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Ministeriumsbeirat fordert von Klöckner eine forschere Ernährungspolitik

Der Wissenschaft ist die Ernährungspolitik von Bundesministerin Klöckner zu zurückhaltend. Ein neues Gutachten fordert Steueranreize, die auch die landwirtschaftliche Produktion beeinflussen.

Lesezeit: 6 Minuten

Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) hat heute sein neues Gutachten zur Ernährungspolitik an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (BMEL) übergeben. Darin kommt Klöckners bisherige Ernährungspolitik nicht so gut weg. „Wir benötigen stärkere politische Steuerungsimpulse für die Unterstützung nachhaltigerer Konsumentscheidungen“, sagte der Berliner Agrarökonom Harald Grethe, der Vorsitzender des Beirats ist.

Zurückhaltende Politik das falsche Signal

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In seinem Gutachten analysiert der Beirat die Ansprüche für eine nachhaltige Ernährung anhand von vier Kriterien, die er „die Big Four“ nennt, nämlich Gesundheit, Soziales, Umwelt und Tierwohl. In allen vier Dimensionen sehen die Wissenschaftler Nachholbedarf. Überall würde die Verantwortung zu stark auf die Konsumenten und Konsumentinnen verlagert. „In dem komplexen, durch starke Lobbyeinflüsse geprägten Politikfeld der Ernährung ist eine so zurückhaltende Ernährungspolitik das falsche Signal“, sagte der Göttinger Agrarökonom Achim Spiller.

Anpassung der Konsumgewohnheiten nötig

Um die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, müsse sich in Deutschland einiges ändern: „Es sind nicht nur Anpassungen in der Produktion notwendig, vielmehr müssen sich auch die Konsumgewohnheiten ändern“, heißt es in dem Gutachten. Dafür fordert der Beirat ein eigenes Politikfeld, dass die vier Aspekte nachhaltiger Ernährung, Gesundheit, Soziales, Umwelt und Tierschutz besser vernetzt. Dafür müsse die Bundesregierung „Kapazitäten aufbauen“, heißt es in dem Gutachten. Deutschland sei hier im europäischen und zum Teil auch im globalen Vergleich Nachzügler.

Kein Superfood, sondern ausgewogene Mischkost

Wichtig ist den Wissenschaftlern zu betonen, dass es die "Superfoods" nicht gibt. "Zentral zu empfehlen ist vielmehr ein gesundheitsförderliches Ernährungsmuster, d. h. die ausgewogene Zusammenstellung von Lebensmitteln mit überwiegend günstigen Nährwertprofilen", schreiben sie. Derzeit werde der soziale Fußabdruck, den ein Lebensmittel entlang der Wertschöpfungskette generiert, nur unzureichend erfasst und ist für Konsumentinnen und Konsumenten nicht erkennbar. Gemeint sind damit insbesondere die Arbeitsbedingungen entlang der Produktions- und Wertschöpfungskette.

Weniger Fleisch und Lebensmittelverschwendung

Aus Umweltinteresse empfiehlt der Beirat eine Verminderung des Konsums von Fleisch sowie anderen tierischen Produkten sowie die Vermeidung von Lebensmittelverlusten. Auch der Konsum von Bioprodukten könne bis zu einem gewissen Grad zu einer umweltverträglicheren Ernährung beitragen, heißt es in dem Gutachten. Der Verzicht auf eingeflogene Waren und Produkte aus fossil beheizten Gewächshäusern sei eine weitere sinnvolle Maßnahme. Für die Wissenschaftler ist die regionale Erzeugung dagegen aus einer Nachhaltigkeitsperspektive nicht immer erste Wahl.

Wandel birgt große Herausforderung für die Landwirtschaft

Bei den Tierwohlansprüchen greifen die Wissenschaftler, die im Jahr 2015 bereits das vielbeachtete Gutachten zur Zukunft der Nutztierhaltung vorgelegt hatten und Mitglieder in der Borchert-Kommission sind, auf die dort ausführlich erteilten Empfehlungen zurück. „Eine tierwohlorientierte Ernährung steht und fällt mit der Auswahl von Produkten mit höheren Tierwohlstandards“, schreiben sie nun im Ernährungsgutachten. Weniger tierische Produkte zu konsumieren, könne auch zu mehr Tierwohl beitragen, wenn es in Form eines „weniger und besser” erfolge. Wenn der Austausch von tierischen Erzeugnissen vornehmlich durch mehr Gemüse und Hülsenfrüchte erfolge, ergäben sich erhebliche Synergien mit Gesundheits- und Umweltzielen. Für die Landwirtschaft stelle das jedoch eine erhebliche soziale und ökonomische Herausforderung dar, schreiben sie.

Orientierung an Gesundheit statt an Wirtschaft

Bei der Auswahl und Gestaltung der Ernährung fordern die Wissenschaftler einen Umschwung von wirtschaftlichen zu gesundheitlichen Zielen. In der öffentlichen Diskussion werde zu häufig symbolpolitisch gestritten, zum Beispiel über Plastiktüten, statt über zentrale umweltpolitische Stellschrauben wie die Notwendigkeit eines deutlich reduzierten Konsums tierischer Produkte, schreibt der Beirat in sein Gutachten.

Folgende neun Empfehlungen legt der Beirat vor:

1) Systemwechsel in der Kita‐ und Schulverpflegung herbeiführen – „Kinder und Jugendliche in den Fokus“. Einführung einer qualitativ hochwertigen und beitragsfreien Kita‐ und Schulverpflegung und ein Bundesinvestitionsprogramm „Top‐Mensa”.

2) Konsum tierischer Produkte global verträglich gestalten – „Weniger und besser”. Eine Abschaffung der Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für tierische Produkte und die Einführung eines verpflichtenden Klimalabels für alle Lebensmittel.

3) Preisanreize nutzen – „Die Preise sollen die Wahrheit sagen“. Deutliche Preisanreize für eine nachhaltigere Ernährung zu setzen (z.B. durch die Einführung einer Verbrauchssteuer auf zuckerhaltige Getränke) und diese durch eine Entlastung einkommensschwacher Haushalte sozialverträglich zu gestalten.

4) Eine gesundheitsfördernde Ernährung für alle ermöglichen – „Ernährungsarmut verringern“. Die Kosten einer gesundheitsfördernden Ernährung in staatlichen Grundsicherungsleistungen adäquat zu berücksichtigen.

5) Verlässliche Informationen bereitstellen – „Wahlmöglichkeiten schaffen“. Verpflichtende Nachhaltigkeitslabel für Gesundheit („Nutri‐Score”), Treibhausgasemissionen („Klimalabel”) und Tierwohl, eine stärkere Regulierung von an Kinder gerichtete Werbung und Social Influencing sowie die Entwicklung eines „digitalen Ecosystems nachhaltigere Ernährung” mit Anwendungen für Verbraucherinnen und Verbraucher.

6) Nachhaltigere Ernährung als das „New Normal” – „Soziale Normen kalibrieren”. Kleinere Portionsgrößen verfügbar zu machen, den Leitungswasserkonsum durch eine kostenlose Bereitstellung im öffentlichen Raum zum Standard zu machen und die Potenziale der Reformulierung realistisch einzuschätzen und zu nutzen.

7) Angebote in öffentlichen Einrichtungen verbessern – „Großküchen nachhaltiger gestalten”. In der Senioren‐, Krankenhaus‐ und Rehaverpflegung Ernährung nicht nur versorgungspraktisch zu betrachten, sondern eine hochwertige Qualität des Essens und der Ernährungsumgebung sicherzustellen (u.a. verpflichtende Umsetzung der DGE‐Qualitätsstandards).

8) Landbausysteme weiterentwickeln und kennzeichnen – „Öko und mehr”. Den Ökolandbau weiter zu fördern, aber auch, weitere ökoeffiziente Landbausysteme zu entwickelnund für Verbraucherinnen und Verbraucher kenntlich zu machen.

9) Politikfeld „Nachhaltigere Ernährung” aufwerten und institutionell weiterentwickeln – „Eine integrierte Ernährungspolitik etablieren”. Eine umfassende konzeptionelle und institutionelle Neuausrichtung und Stärkung des Politikfeldes, das die vier Ziele nachhaltigerer Ernährung integriert in den Blick nimmt. Dies erfordert eine stärkere Vernetzung zwischen den Ressorts (Ernährung und Landwirtschaft, Gesundheit, Umwelt) und Politikebenen (von der Kommune bis zur EU) sowie den Ausbau personeller Kapazitäten mit deutlichen Budgeterhöhungen.

Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) ist ein interdisziplinär besetztes Gremium, das das BMEL bei der Entwicklung seiner Politik in diesen Bereichen berät. Der WBAE arbeitet auf ehrenamtlicher Basis, ist unabhängig und erstellt Gutachten und Stellungnahmen zu selbst gewählten Themen. Dem Beirat gehören derzeit 18 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an, die vom BMEL für die Dauer von drei Jahren berufen werden. Der Vorsitz wird aus der Mitte des Beirats gewählt.

Das Gutachten gibt es hier in voller Länge zum Nachlesen.

So lief die Übergabe des Gutachtens an Bundesministerin Klöckner ab:

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