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topplus Beschlüsse zur EU-Agrarreform

„Landwirt*innen bekommen kein attraktives Angebot“

Agrarökonomen kritisieren Rat und Parlament für ihre Positionen zur EU-Agrarreform. Die gewählte Strategie geringstmöglicher Änderungen ist nicht ohne Risiko für die Landwirtschaft. Ein Gastkommentar:

Lesezeit: 6 Minuten

Von Prof. Sebastian Lakner:

"Die EU-Agrarminister und die Mehrheit im EU-Parlament haben ihre Positionen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) festgelegt und an vielen Stellen nur bereits bekannte Elemente neu konfiguriert. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner spricht an der Stelle allerdings von einem 'Systemwechsel'. Aber sind die Brüsseler Beschlüsse wirklich ein Fortschritt für Umwelt, Landwirtschaft und Gesellschaft?

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Bereits in der aktuellen Förderperiode waren die Direktzahlungen über Cross Compliance und über das Greening an Umweltauflagen geknüpft. Künftig wird dies von den Anforderungen für die Basisprämie (Konditionalität) und die zusätzlichen freiwilligen Eco-Schemes ersetzt. Dadurch ändert sich die Umweltbilanz nicht wirklich. Ein Beispiel: Die Betriebe mussten bisher im Greening 5% des Ackerlands als ökologische Vorrangflächen (ÖVF) zum Schutz der Biodiversität bereitstellen. Die Umsetzung der ÖVF ist jedoch aus wissenschaftlicher Sicht weder effektiv noch effizient. Für viele Praktiker war es zunächst naheliegend, die ÖFV-Verpflichtung über Zwischenfrüchte zu erfüllen, da diese häufig gut in das Produktionsprogramm passen und eine positive Wirkung z.B. für die Bodenfruchtbarkeit hatten.

Zwischenfrüchte tragen so gut wie gar nicht zur Biodiversität bei.

Allerdings zeigen verschiedenen Untersuchungen, dass Zwischenfrüchte so gut wie gar nicht zur Biodiversität beitragen. Insofern leistete die am häufigsten gewählte Option der ÖVF (73,9% der Nettofläche 2019 waren Zwischenfrüchte) keinen Beitrag zum erklärten Ziel der ÖVF. Die für die Biodiversität tatsächlich wirksamen nicht-produktiven Maßnahmen wie Brachen, Blühstreifen und Landschaftselemente machen nur einen Anteil von etwa 20% der ÖVF aus.

Die Politik kannte die zahlreichen Kritikpunkte an der bisherigen GAP. Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik des BMEL hat in den Jahren 2018 und 19 gleich drei ausführliche Empfehlungen zur Ausgestaltung der GAP-Reform gegeben. Genützt hat es nichts, Agrarministerin Klöckner und der Europäische Rat und auch die Mehrheit der EU-Parlamentarier*innen haben daraus keine erkennbaren Konsequenzen gezogen, sondern sich für ein 'business as usual' entschieden. So tauchen etwa die Zwischenfrüchte erneut als nicht-produktive Fläche in der Reform auf, entgegen den Empfehlungen der Wissenschaft.

Details bleiben sogar hinter dem bisher Erreichten zurück.

Darüber hinaus sind viele Zielmarken in den Beschlüssen so formuliert, dass sie im Detail sogar hinter dem bisher Erreichten zurückbleiben. Ein Beispiel: In der Konditionalität wird gefordert, dass 5% der Ackerfläche für nicht-produktive Elemente (inklusive der Zwischenfrüchte) bereitgestellt werden sollen. Dies entspricht 1:1 den bisherigen Regeln der ÖVF. Wenn die allgemeinverbindlichen Regeln auf EU-Ebene derart ambitionslos sind, warum sollte ein Mitgliedsland mehr Umweltambition umsetzen, zumal Agrarumweltmaßnahmen Kofinanzierung und eine gut aufgestellte Agrarverwaltung bedeuten?

Die EU-Kommission denkt hier übrigens weiter, in ihrer Biodiversitätsstrategie fordert sie 10% nicht produktiver Elemente auf Landschaftsebene. Die GAP-Beschlüsse tragen insofern nicht zu den Strategien der EU-Kommission bei.

Eco-Schemes könnten im besten Fall einen Fortschritt bewirken.

Allerdings könnten gerade die Eco-Schemes, für die die EU-Agrarminister sich auf 20% der Mittel der 1. Säule festgelegt haben, im besten Fall einen Fortschritt bewirken. Leider streiten Bund und Länder bereits jetzt hinter den Kulissen darüber, dort lieber einige alt bekannte Maßnahmen einzufügen, statt mutig nach vorne zu gehen.

Was sind die Konsequenzen der Reformbeschlüsse?

Unbestritten ist, es gibt zahlreiche Herausforderungen für die Landwirtschaft in den Bereichen Treibhausgas-Emissionen, Biodiversität oder Nährstoffmanagement. Die Ökologisierung der Landwirtschaft wird weiter auf der Agenda bleiben. Die GAP hätte hier einen stärkeren Beitrag leisten und die Landwirte bei den Veränderungen unterstützen können.

Weitere Bundesmittel werden notwendig sein.

Für die deutschen Steuerzahler bedeutet dieser Beschluss, dass eine Politik fortgesetzt wird, die kaum zu gesellschaftlichen Zielen beiträgt. Die Direktzahlungen lassen sich aus wissenschaftlicher Sicht kaum begründen. Gleichzeitig hat die Bundesregierung in den nächsten Jahren eine Reihe von Aufgaben vor sich: Die Klimabilanz in der Landwirtschaft erfordert zielgerichtete Maßnahmen, die Geld kosten, bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie liegt manches im Argen, das Insektenaktionsprogramm soll umgesetzt werden und mittelfristig soll eine praxisgerechtere Düngeverordnung entwickelt werden.

Allein diese Aufzählung erfordert Milliardenbeträge, zu denen die GAP kaum beitragen wird. Will die Bundesregierung diese Herausforderungen meistern, werden weitere Bundesmittel notwendig sein. Der Steuerzahler zahlt insofern zweimal für eine mehr oder weniger ineffiziente Agrarpolitik.

Immer mehr Praktiker hinterfragen die aktuelle Agrarpolitik.

Für die Landwirtschaft bedeuten die Reformbeschlüsse, dass zunächst die einkommenswirksamen Direktzahlungen fortgesetzt werden. Für die Betriebe mit Bodeneigentum ist das vielleicht eine gute Nachricht. Wer allerdings pachtet, reicht mindestens einen Anteil der Direktzahlungen an die Verpächter weiter. Mein Eindruck ist, dass immer mehr Praktiker die aktuelle Agrarpolitik hinterfragen, viele sicherlich aus wirtschaftlicher Not oder auch aus Ärger über zu viel Bürokratie.

Aber mancher Landwirt und manche Landwirtin haben den Handlungsbedarf auch erkannt und denken über neue Wege nach. Gerade diese Gruppe bekommt von der aktuellen Reform kein attraktives Angebot. Die Agarumweltmaßnahmen werden weiterhin bürokratisch aufwändig und finanziell allenfalls mittelattraktiv sein.

Je weniger die freiwilligen Maßnahmen funktionieren, desto eher greift die Politik zu ordnungsrechtlichen Maßnahmen.

Die aktuelle Reform ist auch nicht ohne Risiko für die Betriebe. Denn je weniger die freiwilligen Maßnahmen funktionieren, desto eher könnte die Politik sehr kurzfristig zu ordnungsrechtlichen Maßnahmen greifen, um kurzfristig doch noch die Anforderungen z.B. der Biodiversitätsstrategie zu erfüllen. Für die Betriebe würde das erhebliche Einschränkungen mit sich bringen. Insofern ist die Strategie der geringstmöglichen Änderungen nicht ohne Risiko für die Landwirtschaft.

Mehr Innovation wagen?

Es bleibt am Ende die Hoffnung, dass sich Bund und Länder zusammenraufen. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, Gelder für mehr Umweltleistungen in der Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen und auch mehr Innovationen zu wagen: Es gibt zahllose Ideen für nutzerfreundliche Systeme und mehr Gestaltungsspielraum in der Landwirtschaft. Kooperative Umsetzungsmodelle, das Punktesysteme des Deutschen Verbands für Landschaftspflege (DVL), ergebnisorientierte Honorierung von Umweltleistungen, Naturschutz-Label im Lebensmitteleinzelhandel oder Moor-Futures.

Politik muss jetzt ein Programm stricken, das entgegen den Beschlüssen, doch noch einen Aufbruch einleitet.

Es gibt viele gute Ideen, die auch von Praktikern durchaus gelobt werden. Die Aufgabe der Politik besteht nun darin, in den nächsten 12 Monaten daraus ein attraktives Programm zu stricken, das entgegen den aktuellen Beschlüssen, doch noch einen Aufbruch einleitet. Am Ende könnten Umwelt und Landwirtschaft davon profitieren."

Hinweis der Redaktion: Gastkommentare geben nicht in allen Fällen die Meinung der Redaktion wieder. Wir veröffentlichen Sie, wenn wir den Inhalt für diskussionswürdig halten.

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