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NRW/Niedersachsen

Mehr Schutz für Fleischarbeiter: Das ist der 10-Punkte Plan

Agrarministerin Klöckner will dafür sorgen, dass es wieder mehr dezentrale Schlachthöfe gibt - wie früher. Sie begrüßt einen von NRW und Niedersachsen vorgelegten 10 Punkte Plan.

Lesezeit: 6 Minuten

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) fordert nach den jüngsten Corona-Ausbrüchen in großen Schlachtbetrieben Konsequenzen für die Branche. Der Saarbrücker Zeitung sagte sie, dass es künftig wieder mehr dezentrale Betriebe geben müsse und auch geben werde. Die Größe der Unternehmen habe direkte Auswirkungen auf die Verbreitung des Erregers gehabt, sagte die Ministerin.

Klöckner kritisierte die Schlachtbetriebe für die Praxis, viele Bereiche an Subunternehmen zu delegieren. Es herrsche "in weiten Teilen organisierte Verantwortungslosigkeit – zulasten der Beschäftigten. Dabei kann und wird es nicht bleiben."

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Vorschlag aus NRW und Niedersachsen

Angesichts der im Zuge der Corona-Pandemie erneut deutlich gewordenen Missstände bei der Unterbringung und den Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in der Schlacht- und Zerlegebranche, haben die Arbeitsminister und Landwirtschaftsministerinnen der von dieser Entwicklung besonders betroffenen Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ein gemeinsames zehn-Punkte-Papier auf den Weg gebracht: Es beinhaltet konkrete Vorschläge für einen Systemwechsel in der Branche mit klaren rechtlichen Vorgaben.

So kommt es aus Sicht der vier Ministerien in Hannover und Düsseldorf vor allem darauf an, Arbeitsbedingungen und Gesundheitsschutz zu verbessern - auch die Wohnverhältnisse der Beschäftigten müssen menschenwürdig gestaltet werden. Staatliche Kontrollen sollen zudem effektiver werden. Auch das von der Bundesregierung angekündigte Arbeitsschutzprogramm, das Schlachten und Fleischverarbeitung ab 2021 grundsätzlich nur noch durch Arbeitnehmer des eigenen Betriebes erlauben will, wird von den Beteiligten unterstützt.

Das Papier im Detail

Die Unternehmen der Schlacht- und Zerlegeindustrie tragen laut Ursula Heinen-Esser und Barbara Otte-Kinast eine hohe Verantwortung für den gesamten Produktionsprozess. Das schließe ihre Verantwortung für die Beschäftigten mit ein.

"Die vielen kleineren Landschlachtereien in der Fläche unseres Landes, der Fleischerbetrieb „nebenan“, sie alle leben vom Vertrauen der Verbraucher. Dieses Vertrauen gilt es zugleich zu erhalten", schreiben sie in der Einleitung. Die Erfahrungen der letzten Jahre hätten gezeigt, dass Selbstverpflichtungen der Schlacht- und Zerlegeindustrie gescheitert seien. Daran hätten auch jüngste Ankündigungen einzelner Unternehmen nichts geändert, zukünftig verstärkt bisherige Werkvertragsbeschäftigte direkt einzustellen.

"Wir brauchen jetzt einen Systemwechsel in der Branche mit klaren rechtlichen Vorgaben. Es ist deshalb die Aufgabe verantwortungsvoll handelnder Politik, in einer funktionierenden Sozialen Marktwirtschaft klare Rahmenbedingungen zu setzen. Notwendig ist ein Dreiklang bestehend aus:

  1. Arbeitsbedingungen und Gesundheitsschutz verbessern,
  2. Wohnverhältnisse menschenwürdig gestalten und
  3. unternehmerische Verantwortung übernehmen und staatliche Kontrollen optimieren.

Zehn Punkte sind hier wichtig:

1. Das Geschäftsmodell von intransparenten Werkvertragsgestaltungen und Subunternehmerstrukturen muss beendet werden. Wir unterstützen daher die Bestrebungen der Bundesregierung, Schlachten und Verarbeiten von Fleisch in Unternehmen der Fleischwirtschaft ab dem 1. Januar 2021 grundsätzlich nur noch durch Arbeitskräfte des eigenen Betriebs zu gestatten.

2. Löhne sind voll zu zahlen und nicht zu unterlaufen. Auch in den Unternehmen der Fleischwirtschaft muss der aus der Arbeitnehmerüberlassung bekannte Grundsatz gelten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Der Höhe nach ungerechtfertigte, pauschale Abzüge für vermeintliche Nebenleistungen, wie z.B. Unterbringung, Messergeld etc. darf es nicht geben. Notwendig ist eine transparente Spitzabrechnung über die Kosten der Nebenleistungen für jeden, der die Leistungen in Anspruch nimmt.

3. Alle Beschäftigten in Schlacht- und Zerlegebetrieben müssen einer manipulationssicheren elektronischen Zeiterfassung unterliegen. Es muss verhindert werden, dass Mitarbeiter wegen eines drohenden Verdienstausfalls gezwungen sind, Arbeitszeitregeln zu missachten oder krank am Arbeitsplatz zu erscheinen.

4. Es bedarf verbesserter Hygienestandards, die insbesondere technische Verbesserungen wie beispielsweise spezielle Filteranlagen umfassen. Zusätzlich sind die Beschäftigten zu ihrem und zum Schutz der Allgemeinheit verpflichtenden und regelmäßigen Corona-Tests zu unterziehen. Beides ist notwendig, weil Viren und andere Krankheitserreger sich schnell und unkontrolliert ausbreiten, wenn Menschen eng und nah beieinander arbeiten und wohnen.

5. Größere Unternehmen der Branche sind zu verpflichten, für Leih- und Werkvertragsarbeiter ein Melderegister zu führen und dieses auf Nachfrage den Behörden jederzeit vorzulegen. Gegebenenfalls entgegenstehende (Datenschutz-) Regelungen sind anzupassen. Dies macht es erst möglich, angemessene Wohnverhältnisse zu kontrollieren.

6. Die Unterbringung in hygienekritischen und sanierungsbedürftigem Wohnraum zu völlig überteuerten Preisen muss ein Ende haben. Menschenwürdiges Dasein umfasst angemesse nen Wohnraum.

7. Die nur für den Infektionsschutz bestehenden Betretungsrechte sind mit Blick auf den grund gesetzlichen Schutz angemessen zu erweitern, um auch eine Überprüfung der Einhaltung von menschenwürdigen Unterbringungsstandards effektiv zu ermöglichen. Denn nicht zuletzt folgt aus den aktuellen Erfahrungen der Corona-Pandemie das Erfordernis der Einzelunter bringung; selbst in Wohngemeinschaften hat das zu gelten.

8. Wir brauchen künftig deutlich schärfere und häufigere Kontrollen. Dies gilt sowohl für die Arbeitsschutz- und Hygieneregeln als auch für die Wohnverhältnisse. Unangemeldete und kontinuierliche Kontrollen in engen Zeitabständen von etwa 14 Tagen sind solange durchzuführen, bis eine nachhaltige Verbesserung und ein Umdenken eingetreten ist. Der finanzielle Aufwand für anlassbezogene Kontrollen bei auffällig gewordenen Unternehmen ist von diesen entsprechend zu erstatten.

9. Für effektive Kontrollen brauchen wir ein abgestimmtes Vorgehen von Arbeitsschutz, Zoll, Gesundheitsämtern und Veterinärbehörden. Dies ist auf Landesebene durch ein entsprechendes Konzept zu gewährleisten. Nur so kann ein effektives staatliches Handeln gewähr leistet werden und durch gemeinsame Kontrollen für mehr Transparenz in der gesamten Branche gesorgt werden.

10. Die Bußgelder für die Ahndung rechtswidriger Zustände sind deutlich zu erhöhen. Kontrolle hat nur Sinn, wenn ein Regelverstoß spürbare Konsequenzen hat. Es ist aber nicht verhältnismäßig, damit auch den kleinen Schlachter von nebenan hart zu treffen, weshalb eine Differenzierung der Höhe der Bußgelder nach Umsatz bzw. Mitarbeiterzahl notwendig und geboten ist.

"Im Ergebnis ist klar: Auch die großen Unternehmen der Fleischwirtschaft müssen endlich eine soziale Verantwortung für alle Beschäftigungsverhältnisse entlang ihrer Wertschöpfungskette analog der Idee des „Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte“ übernehmen. Durch veränderte rechtliche Rahmenbedingungen werden dafür jetzt deutlich verschärfte verbindliche Maßgaben vorgegeben", so Heinen-Esser und Otte-Kinast.

Laumann: Arbeiter zu lange nicht ernst genommen

NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann sagte dazu, dass für einige Betriebe zu lange eine organisierte Verantwortungslosigkeit gegolten habe. "Zu lange ist der Gesundheits- und Arbeitsschutz der Beschäftigten von Werkvertragsunternehmen in der Fleischindustrie nicht ernst genug genommen worden. Zu lange haben wir hingenommen, dass Beschäftigte teilweise in unwürdigen Verhältnissen leben und arbeiten. Die Corona-Pandemie macht die Missstände offensichtlich. Jetzt ist die Zeit, dauerhafte Verbesserungen für die Beschäftigten der Fleischindustrie herbeizuführen. Nur durch konkrete Verbesserungen und absolute Transparenz kann die Fleischbranche das verloren gegangene Vertrauen wiederherstellen."

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