist allemal besser, Fleisch zu essen, das in Deutschland zu hohen Standards erzeugt wird, als Produkte, die billig eingeführt wurden und von denen wir vermuten können, dass sie diese Standards nicht erfüllen. Ganz zu schweigen von den Klimawirkungen, die mit dem Transport einhergehen.

Landjugend will auf Augenhöhe im DBV mitreden

Wie hoch ist der Anteil der Landwirte und Landwirtinnen im BDL?

Schmidt: Bei rund 20 %. Aber die Junglandwirtinnen und -landwirte vertreten wir gern und richtig.

Der BDL ist die Jugendorganisation des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Wie würden Sie das Verhältnis zwischen beiden Verbände beschreiben?

Schmidt: Ich sage es mal so, es muss auf Augenhöhe sein. Ich habe Herrn Rukwied in den vergangenen Wochen so verstanden, dass er uns ein Mitspracherecht in inhaltlichen Fragen einräumen möchte. Wir werden ihn beim Wort nehmen.

Wie sehen Sie Ihre Rolle gegenüber dem Bauernverband?

Schmidt: Ich habe bei mehreren Gelegenheiten deutlich gemacht, dass ich die Ansprechpartnerin bin, wenn es um Belange von jungen Landwirtinnen und Landwirten geht. Bei allen Fragen, die uns betreffen, möchte ich oder jemand aus dem Vorstand einbezogen werden. Das ist im Übrigen eine Voraussetzung, damit der Bauernverband sein Ziel erreicht, jünger und weiblicher zu werden.

Wieviel Beinfreiheit hat der BDL, wenn es um die Formulierung agrarpolitischer Positionen geht?

Schmidt: Wir sind eine komplett eigenständige Organisation. Wenn wir Positionen beschließen, fragen wir nicht vorher beim Bauernverband nach. Als Jugendorganisation des DBV sind wir im Präsidium vertreten und bringen uns aktiv ein, bei Themen, die den gesamten Berufsstand betreffen. Meine bisherigen Erfahrungen mit dem Bauernverband sind gut. Ich nehme dem Präsidenten ab, wenn er in Interviews sagt, dass wir die Zukunft sind. Allerdings muss das auch im Bauernverband selbst sichtbar werden.

Verjüngungskonzept im DBV reicht noch nicht

Sie spielen auf den Anspruch an, der Bauernverband müsse jünger und weiblicher werden. Wie bewerten Sie die Entscheidung, Frau Schulze Bockeloh als Vizepräsidentin zu berufen?

Schmidt: Das ist schon mal ein Schritt in eine gute Richtung. Es reicht aber für das Jüngerwerden nicht aus. Da ist noch Luft nach oben, und da werde ich zu gegebener Stelle nachhaken. Wenn man so einen Anspruch formuliert, muss man ihn auch mit Leben füllen. Da muss es zu gegebener Zeit schon mal ein Konzept geben, wie man Jüngere beteiligen will. Ich könnte mir vorstellen, dass eine Reihe von Leuten, die in der Landjugend Verantwortung getragen haben, bereit sind, dies auch im Bauernverband zu tun. Man muss ihnen aber die Möglichkeit dazu geben.

Mit den Zukunftsbauern hat der Bauernverband ein Konzept vorgelegt, das nicht zuletzt junge Leute ansprechen soll. Tut es das?

Schmidt: Viele junge Leute wollen sich engagieren, ohne gleich ein Amt zu übernehmen. Das hat unsere Junglandwirte-Studie gezeigt. Der Ansatz des Zukunftsbauern greift das auf. Das begrüßen wir ausdrücklich. Mal schauen, was draus wird.

Wie muss moderne Verbandarbeit aussehen, damit sich junge Leute, gerade junge Frauen engagieren?

Schmidt: Auf jeden Fall muss transparent gemacht werden, was da eigentlich so passiert. Wir versuchen das bei der Landjugend, und es klappt ganz gut. Transparenz gilt auch für die handelnden Personen. Man muss nachvollziehen können, warum jemand diese oder eine andere Position vertritt. Es muss ersichtlich sein, welche Tätigkeiten ein Ehrenamtler noch ausübt.

Die Leute wollen wissen, was ist das für ein Mensch, der meine Interessen vertritt. Da reichen vorgefertigte Statements nicht aus. Schließlich wollen unsere Mitglieder, dass wir in den sozialen Medien präsent und erreichbar sind. Dabei muss dann auch spürbar werden, dass Vorschläge und Kritik nicht verhallen, sondern ernst genommen und im besten Falle aufgegriffen werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

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