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Linke fordert Schutz vor außerlandwirtschaftlichen Investoren

Kirsten Tackmann will Anteilskäufe unter Genehmigungsvorbehalt stellen und Investoren von der EU-Agrarförderung ausschließen. Direktzahlungen sollten an soziale Kriterien gebunden sein.

Lesezeit: 15 Minuten

Ein entschiedenes Vorgehen gegen außerlandwirtschaftliche Investoren fordert die agrarpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Dr. Kirsten Tackmann. Im Interview mit AGRA-EUROPE bekräftigt die Abgeordnete ihre Forderung, Anteilskäufe in der Landwirtschaft unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen. Dies sei überfällig, nachdem mit dem Einstieg von Investoren in Großunternehmen längst Tatsachen geschaffen worden seien.

Nach ihrer Einschätzung sind Betriebe durch „feindliche Anteilsübernahmen“ bedroht. Damit gehe das Profitstreben einzelner zu Lasten der ostdeutschen Landwirtschaft insgesamt, weil es Vorurteile bediene sowie die gesellschaftliche und politische Akzeptanz untergrabe.

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Tackmann spricht sich dafür aus, außerlandwirtschaftliche Investoren von der EU-Agrarförderung auszuschließen. Ein wesentliches Instrument dazu ist für sie eine Bindung der Direktzahlungen an soziale Kriterien. Dazu zähle die Beschäftigung von Arbeitskräften. Eine pauschale Kappung und Degression lehnt die Brandenburgerin ab, weil damit unter anderem Betriebe mit vergleichsweise hoher Beschäftigung bestraft würden. Die Parlamentarierin mahnt ein bundeseinheitliches Vorgehen in der Bodenpolitik an. Gegebenenfalls müsse darüber diskutiert werden, das landwirtschaftliche Bodenrecht wieder in die Zuständigkeit des Bundes zu überführen.

„Klein gleich gut und groß gleich böse“

Tackmann beklagt ein nach wie vor ungenügendes Verständnis für die Besonderheiten der ostdeutschen Landwirtschaft in der politischen Diskussion. Erst allmählich stellt sie eine wachsende Bereitschaft fest, intensiver über Formen des gemeinschaftlichen Wirtschaftens nachzudenken. So werde viel ernster über betriebliche Kooperationen und Genossenschaften diskutiert als noch vor einigen Jahren, „als sie noch bei vielen als Relikte des Sozialismus verschrien waren“.

Gleichzeitig werde aber auch wieder stärker nach dem Prinzip „klein gleich gut und groß gleich böse“ argumentiert. Dadurch wachse auch die Gefahr, dass die Landwirtschaft in Ostdeutschland zum Verlierer der anstehenden Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) werden könnte.

Für ihre Partei nimmt die Brandenburgerin in Anspruch, „mit Wissen“ über die ostdeutschen Verhältnisse zu diskutieren und sie differenziert zu beurteilen. „Ich stehe nicht für möglichst große Betriebe, die möglichst billig für Konzerne produzieren“, sagt Tackmann. Ihr gehe es vielmehr um „gemeinsame, naturgemäße Bewirtschaftung, Ortsansässigkeit und Ausrichtung auf regionale Versorgung“.

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Es ist fünf nach zwölf

Das ganze Interview im Original:

AGRA-EUROPE: 30 Jahre nach dem Mauerfall steht die ostdeutsche Landwirtschaft vergleichsweise gut da. Sind Sie zufrieden?

Tackmann: Nur teilweise. Viele Betriebe habe es geschafft, sich an neue Bedingungen anzupassen und ihren Weg zu gehen. Das verdient Anerkennung. Schade ist aber, dass mit Besonderheiten der ostdeutschen Landwirtschaft oft respektlos umgegangen wird.

Was meinen Sie?

Tackmann: Erst allmählich und 30 Jahre nach der Einheit stelle ich eine wachsende Bereitschaft fest, intensiver über Formen des gemeinschaftlichen Wirtschaftens nachzudenken. Über betriebliche Kooperationen und Genossenschaften in der Landwirtschaft wird viel ernsthafter als noch vor einigen Jahren diskutiert, als sie noch bei vielen als Relikte des Sozialismus verschrien waren.

Ist die Linke die Fürsprecherin der Großbetriebe in der Landwirtschaft?

Tackmann: Nein, das ist viel zu pauschal. Wir schauen schon genauer hin. Weder klein noch groß sind Werte an sich.

Nach der Wende war es jedoch vor allem die Linke, die sich als Lordsiegelbewahrerin der großbetrieblichen Agrarstruktur hervorgetan hat.

Tackmann: Na ja, eine Schleifung gewachsener Strukturen wie durch die Treuhand hätte auch Bewahrenswertes zerstört. Seit den neunziger Jahren ist die Linke die Stimme, die tatsächlich mit Wissen über die ostdeutschen Verhältnisse diskutiert hat, während andere sich vielfach von Klischees leiten ließen. Deswegen haben wir natürlich einen Anteil daran, dass Strukturen erhalten und nicht alle zerschlagen wurden.

Sind diese Strukturen heute die Grundlage dafür, dass die Entwicklung aus den Fugen zu geraten droht, Stichwort „Investorenlandwirtschaft“?

Tackmann: Jein. Genossenschaften können sich sogar besser gegen Übernahmen wehren, und auch vor dem Zweiten Weltkrieg waren ostdeutsche Agrarstrukturen anders als in Süddeutschland. Wir haben nie große Unternehmen per se verteidigt, die aus den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften entstanden sind. Wir haben genau hingeschaut, zum Beispiel auf soziale Leistungen. Wir haben uns allerdings mit Nachdruck dagegen gewehrt und tun dies weiter, alle über einen Kamm zu scheren, nach dem Motto „groß ist schlecht und klein ist gut“ zu verfahren und Politik danach auszurichten. Wir wollten einen Beitrag leisten, dass genauer auf das Geschäftsmodell geschaut wird und ostdeutschen Besonderheiten mit Respekt begegnet wird.

Waren Sie erfolgreich?

Tackmann: Da habe ich meine Zweifel.

Warum?

Tackmann: Ich streite mich seit Jahren mit Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, die immer noch und immer wieder nach dem Prinzip „klein gleich gut und groß gleich böse“ argumentieren und nicht bereit sind, zu differenzieren. Das bedeutet aber auch, dass der Umkehrschluss „groß ist immer gut“ genauso falsch ist. Ich stehe nicht für möglichst große Betriebe, die möglichst billig für Konzerne produzieren. Mein Konzept ist vielmehr das einer gemeinsamen, naturgemäßen Bewirtschaftung, wie sie auch in Genossenschaften praktiziert wird. Wesentliche Elemente sind ferner Ortsansässigkeit und die Ausrichtung auf regionale Versorgung.

Sind Sie die einsame Ruferin in der linken Wüste?

Tackmann: Nein. Ich gebe aber zu, dass in der Linken zwar soziale Aspekte im Vordergrund stehen, aber dennoch nicht alle im Blick haben, dass es auch um eine tragfähige Landwirtschaft und gute Arbeit gehen muss. Ein gewisses Misstrauen in der Landwirtschaft gegen linke Agrarpolitik nährt beispielsweise die Eigentumsfrage. Die Linke stellt Privateigentum nicht in Frage, will aber ein breit gestreutes Bodeneigentum, keinen Verkauf öffentlichen Bodeneigentums und die strikte Durchsetzung von Artikel 14 Grundgesetz: Eigentum verpflichtet und muss zum Gemeinwohl verwendet werden.

Die ostdeutschen Agrarpolitiker rücken parteiübergreifend wieder enger zusammen. Das zeigt die Diskussion um die anstehende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik. Droht die Landwirtschaft in den neuen Ländern zum Verlierer zu werden?

Tackmann: Diese Gefahr besteht. Sie ist umso größer, je stärker an dem Prinzip der billigen Warenproduktion festgehalten wird, denn ohne regionale Verarbeitung und Vermarktung fehlt auch Wertschöpfung. Auch die Lösung der unbestrittenen ökologischen Probleme darf nicht auf Kosten der geringen landwirtschaftlichen Einkommen gehen. Es geht eben nicht nur um Ökologie, sondern auch um soziale Folgen von politischen Entscheidungen. Die scheinen mir in der gegenwärtigen Agrarwendediskussion zu kurz zu kommen. Deswegen ist es zwingend, dass die ostdeutschen Agrarpolitiker sich austauschen und nach Gemeinsamkeiten suchen.

Das Zusammenrücken hat sicher auch mit der Diskussion um Kappung und Degression der Direktzahlungen zu tun. Ist der ostdeutsche Schulterschluss die Antwort auf zunehmende Forderungen in fast allen Parteien nach Deckelung der Zahlungen?

Tackmann: Es ist wichtig, dass der Osten in dieser Frage mit einer Stimme spricht.

Lehnen Sie Kappung und Degression grundsätzlich ab?

Tackmann: Eine pauschale Deckelung und Staffelung der Direktzahlungen nach der Betriebsgröße sehen wir sehr skeptisch. Wir wollen aber zum Beispiel, dass landwirtschaftsfremde Investoren ganz aus der Förderung herausgenommen werden, weil wir dieses Geschäftsmodell für nicht geeignet halten, eine gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft zu gewährleisten.

Wie wollen Sie das erreichen?

Tackmann: Indem man zum Beispiel die Zahlungen auch an soziale Kriterien bindet, um ein solches Geschäftsmodell nicht zu ermöglichen. Dazu zählt die Beschäftigung von Arbeitskräften in einem Betrieb. Wir dürfen durch Kappung und Degression der Direktzahlungen nicht die Betriebe in Ostdeutschland bestrafen, die noch relativ viele Menschen beschäftigen, etwa weil sie Tiere halten. Ich kenne keinen landwirtschaftlichen Investor, der in Größenordnungen Leute beschäftigt und einen diversifizierten Betrieb führt. Eine strikte Bindung von Fördermitteln an soziale und ökologische Ziele könnte aus meiner Sicht dazu beitragen, dass die Gelder nicht bei denen landen, die nicht auch für das Gemeinwohl arbeiten.

Eine Bindung der Direktzahlungen an Arbeitskräfte ist bekanntermaßen bürokratisch und wenig effizient. Wie verträgt sich das mit der allseits geforderten Vereinfachung der GAP?

Tackmann: Es gibt ganz sicher sehr viele andere Stellen mit überbordender Bürokratie. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind ohnehin registriert, so dass man keine neuen Daten erheben müsste. Bei Familienbetrieben, die ich selbstverständlich auch nicht treffen will, müsste man mitarbeitende Familienmitglieder mitberücksichtigen. Das ginge über standardisierte Angaben. Unerlässlichen Bürokratieabbau in der Landwirtschaft kann man mit risikoorientierten Kontrollen und Bagatellregelungen erreichen. Wir ziehen jedem Tier eine Ohrmarke rein und registrieren es. Wieso sollen dann Arbeitskräfte nicht erfasst werden können?

Der Wissenschaftliche Beirat spricht sich in seiner jüngsten Stellungnahme dafür aus, die Basisprämie schrittweise abzubauen und die Mittel der Ersten Säule künftig nur noch für Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen sowie zur Förderung des Tierwohls einzusetzen. Ist das die Gemeinwohlorientierung, die die Linke in ihrer GAP-Position fordert?

Tackmann: Die Ziele teile ich komplett. Wir müssen das Geld gezielt für Maßnahmen in den genannten Bereichen einsetzen. Allerdings darf das nicht nur auf freiwilliger Grundlage passieren. Bestimmte Anforderungen müssen verpflichtend geregelt werden. Auch diejenigen Betriebe sollen Gemeinwohlleistungen erfüllen, die es von sich aus nicht tun würden. Klar ist allerdings, dass die Honorierung von Gemeinwohlleistungen mehr sein muss als Kostenerstattung. Wir brauchen daher dringend eine Einkommenskomponente als zusätzlichen Anreiz, etwa für effektiven Insektenschutz.

Soll die GAP in Zukunft noch zur Einkommensstützung beitragen?

Tackmann: Ja. Aber eben nicht über eine fast bedingungslos gewährte Flächenprämie, sondern über Zuschläge bei der Honorierung von erbrachten öffentlichen Leistungen. Wir sollten allerdings die Einkommensdiskussion weniger unter den Vorzeichen der Prämienzahlungen führen. Es darf nicht nur um Symptome, sondern es muss um die strukturellen Ursachen gehen. Da landen wir schnell bei Marktungleichgewichten und der Übermacht von großen Konzernen gegenüber den landwirtschaftlichen Urproduzenten. Solange sich daran nichts ändert, werden wir das Einkommensproblem in der Landwirtschaft nicht lösen. Die Änderung geht eben nur über eine Abkehr von der bisherigen Fokussierung allein auf Kostenminimierung in der Produktion.

Die Diskussion um die Zukunft der Tierhaltung ist in vollem Gange. Welche Tierhaltung wollen Sie?

Tackmann: Eine Orientierung am Weltmarkt haben wir immer kritisch gesehen, weil damit die hierzulande gewünschten Tierschutzstandards nicht zu erfüllen sind. Daran wird sich auch nichts ändern. Unser Ansatz ist der einer Orientierung auf die Versorgung der Bevölkerung, möglichst in der Region. Dann wird auch wieder wahrgenommen, dass die Landwirtschaft von existenzieller Bedeutung ist. Dies hilft zudem bei einer Neuaufstellung der Tierhaltung, in der wir das Tier nicht als Teil des Produktionsprozesses, sondern als Mitgeschöpf betrachten. Das muss mit den Menschen diskutiert werden. Ich bin sicher, dass die allermeisten bereit sein werden, tierischen Lebensmitteln eine höhere Wertschätzung entgegenzubringen und sich dies auch im Kaufverhalten niederschlagen wird, wenn das Geld am Ende nicht doch wieder in den Konzernzentralen landet.

Das zeigt sich bislang nur bedingt im Kaufverhalten.

Tackmann: Umso wichtiger ist es, diese gesellschaftliche Diskussion zu intensivieren. Auf der anderen Seite führt keinesfalls jede Standardanhebung zu höheren Kosten, im Gegenteil. Beispielsweise führen Verbesserungen in der Tiergesundheit zur Kostensenkung. Gleichzeitig erwarte ich, dass der Lebensmittelhandel und die Schlachtindustrie ihren Beitrag für mehr Tierwohl leisten, auch finanziell. Das Thema betrifft nicht nur Tierhalter und die Verbraucherschaft.

Welchen Stellenwert hat die Frage der künftigen Tierhaltung in der politischen Diskussion?

Tackmann: Sie ist angekommen, und es bewegt sich was. Das nehme ich gern zur Kenntnis, nachdem mir lange Zeit vorgehalten wurde, es sei nun mal der Weltmarkt, der alles richte und daran müsse sich auch die Linke gewöhnen. Inzwischen ist die Erkenntnis gewachsen, dass es der Markt allein nicht im Interesse der Landwirte, der Tiere und von uns allen gerecht regelt. Wir brauchen und wollen andere Konzepte.

Welche Bedeutung messen Sie dabei einem staatlichen Tierwohllabel bei?

Tackmann: Eine wichtige, wenn es verpflichtend ist. Leider geht Julia Klöckner mit ihrem freiwilligen Label einen anderen Weg, den selbst die Wirtschaft inzwischen ablehnt.

Sie kennen die rechtlichen Probleme, die einem verpflichtenden nationalen Tierwohllabel entgegenstehen. Ist nicht der Einstieg über ein freiwilliges Zeichen daher sinnvoll?

Tackmann: Angesichts der Vielzahl an Labels, die es mittlerweile gibt, wird ein freiwilliges Zeichen verpuffen. Die Verwirrung der Verbraucherinnen und Verbraucher könnte sogar noch zunehmen.

Wissenschaftler bescheinigen einem staatlichen Label einen Vertrauensvorschuss bei den Verbrauchern. Das teilen Sie nicht?

Tackmann: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Dafür geht die Ministerin viel zu zögerlich an die Kriterien heran. Klöckner scheut die Auseinandersetzung mit den großen Schlachtkonzernen. Das haben wir bei der Ferkelkastration ja auch gesehen. Sie gibt klein bei, anstatt klare Anforderungen zu stellen. Ein Label, das in erster Linie den Interessen der Konzerne folgt, nützt niemandem.

Was sind für Sie die größten Baustellen in der Tierhaltung derzeit?

Tackmann: Wir müssen die Tierbestände deckeln, und zwar sowohl am Standort als auch in den Regionen, unter anderem weil mit der Afrikanischen Schweinepest ein Damoklesschwert über uns hängt, das jederzeit herunterkommen kann und in Gebieten mit hoher Konzentration verheerende Auswirkungen hätte. Beispielsweise gibt es in Brandenburg einen Bestand mit 60 000 Schweinen an einem Standort, eine Größenordnung, die weder unter seuchenhygienischen noch unter Umweltaspekten vernünftig ist. Daher ist die Frage der Flächenbindung der Tierhaltung von zentraler Bedeutung. Wir brauchen eine integrierte tierärztliche Betreuung der Bestände. Ich möchte erreichen, dass Tierärzte nicht für die Behandlung von kranken Tieren bezahlt werden, sondern für die Gesunderhaltung von Tieren. Das ist auch deshalb notwendig, weil viele Tierhalter natürlich wollen, dass ihre Tiere besser gehalten werden, aber manchmal auch gar nicht wissen, welche Defizite bestehen oder wie sie diese beseitigen können.

In der Bodenpolitik zählen Sie seit Jahren zu den Treibern. Sehen Sie schon Früchte Ihrer Arbeit?

Tackmann: Ein bisschen was hat sich bewegt, leider zu wenig und zu spät. Was den Einstieg von Investoren angeht, sind längst Tatsachen geschaffen worden. Eigentlich ist es schon fünf nach zwölf.

Sie haben sich wiederholt öffentlich dafür ausgesprochen, Anteilsverkäufe zu verbieten oder zumindest unter Vorbehalt zu stellen. Gerade dieses Vorhaben stößt in der ostdeutschen Landwirtschaft auf großen Widerstand, wie zuletzt der Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes (SLB), Wolfgang Vogel, deutlich gemacht hat. Der sagt, „führende Leute in den juristischen Personen haben in den vergangenen Jahrzehnten Werte geschaffen, von denen sie jetzt auch profitieren können müssen". Führen Sie einen vergeblichen Kampf?

Tackmann: Das hoffe ich nicht. Ich höre in den Betrieben ganz andere Stimmen. Ich höre, dass Anteile weggekauft werden und vielleicht der eine oder andere davon profitiert, aber nicht der Betrieb. Deswegen müssen Anteilskäufe unter Genehmigungsvorbehalt gestellt werden. Das mit dem Argument abzulehnen, es müsse Einzelnen erlaubt sein, Kasse zu machen, bedient nur Vorurteile gegenüber der ostdeutschen Landwirtschaft und untergräbt deren gesellschaftliche und politische Akzeptanz. Da könnte sich mancher in seinem Verdacht bestätigt fühlen, ehemalige LPG-Vorsitzende hätten sich in der Wendezeit ihre Pfründe gesichert, die sie jetzt zu einem Vielfachen des damaligen Wertes verscherbeln wollen.

Das soll schon mal vorgekommen sein…

Tackmann: Das habe ich nie bestritten. Deswegen haben wir als Linke auch nie generell oder grundsätzlich Großbetriebe verteidigt, sondern immer hingeschaut, wer wie arbeitet. Ich kenne viele Verantwortliche in Genossenschaften oder anderen Betrieben, die alles daransetzen, ihre Betriebe zu erhalten und in eine gute Zukunft zu führen. Wahrscheinlich war es ein Fehler, die Umwandlung von LPG in GmbH zuzulassen, denn Genossenschaften sind eher in der Lage, sich gegen feindliche Übernahmen von Anteilen zu wehren. Die Betriebe, die ich unterstützen möchte, werden von Leuten geführt, die nicht nur an diese Generation denken und ihren eigenen Geldbeutel, sondern für die Landwirtschaft und für das Dorf da sind, und die auch eine Perspektive für den Betrieb wollen. Die denken nicht über solche Anteilsverkäufe nach, sondern werden durch sie in ihrer Existenz bedroht.

Landwirtschaftliches Bodenrecht ist Ländersache. Warum gibt es immer noch keine Initiative eines Landes mit Regierungsbeteiligung der Linken?

Tackmann: Es nützt nichts, wenn ein Land vorangeht und scheitert. Brandenburg hat ja einiges auf den Weg gebracht, aber vieles muss bundeseinheitlich geregelt werden. Ein zersplittertes Bodenrecht bedeutet ein großes rechtliches Risiko, weil Investoren überregional unterwegs sind und auf Gleichbehandlung klagen könnten. Der Bund ist weiter gefordert, nicht zuletzt weil die Regulierung von Anteilskäufen auch in seine Zuständigkeit fällt. Ich persönlich könnte mir auch vorstellen, dass landwirtschaftliche Grundstücksverkehrsrecht wieder auf die Bundesebene zu heben.

Die GroKo nähert sich der Halbzeit. Wie fällt Ihre Bilanz für den Agrarbereich aus?

Tackmann: Wenig wurde erreicht, Probleme wurden überwiegend verschleppt. Nach dem fulminanten verbalen Start der Bundeslandwirtschaftsministerin ist leider nicht mehr viel gekommen. Ein Beispiel ist für mich die Ferkelkastration. Die erneute Fristverlängerung war ein Einknicken vor den Schlachtkonzernen. Die Isoflurannarkose schickt die ganze Branche in eine teure Sackgasse. Das hat keinem geholfen.

Sollte sich im Bund mal eine grün-rot-rote oder rot-rot-grüne Mehrheit abzeichnen, was würde das für die Agrarpolitik bedeuten?

Tackmann: Inhaltlich kann ich mir das vorstellen, auch wenn sich die Grünen derzeit sehr flexibel zeigen und einer Zusammenarbeit mit der Union eher zugeneigt scheinen. Vor allem ihre Enthaltung bei der Ferkelkastration gegen alle wissenschaftliche Kompetenz und gegen das Votum der gesamten Tierärzteschaft hat mich nachdenklich gemacht. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass wir mit einer Orientierung an Fachlichkeit zusammenkommen könnten. Das gilt auch für die SPD. Auf viele agrarpolitische Fragen brauchen wir gesellschaftspolitische Antworten. Das ist mit der SPD bei gutem Willen denkbar.

Vielen Dank für das Gespräch.

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