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topplus Globale Ernährungskrise

Löwenstein für temporäre Einschränkung der europäischen Schweinefleischerzeugung

Der ehemalige BÖLW-Vorsitzende erhofft sich so eine bessere Versorgung bedürftiger Staaten mit Getreide und damit eine Entschärfung der Ernährungskrise.

Lesezeit: 5 Minuten

Spitzenvertreter des UN-Welternährungsprogramms, Ernährungs- und Klimaexperten sowie die Hilfsorganisation Miserior fordern ein kurzfristiges Maßnahmenpaket zur Linderung der globalen Ernährungskrise. Der ehemalige BÖLW-Vorsitzende und Miserior-Beiratsvorsitzende Dr. Felix Prinz zu Löwenstein nimmt dabei auch die europäischen Schweinehalter in die Pflicht.

Zu Löwenstein plädierte heute in Berlin unter anderem für eine zeitlich begrenzte Reduzierung der europäischen Schweinebestände. Damit soll der Bedarf für Futtergetreide am Weltmarkt kurzfristig sinken, wovon sich Löwenstein einen Rückgang der internationalen Getreidepreise erhofft. Ärmere Nationen sollen so leichter an Getreide vom Weltmarkt kommen und ihre Bevölkerung besser versorgen können.

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Produktionseinschränkung kompensieren

Konkret schlägt Löwenstein vor, den Sauenhaltern eine Kompensation zu zahlen, wenn sie beispielsweise nur die Hälfte ihres Bestandes decken. Mäster sollen ebenfalls Geld dafür erhalten, dass sie ihre Ställe nur zu 50 % belegen.

Dadurch soll einerseits das europäische Schweineangebot binnen drei Monaten deutlich abnehmen, mit dann entsprechend sinkendem Futterbedarf. Zugleich erwartet Löwenstein unmittelbar nach Ankündigung eines solchen Bestandsreduktionsprogramms schon Preisnachlässe an den internationalen Terminbörsen.

Die Maßnahme soll zeitlich auf wenige Monate begrenzt bleiben, um Kompensationseffekte in Drittländern zu vermeiden. Löwenstein geht jedenfalls nicht davon aus, dass etwa Brasilien in so einem Fall seine Fleischerzeugung ausbauen und nach Europa exportieren würde.

Veränderungen dringend notwendig

Er erwartet durchaus Widerstand von den deutschen und europäischen Tierhaltern gegen diese Idee. Der ehemalige BÖLW-Chef erinnert die Landwirte aber daran, dass die wirtschaftlichen Probleme und der galoppierende Strukturwandel in der Schweinehaltung Folge des bestehenden Systems seien. Dieses treibe die Bauern in den Ruin, weshalb eine Diskussion über Veränderungen ohnehin dringend notwendig sei.

Löwenstein räumte ein, dass die Chance auf ein gemeinsames Vorgehen innerhalb der Europäischen Union nicht groß sei. Das dürfe aber kein Grund sein, es nicht zu versuchen. Auch die Politik sei hier gefordert, stellte der Miserior-Vertreter klar. Diese müsse den Mut aufbringen, den Menschen in den Ländern des Westens auch in dieser Phase weitere Preissteigerungen zuzumuten.

Der Miserior-Beiratsvorsitzende kritisierte, dass heute ein großer Teil der in der Ukraine beladenen Schiffe an Afrika vorbeifährt und ihre Ladung in Rotterdam abbunkert, von wo aus das Getreide fast ausschließlich im Futtertrog lande. Nicht gelten lassen will er das Argument, es handle sich schließlich nur um Futtergetreide:

Man kann auch Mais essen und aus Weizen mit niedrigen Eiweißgehalten zumindest Fladenbrot backen.

Löwenstein und die Vertreter der anderen Organisationen drängten zudem auf weitere Maßnahmen, um die Getreidemärkte zu stabilisieren und die Lebensmittelversorgung von Ländern der Dritten Welt zu verbessern.

Sie empfehlen grundsätzlich eine Umorientierung hin zu einer mehr pflanzenbasierten Ernährung und eine dauerhafte Reduktion der Tierbestände. Nur so könnten Menschen mit gesunden und überwiegend pflanzlichem Essen versorgt, der landwirtschaftliche Flächenverbrauch reduziert und eine Zunahme von Klimarisiken wie Extremwetter und Missernten begrenzt werden.

Kurzfristig machbar und notwendig wäre laut Löwenstein auch eine deutliche Verringerung oder sogar der Ausstieg aus dem Einsatz von Getreide im Biosprit.

Der Direktor des UN-Welternährungsprogramms für Deutschland, Österreich und Liechtenstein, Dr. Martin Frick, wies darauf hin, dass sich die Zahl der akut Hungernden in den vergangenen drei Jahren auf rund 345 Millionen Menschen erhöht und damit fast verdreifacht habe.

Die aktuelle Krise zeigt nach seiner Auffassung, dass dringend strukturelle und langfristige Investitionen notwendig sind, um in den ärmeren Ländern der Welt eine kleinbäuerliche, nachhaltige und unabhängige Landwirtschaft aufzubauen. Dafür müsse dort der Zugang zu Krediten und Produktionsmitteln erleichtert werden.

In der aktuellen Situation hält Frick es zudem für sinnvoll, eventuelle Haushaltsreste im Bundeshaushalt dafür zu verwenden, Länder der Dritten Welt beim Einkauf von Getreide finanziell zu unterstützen.

Welternährung sichern

Der Agrarökonom Prof. Hermann Lotze-Campen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) erinnerte an die in Folge des Klimawandels deutlich zunehmenden Risiken für die Landwirtschaft. Trotz der unbestreitbaren Leistungen der Landwirte zur Ernährungssicherung seien nun Anpassungen notwendig, um die Welternährung zu stabilisieren und den Artenverlust zu stoppen.

Eine Verkleinerung der Tierbestände reduziert laut Lotze-Campen den Flächenanspruch, schont die Ökosysteme und senkt die Emissionen des Agrarsektors.

Der Potsdamer Agrarökonom sieht auch in einer Ernährungsumstellung der Verbraucher einen wichtigen Beitrag zur Lösung bestehender Zielkonflikte. Diese könnten mit einer Änderung ihres Verzehrsverhaltens auf einen vor allem pflanzenbasierten Speisezettel ihren Teil zu einer klimaverträglichen Agrarwirtschaft leisten, so Lotze-Campen.

Steuern auf Obst und Gemüse runter

Auf der politischen Seite spricht sich der Wissenschaftler für eine Mehrwertsteuersenkung auf Obst und Gemüse sowie wenig verarbeitete Vollkornprodukte aus. Für notwendig erachtet er ebenfalls eine Tierwohlabgabe. Außerdem plädiert Lotze-Campen für die Einrichtung einer dauerhaften Zukunftskommission für die Landwirtschaft, die regelmäßige Empfehlungen für eine umwelt- tier- und klimagerechte Agrarwirtschaft abgeben soll.

Politik muss Rahmen setzen

Mehr Vor- als Nachteile in einer pflanzenreichen Ernährung sieht auch die Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin, Prof. Anja Bosy-Westphal. Sie fordert deshalb, dass eine solche Ernährungsweise die attraktivste, günstigste und einfachste Alternative für die Verbraucher werden müsse. Dafür müsse die Politik den Rahmen setzen, auch mit Blick auf „wahre Preise, Teilhabe, verbindliche Kennzeichnung und die Umgestaltung der Ernährungswelten“, so Bosy-Westphal.

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