Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

topplus News

Maria Heubuch:„Arbeitskräfte zu 100 Prozent vom Staat zu finanzieren, ist ökonomischer Unsinn“

Sommerinterviews 2018 Agrar und Ernährung. Heute: MARIA HEUBUCH (59), Die GRÜNEN. Sie bewirtschaftet seit 1990 mit ihrem Mann einen Milchviehbetrieb bei Leutkirch im Allgäu. Sie ist Gründungsmitglied des Verbands für klein- und mittelbäuerliche Familienbetriebe und Mitglied der regionalen gentechnikfreien Anbauregion.

Lesezeit: 8 Minuten

Sommerinterviews 2018 Agrar und Ernährung


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Heute: MARIA HEUBUCH (59), Die GRÜNEN.

Sie bewirtschaftet seit 1990 mit ihrem Mann einen Milchviehbetrieb bei Leutkirch im Allgäu. Sie ist Gründungsmitglied des Verbands für klein- und mittelbäuerliche Familienbetriebe und des Zusammenschlusses Europäischer Milcherzeuger (EMB) und Mitglied der regionalen gentechnikfreien Anbauregion. Bis 2014 war sie Bundesvorsitzende der AG bäuerliche Landwirtschaft e.V. (AbL). 2014 wurde sie für die Grünen ins Europaparlament gewählt. Im EU-Parlament ist sie in der Agrarpolitik und Entwicklungszusammenarbeit engagiert. Sie macht sich für die Zukunft der Junglandwirte stark und kämpft gegen die fortschreitende Landkonzentration in der EU.

 

top agrar: Die Reform der GAP 2020 ist angesichts des Brexit, der angekündigten Kürzungen des Agrarbudgets und der unklaren Bereitschaft der Mitgliedstaaten, mehr Geld nach Brüssel zu überweisen, bisher noch eine Black Box. Was sind die Konsequenzen?

HEUBUCH:Es ist schwierig abzuschätzen, unter den von Ihnen genannten Rahmenbedingungen, ob man dies alles bewältigen kann. Aber ich glaube, wenn man das Geld das wir zur Verfügung haben für die Landwirtschaft sinnvoll einsetzen würde – wobei wir noch gar nicht genau wissen wieviel EU-Mittel es letztlich sein werden… Das ist ja schon mal die erste Krux, dass wir eine Agrarreform diskutieren, ohne zu wissen wieviel Geld wir eigentlich zur Verfügung haben. Keine private Firma würde so etwas machen, aber wir schon.


Wohl wahr.

(lacht) - Ja das stimmt doch! Wenn wir das Geld, aus EU-Steuermitteln, das uns zur Verfügung steht ganz gezielt verwenden würden, und wirklich jeden Euro und jeden Cent binden an gesellschaftliche Leistungen, ob für Tierwohl, für Umweltleistungen, Klimaschutz oder zur Stützung guter Agrarstrukturen und Biodiversität, wäre dies zukunftsträchtig. Das Thünen-Institut hat in einer Studie unlängst festgestellt, dass je kleiner ein landwirtschaftlicher Betrieb ist, sich umso mehr Biodiversität findet. Wenn wir entsprechend für soziale Strukturen, Klima und Umwelt gezielt Geld ausgeben würden, dann könnte man Vieles bewältigen, was von Gesellschaft und Verbraucher zu Recht erwartet wird.


EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger schlägt die größten Einschnitte in der zweiten Säule vor. Ist das nicht kontraproduktiv?

Selbstverständlich ist das kontraproduktiv. Wenn ich genau da am meisten spare, wo ich am gezieltesten das Geld ausgeben kann und am Wenigsten dort reduziere, wo ich mit der Gießkanne übers Land gehe. Die EU-Kommission wird nicht müde zu sagen, dass man auch in der ersten Säule künftig konditionieren könne - mit den sogenannten `eco schemes`. Aber in Wahrheit sind dies alles nur Kann-Bestimmungen und keine verpflichtenden Maßnahmen, die uns bei der Erreichung der Pariser Klimabeschlüsse wirklich weiterhelfen.

 

Ist das neue Delivery model geeignet, eine success story zu werden?

Wenn man das ganz optimal ausnützen würde - dann bräuchten wir überhaupt kein Säulenmodell, dann würde dies ja eine Qualifizierung bedeuten. Aber da dies alles in der Beliebigkeit bleibt und der Freiwilligkeit der Mitgliedstaaten überlassen werden soll, sehe ich keine Erfolgsgeschichte aufziehen. Ich befürchte, dass die drei ökonomischen Ziele letztendlich stärker gewertet werden als die drei ökologischen Ziele und Klimaziele. Somit ist eine Spirale nach unten zu befürchten. Wer am wenigsten konditioniert und am meisten sich auf Wettbewerbsfähigkeit und auf das augenblickliche Einkommen konzentriert, der wird gewinnen.

 

Eine Hauptkritik am aktuellen EU-Agrarfördersystem lautet, dass künftig nur noch öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen vergeben werden sollten. Ist dies der richtige Ansatz?

Ja sicher. Aber da müssen die öffentlichen Leistungen auch genau definiert werden. Es ist völlig klar, wir reden hier über öffentliche Gelder - Steuergelder eben - und da muss folglich auch eine öffentliche Leistung dahinterstehen. Wenn ich wie bisher nur über die Fläche gieße als Flächenprämie, bleibt dies fragwürdig. Eine öffentliche Leistung des Bauern kann sehr wohl dahinterstehen, wenn er gut wirtschaftet. Das muss aber beim aktuellen System nicht der Fall sein und dann reicht es, wenn ich im Herbst meine Wiesen abmulche. Wo bleibt da die öffentliche Leistung muss da mit Recht die Frage gestellt werden.


Das New Delivery Model sieht mehr Subsidiarität für die Mitgliedstaaten vor. Bedeutet dies eine Chance für eine stärkere Ökologisierung oder nimmt das Ungleichgewicht zwischen den beiden Säulen eher zu?

Ich befürchte, dass das bereits bestehende Ungleichgewicht zwischen den beiden Säulen in der Tat noch ansteigt. Abgebildet auf den Binnenmarkt heißt dies: je weniger Umweltauflagen ich vorschreibe, umso besser reüssiere ich am Markt. Wir dividieren mit dieser Abwärtsspielerale die Länder auseinander und lösen nicht wirklich die drängenden Probleme auf regionaler Ebene. Ich glaube, das könnte nur funktionieren und sich zum Besseren wenden, wenn wir ganz präzise Ziele formulieren, scharfe Indikatoren festlegen und dahinter ein Sanktionsmechanismus steht. Die Ziele müssten dann für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen gelten.

 

Wie soll das konkret aussehen?

Ich will ein Beispiel geben. Wir erleben derzeit viele Debatten um Glyphosat. Wenn wir sagen, ein Umweltziel ist die Pestizidreduktion oder 50 Prozent aller gefährlichen Wirkstoffe - die dann auch klar benannt werden müssen - bis 2027 beispielsweise ausgehend vom Basisjahr 2018. Dann haben wir ein ganz klares Ziel. Es bedarf scharfer Indikatoren, wie dies gemessen und quantifiziert wird sowie eines Sanktionsmechanismus für die Mitgliedstaaten, die die gesetzten Ziele nicht erfüllen. Die jetzt von Hogan vorgelegten Ziele sind widersprüchlich, weil sie keine Ranggleichheit aufweisen. Es gibt keine klar erkennbare Gewichtung. Mit dieser Beliebigkeit werden wir nicht viel erreichen. Die EU-Kommission ignoriert die erdrückende Zahl an wissenschaftlichen Analysen zum ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Versagen der bisherigen EU-Agrarpolitik. Die Reformpläne sind ein Hohn angesichts der Herausforderungen bei Klima, Umwelt, Tierwohl und Höfesterben.


EU-Agrarkommissar Phil Hogan hat die Idee seines Vorgängers Ciolos für eine Kappung und Degression der Flächenprämien neu belebt. Stärkt dies die bäuerliche Landwirtschaft?


Vom Grundsatz her ist eine Kappung richtig. Über die Höhe kann man sich streiten. Aber so wie sie jedoch jetzt aufgesetzt ist, bleibt dies Stückwerk. Es kann nicht sein, dass sämtliche Lohnkosten gegen gerechnet werden können, auch für Arbeitsverhältnisse ohne Sozialversicherungspflicht, wo auch noch fiktive Löhne für den Betriebsinhaber angesetzt werden können und Kosten angeführt werden, die gar nicht entstehen und dies alles noch zu 100 Prozent. Damit ist der Kommissionsvorschlag von vorneherein zum zahnlosen Tiger degradiert. Wenn ich eine Arbeitskraft zu 100 Prozent vom Staat finanziert bekomme, dann stellt dies einen ökonomischen Unsinn dar. Eine Arbeitskraft soll ja Einkommen erwirtschaften, das folglich auch steuerpflichtig anrechenbar sein muss.


Also Sie bejahen ökonomisches Wirtschaften...

…selbstverständlich bejahe ich ökonomisches Wirtschaften. Deshalb bin ich dafür, dass nur sozialversicherungspflichtiges Arbeiten gegenrechnungsfähig sein darf und nur bis zur Hälfte der Lohnsumme. Es soll ja nicht nur eingestellt werden, weil der Staat dies aus Steuergeldern finanziert. Es muss ein ökonomischer Sinn Maßstab der Dinge bleiben. Der zweite Fehler ist, dass hierbei genauer auf die Betriebs-Holdingsstrukturen geachtet werden muss. Wenn jemand den Betrieb teilt und zwei wirklich getrennte Betriebe am Ende entstehen, dann hätte ich nichts dagegen. Wunderbar, dann würden sich die Betriebsgrößenstrukturen eher verbessern. Aber es ist ja zu befürchten, dass Betriebsteilungen unter dem Dach einer Holding die Folge sind. Eine Holding würde dann nicht mehr sechs Gesellschafter, sondern vielleicht 60 Eigentümer ausweisen. Und abkassiert würde weiter locker wie bisher. Solange wir keinen genauen Überblick der Holdingstrukturen haben und die wahren Besitzer nicht namentlich offengelegt werden müssen, solange bleibt dies auch ein zahnloser Tiger.


Das EU-Parlament hat unlängst das Agrar-Statistikgesetz geändert, um mehr Transparenz in die wahren Besitzverhältnisse der europäischen Landwirtschaft zu bringen. Reicht das aus?

Beim neuen EU-Agrar-Statistikgesetz gibt es bedauerlicherweise keine Pflicht zur Namensnennung der Eigentümer. Deutschland hatte sich übrigens dafür ausgesprochen, dass die Namen der Eigentümer mit aufgeführt werden. Was jetzt beschlossen wurde, bleibt Stückwerk. Sicher ist dies eine Sisyphusarbeit, um alle Eigentümer- und Besitzverhältnisse zu dokumentieren. Aber am Ende müssen Ross und Reiter genannt werden. Es muss erkennbar sein, wer gehört zu wem. Nur so erhalten wird einen Überblick über die wahren Strukturen in der europäischen Landwirtschaft. Das jetzt Erreichte ist ein Zwischenschritt, aber wir müssen da noch ambitionierter werden. Nur wenn wir Holdingstrukturen transparent machen können wir die Landkonzentration in den Griff bekommen. In der deutschen Landgesetzgebung ist das gesellschaftliche Ziel einer gesunden Einkommensverteilung im Grundgesetz festgeschrieben. In der erweiterten EU hingegen sind wir auf dem Weg, uns mehr und mehr von diesem Ziel zu entfernen.

top + Top informiert in die Maisaussaat starten

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.