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Landwirtschaftsforum Bersenbrück

Landwirte und Handel: „Wir müssen den Veredlungsstandort Deutschland halten“

Vertreter von Landwirtschaft, Verarbeitung und LEH diskutierten über die Gestaltung der Lieferkette. Man sprach miteinander, formulierte den Dissens und kam sich in einigen Punkten überraschend nah.

Lesezeit: 5 Minuten

Wenn Vertreter aus Landwirtschaft, Verarbeitung und Lebensmitteleinzelhandel (LEH) diskutieren, dann gibt es schnell Konsens in der Beurteilung der aktuell schwierigen Situation auf den landwirtschaftlichen Betrieben. Fragt man nach Möglichkeiten, die Situation zu verbessern, gibt es Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten. So war es auch auf dem Landwirtschaftsforum der Kreissparkasse Bersenbrück, das am Montag dieser Woche in Bersenbrück (Landkreis Osnabrück) stattfand. Unter der Moderation von top agrar-Chefredakteur Matthias Schulze Steinmann wurde das Thema „Lieferkette – Hand in Hand oder jeder gegen jeden?“ diskutiert.

Einig waren sich die Teilnehmer, dass die Situation bei den schweinehaltenden Betrieben dramatisch sei und auch bei den Milchproduzenten besser sein müsste. Thomas Dosch vom Schlachtunternehmen Tönnies und Heinz Korte, Aufsichtsratsvorsitzender des Deutschen Milchkontors (DMK), betonten, dass ihnen das Wohlergehen der landwirtschaftlichen Betriebe wichtig sei. Dr. Leif Balz vom Discounter Lidl beteuerte, die deutsche Landwirtschaft stärken zu wollen. Dazu fördere sein Unternehmen die Zahlungsbereitschaft bei den Kunden z.B. über eine Haltungskennzeichnung. Allerdings sieht er Grenzen des Systems: „Kunden geben nicht das Doppelte aus, nur weil es bio ist.“

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Kunden geben nicht das Doppelte aus, nur weil die Ware bio ist.“ - Dr. Balz

Verbindliche Haltungskennzeichnung gefordert

Dass man bei der Haltungskennzeichnung nach jahrelangen Diskussionen noch nicht weiter sei, kritisierte Gesa Langenberg, Schweinhalterin aus Bockstedt (Kreis Diepholz). Um Ställe für mehr Tierwohl um- bzw. neubauen zu können, forderte sie neben einer Investitionsförderung durch den Staat auch zusätzliche Anreize und verbindliche Zusagen von den Verarbeitern und dem Lebensmitteleinzelhandel. Mit Blick auf den Lidl-Plan, ab 2030 nur noch Fleisch aus den Haltungsformen 3 und 4 anbieten zu wollen, konterte Langenberg: „Da fehlt gerade den jungen Leuten die Perspektive.“

Die schnelle Einführung einer verbindlichen Haltungskennzeichnung wurde von allen Diskutanten begrüßt. Um den Prozess zu beschleunigen, bot der Lidl-Vertreter Balz den verantwortlichen Politikern an, auf der bereits bekannten, 2018 von Lidl eingeführten Kennzeichnung aufzubauen. Er verband das mit der Forderung, die Kosten dafür auf alle Marktpartner umzulegen. „Das wird der LEH nicht alleine bezahlen können“, sagte er.

Bei der Kennzeichnung von Milchprodukten machte Heinz Korte vom DMK darauf aufmerksam, dass lediglich ein Drittel der Milch über den Lebensmitteleinzelhandel verkauft werde, etwa zwei Drittel gingen in die industrielle Verarbeitung, zum Beispiel Schokolade. Hier spiele die Haltungsform der verarbeiteten Milch kaum eine Rolle, vielmehr werde nach Preis und Lieferbarkeit eingekauft, so Korte, der selber Milchviehhalter ist. Er kritisierte den LEH wegen des hohen Anteils günstiger Eigenmarken im Bereich der Michprodukte. Das Konzept gehe zu Lasten der Markenprodukte, über die ein höherer Auszahlungspreis an die Milchviehhalter realisiert werden könnte.

Lidl-Mann Balz ergänzte, man habe die Eigenmarken mit zusätzlichen Tierwohl-Kriterien „aufgeladen“ und fügte etwas provokant hinzu: „Für dieses Konzept werden wir uns nicht entschuldigen.“ Angesichts der Preispolitik des LEH sind kostendeckende Preise für Korte nur schwer durchsetzbar: „Wir brauchen mindestens 40 Cent für den Liter und werden dafür kämpfen.“, so der Milchviehhalter und Aufsichtsratsvorsitzende vom DMK.

Wir brauchen mindestens 40 Cent für den Liter Milch und werden dafür kämpfen.“ - Korte

Zahlungsbereitschaft der Konsumenten fördern

Landwirtin Langenberg kritisierte die Verarbeiter und den LEH, die Konsumenten zu Tiefstpreisen erzogen zu haben. Sie sieht viel Luft nach oben, um die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten zu fördern.

Verarbeiter und LEH haben die Konsumenten zu Tiefstpreisen erzogen" - Langenberg

Tönnies-Vertreter Dosch nahm den Ball auf und nannte die Parameter „deutsche Ware“ und „Qualität“, auf die sein Haus u.a. den Fokus richte. Das ließe sich gegenüber Verbrauchern ebenso vermitteln, wie etwa die aktive Auseinandersetzung mit den Themen Nachhaltigkeit und Klima. Dazu könnten zum Beispiel Nährstoffkreisläufe geschlossen werden, wenn heimische Eiweißkomponenten Soja aus Übersee substituieren würden. Auch sollten andere Futterkomponenten, zum Beispiel Lebensmittelabfälle (food waste) oder Schlachtabfällen, in Erwägung gezogen werden.

Im Laufe der Diskussion griff ein Landwirt aus dem Publikum den Hinweis des Lidl-Vertreters auf, das in seinen Filialen verkaufte Fleisch käme zu 100 % aus Deutschland. Der Schweinehalter konterte, dass allein das Verpacken des Fleisches in Deutschland ausreiche, um es als deutsches Produkt zu deklarieren. Balz versicherte, dass man in seinem Hause an dem Thema 5xD (Geburt, Aufzucht, Mast, Schlachtung, Verarbeitung in Deutschland) dran sei. Tönnies-Vertreter Dosch ergänzte, 5xD sei auch ein Zeichen der Solidarität unter Landwirten, indem die Mäster ihre Ferkel aus Deutschland beziehen.

5xD ist auch ein Zeichen der Solidarität unter Landwirten!“ - Dosch

Plädoyer für den Veredlungsstandort Deutschland

„Wir müssen den Veredlungsstandort Deutschland halten“, forderte Dosch auch mit Blick auf die Ernährungssicherheit. Trotz zunehmend veganer Produkte, die nach seiner Wahrnehmung nur einen geringen Teil im Vergleich zum Fleischaufkommen ausmachen, werde die Tierhaltung in der deutschen Landwirtschaft wichtig bleiben. Man müsse allerdings aufpassen, dass künftige Haltungsformen nicht von landwirtschaftsfernen Institutionen diktiert würden.

Die „recht vagen Formulierungen“ im Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung zum Thema Landwirtschaft beinhalten sowohl Risiken als auch Chance, waren sich alle einig. Vermisst wurden Hinweise auf die Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Kommission zum Umbau der Nutztierhaltung. Betont wurde aber die Möglichkeit, sich aufgrund des recht unkonkreten Regierungsplans bei der Gestaltung der künftigen Agrarpolitik einzubringen zu können. Für Korte war die Feststellung wichtig, dass die Landwirte mittlerweile mehr Vorgaben vom Handel als von der Politik erhielten. Von ihr forderte er verlässliche Rahmenbedingungen ein, zum Beispiel auch die schnelle Abwicklung von Baugenehmigungen.

Um positiv auf die Politik Einfluss zu nehmen, wies Schweinemästerin Langenberg auf die Bedeutung einer positiven Öffentlichkeitsarbeit hin. „Wir reden viel zu viel darüber, was nicht geht“, richtete sie sich an ihre Berufskolleginnen und -kollegen. Vielmehr sollte man „Geschichten erzählen“ und dabei vermitteln, mit welchem Enthusiasmus und welcher Freude die Arbeit auf dem Hof erledigt werde. Es gebe so viele positive Beispiele, die auch in den eigenen Reihen „Mut machen für die Zukunft“.

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