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topplus Krisenfeste Landwirtschaft

"Lass uns reden": Wie bekommen junge Landwirte mehr Wertschätzung und Perspektiven?

Was bedeutet eine krisenfeste Landwirtschaft, wollten F.A.Z. und top agrar wissen. Es zeigt sich, dass es vor allem um die Wertschätzung für die Arbeit von Landwirtinnen und Landwirten geht.

Lesezeit: 7 Minuten

Unsere Landwirte brauchen eine sichere, unabhängige Zukunft und mehr Wertschätzung aus Gesellschaft, Politik und Handel für die heimischen Produkte. Diese Wünsche waren Tenor der Diskussionsveranstaltung „Lass uns reden“ von top agrar und den F.A.Z.-Konferenzen in Zusammenarbeit mit Bayer, BayWa, Südzucker und QS am Dienstagabend in Berlin.

Denn die Landwirtschaft steht unter einem enormen Druck: neben Dürren, steigenden Kosten und volatilen Erzeugerpreisen stehen die Landwirtinnen und Landwirte vermehrt kritischen Stimmen und Diskussionen um Nachhaltigkeit und Artenschutz gegenüber. Immer mehr Landwirte stellen sich diesen Problemen und finden Lösungswege, um Tierwohl, Biodiversität und Nachhaltigkeit mit einer sicheren und ökonomischen Nahrungsmittelproduktion zu vereinbaren.

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„Veränderungsbereitschaft muss gewürdigt werden“

Dass es den Landwirten um den Schutz ihrer Branche geht und diese krisenfest gemacht werden muss, betonte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) in seinem Eingangsstatement zur Veranstaltung im Berliner Basecamp. „Wenn wir bewahren wollen, was ist, müssen wir etwas ändern“, sagte der Minister. Dabei sei auch sein erklärtes Ziel eine krisenfeste Landwirtschaft.

Aktuell herrsche ein massiver Handlungsdruck, um vor allem die Tierhaltung zukunftsfest aufzustellen, so der Minister. „Unsere Landwirte sind längst veränderungsbereit, aber sie erwarten völlig zurecht eine verlässliche Perspektive, damit diese Veränderungsbereitschaft auch gewürdigt wird.“ Im Sinne der Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Kommission arbeite das BMEL nun an Möglichkeiten, sodass Landwirte auch in Zukunft von ihrer Arbeit leben können.

Er wolle der jungen Generation Perspektiven schaffen, sodass diese „auch in 20 bis 30 Jahren noch Landwirte werden wollen“. Dazu zähle auch die einheitliche Herkunftskennzeichnung und der Umbau der Tierhaltung. „Unsere Bäuerinnen und Bauern waren zu lange die Leittragenden. Es braucht jetzt Klarheit und Verlässlichkeit für sie.“

Unsere Bäuerinnen und Bauern waren zu lange die Leittragenden. Es braucht jetzt Klarheit und Verlässlichkeit für sie.“
Cem Özdemir

Für eine sichere Zukunft gehöre, laut Özdemir auch, die Entfremdung zwischen Stadt und Land zu überwinden: „Ich fände es toll, wenn jedes Kind aus der Stadt ein Praktikum in er Land- oder Forstwirtschaft macht.“ So könne mehr Wertschätzung schon bei den Kleinen geschaffen werden.

Junglandwirte brauchen Sicherheit

Für die vom Agrarminister angesprochene „Junge Generation“ saß Theresa Schmidt, Landwirtin und Vorsitzende des Bundes der deutschen Landjugend auf der „Lass uns reden“-Bühne. Für sie stehe es nicht zur Debatte, den Familienbetrieb mit Ackerbau und Rinderhaltung nicht weiterzuführen. Dennoch verstehe sie viele Berufskolleginnen und -kollegen, denen die Kraft dazu fehle.

Tierwohl und nachhaltige Landwirtschaft sei in ihrer Generation ein Standard. Dass das von der Gesellschaft nicht gesehen werde, führe zu einem Unwohlsein unter den jungen Landwirten. „Wir wirtschaften und denken in Generationen“, so Schmidt. Die aktuelle Situation in der Agrarpolitik trage jedoch dazu bei, dass sich viele Hofnachfolge gegen die Betriebsübernahme entscheiden.

Die Landwirtschaft ist ein hohes Gut. Sie bringt uns Wohlstand und sichert unsere Lebensmittel.“
Theresa Schmidt

Für einen nachhaltigen Umbau der Tierhaltung gelte es, ihrer Meinung nach, die vorhandenen Pläne der Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Kommission umzusetzen und dabei nicht parteipolitisch zu denken: „Die Landwirtschaft ist ein hohes Gut. Sie bringt uns Wohlstand und sichert unsere Lebensmittel.“ Die Branche sei gesamtgesellschaftlich zu wichtig, um sie für Parteiprogramme und Regierungsstreitigkeiten auszunutzen.

Landwirte haben den wichtigsten Beruf, den es gibt

Als Vertreterin der Wirtschaft sieht Dr. Marlen Wienert, Vorstandsmitglied der BayWa AG, die Landwirtschaft als den wichtigsten aller Berufe. In den letzten 100 Jahren habe die BayWa die Landwirte bei und mit Innovationen unterstützt, um den Zielkonflikte zwischen steigender Bevölkerungszahl und einer nachhaltigen Landwirtschaft zu lösen.

Für die Zukunft brauche die Landwirtschaft daher neben ökonomischer und ökologischer Sicherheit auch und mitunter eine soziale Perspektive, so Wienert. Einerseits müsse das Bewusstsein für eine Veränderung in der Bevölkerung ankommen. Andererseits könne die Wertschätzung der Verbraucher gegenüber der Landwirte von klein auf, unabhängig von der Politik, durch Programme in Schulen und auf Betrieben gefördert werden.

Ich wünsche mir, dass Landwirte so viel Wertschätzung bekommen, dass sie ohne politische Hilfen von ihren Produkten leben können."
Dr. Marlen Wienert

In Deutschland gebe der Verbraucher vergleichbar wenig seines Einkommens für Lebensmittel aus. Das müsse sich ändern, meint Wienert: „Ich wünsche mir, dass wir unabhängig von der Politik Landwirtschaft betreiben können, und die Landwirte so viel Wertschätzung bekommen, dass sie ohne politische Hilfe leben können.“

„Tierhaltung muss artgerechter werden“

Die Forderung nach mehr Wertschätzung für die Landwirte unterstützte auch Patrick Müller von der Initiative Provieh: „Die Landwirtschaft wird und kann sich ändern“, für die gesellschaftliche Akzeptanz müsse sich aber auch die Tierhaltung massiv ändern. Provieh engagiere sich deswegen dafür, dass es den Tieren gut gehe, unabhängig davon, ob der Betrieb eine Ökozertifizierung habe oder nicht.

Die Anforderungen der Gesellschaft würden weiter ansteigen und der Absatz hochwertiger Produkte habe in den vergangenen Jahren zugenommen, sagte Müller. Damit die Verbraucher diese Produkte aber auch kaufen, müssten sie im Laden klar erkennbar sein.

Wir brauchen einen Plan, wie wir die Tierhaltung umbauen und in Richtung artgerechter Haltung verbessern.“
Patrick Müller

„Wir brauchen einen Plan, wie wir die Tierhaltung umbauen und in Richtung artgerechter Haltung verbessern.“ Das nötige Geld dafür müsse, so Müller, aus öffentlichen Töpfen zur Verfügung gestellt werden und dürfe nicht von den Landwirten selbst genommen werden.

„Haltungsumbau ist nicht bezahlbar“

Dass die Wertschätzung aus Politik und Gesellschaft fehlt, macht auch Landwirt und Milchkuhhalter Matthias Everinghoff deutlich: „Es wird nicht wertgeschätzt, was wir schon geschafft haben.“ Die Landwirte in Niedersachsen hätten in den vergangenen Jahren verstärkt gegen den vorherrschenden Düngerüberschuss angekämpft und diesen im Großteil des Landes minimiert, trotzdem werde ihnen dieses Problem immer wieder vorgehalten.

„Die Ziele von Herrn Özdemir sind toll, aber wir müssen sie auch umsetzen können“, sagt Everinghoff. Durch die vielen Auflagen verbringe er viel Zeit am Schreibtisch, die er eigentlich im Stall und auf den Feldern nutzen müsse. Kleinere Betriebe müssten dort häufig zurückstecken. Er selbst stehe nicht gegen die Ziele des Ministeriums, sehe aber „dass der vorgeschriebene Weg die Landwirte in den Wahnsinn“ treibe.

Die Ziele von Herrn Özdemir sind toll, aber wir müssen sie auch umsetzen können.“
Matthias Everinghoff

Im „Blindflug“ die Haltungsbedingungen zu erhöhen, sei für ihn und seine Berufskollegen aktuell nicht machbar. „Wir alle arbeiten daran, mehr für unsere Tiere zu tun“, aber der benötigte Aufpreis, auf die erzeugten Produkte gehe dabei über 30 % deutlich hinaus, was sozial schwächere Haushalte ausschließen würde.

„Wir brauchen einen Konsens mit einem Fahrplan der uns auch Geld einbringt“, sagt Everinghoff. Dazu müsse auch der Handel einbezogen werden. Es brauche Kontrollen im Lebensmitteleinzelhandel, denn aktuell verdiene der Landwirt nichts, obwohl die Verbraucher mehr bezahlen müssen. „Wenn wir da nicht anpacken, schaffen wir auch keinen Mehrwert für die Landwirtschaft.“

Lass uns reden“ geht in die dritte Runde: Am 6. Juni treffen wir uns erneut um 19:00 Uhr im Berliner o2 Basecamp. Dann widmen wir uns dem Thema Lebensmittelsicherheit und werfen einen Blick auf die gesamte Produktionskette – vom Trog bis auf den Teller. Die Teilnahme vor Ort oder über den Livestream ist kostenlos. Informationen zum Programm sowie die Anmeldung finden Sie hier.

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