Die Beschäftigung von Migranten kann nach Einschätzung des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) dem Fachkräftemangel in der ostdeutschen Landwirtschaft entgegenwirken.
„Gerade im Bereich der Fachkräfte stellen Migranten eine Alternative dar, die die Betriebsleiter bisher nur wenig beachtet haben“, erklärte IAMO-Wissenschaftler erläutert Prof. Martin Petrick in Halle. Die derzeitige Flüchtlingssituation biete einen Anlass, hier aktiv zu werden.
Petrick räumt ein, dass es bislang nur wenig gesichertes Wissen über die Qualifikationen und Berufserfahrungen der Asylsuchenden der jüngsten Flüchtlingswelle gebe. In den wichtigsten Herkunftsländern der Flüchtlinge sei allerdings ein erheblich größerer Anteil der Erwerbstätigen im Agrarsektor beschäftigt als in Deutschland. Gleichzeitig gebe es große Unterschiede zwischen den Herkunftsländern und Deutschland in den Produktionstechnologien in der Landwirtschaft und den dadurch bestimmten Berufserfahrungen.
Nach Auffassung des IAMO-Experten stellt die Eingliederung von ausländischen Beschäftigten in die Agrarunternehmen kein Selbstläufer dar, sondern erfordere „einen erheblichen Aufwand an Zeit und Geld“. Hinzu komme, dass die Bevölkerung in den traditionellen Herkunftsländern Osteuropas durch Geburtenrückgang und Überalterung ebenfalls zu schrumpfen beginne. Im Hinblick auf dieses Kriterium sei die Gruppe der Asylsuchenden günstiger zusammengesetzt.
Eine Schwerpunktsetzung auf die Strategien „Ausbildung von Einheimischen“ einerseits und „Anwerbung von Ausländern“ andererseits bedürfe einer sorgfältigen Abwägung auf einzelbetrieblicher Ebene. „In beiden Fällen werden die Betriebe in die Bildung der einzelnen Mitarbeiter investieren müssen“, betont Petrick.
Erhebliche Fachkräftelücke
Eine aktuelle IAMO-Veröffentlichung untersucht bisherige Erfahrungen der Betriebsleiter und Aussichten für die Beschäftigung von Migranten in der ostdeutschen Landwirtschaft. Durch Renteneintritte vor allem qualifizierter Mitarbeiter entstehe in den kommenden Jahren eine erhebliche Fachkräftelücke, lautet ein Ergebnis.
Den Autoren der IAMO-Veröffentlichung zufolge werden in Sachsen-Anhalt bis 2020 fast doppelt so viele Arbeitnehmer die Landwirtschaft altersbedingt verlassen wie im gleichen Zeitraum Nachwuchskräfte einen landwirtschaftlichen Berufsabschluss ablegen. Nur jedes zehnte Unternehmen habe im Jahr 2014 junge Menschen in landwirtschaftlichen Berufsgängen ausgebildet; nur jedes vierte Unternehmen halte überhaupt Ausbildungsplätze bereit.
Für einen erheblichen Anteil der Betriebsleiter kämen ausländische Fachkräfte zur Abwendung des Fachkräftemangels in Frage. Je nach Produktionsschwerpunkt könne sich jeder zweite bis dritte Betriebsleiter in Sachsen-Anhalt vorstellen, die Lücke durch ausländische Mitarbeiter zu füllen oder tue dies bereits. In nahezu jedem zehnten Milchviehbetrieb in Sachsen-Anhalt würden bereits ausländische Fachkräfte eingesetzt. In absoluten Zahlen stellten bisher jedoch lediglich die ausländischen Saisonarbeitskräfte eine bedeutsame Gruppe dar. Sie stammen vor allem aus Polen und Rumänien.