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Mit Hochdruck gegen Hitze im Kuhstall

Wenn Ventilatoren nicht mehr ausreichen, soll Wassernebel die Kühe kühlen. top agrar-Redakteurin Anke Reimink zeigt, was die Hochdruck-Vernebelung leistet, was die Hersteller bieten und wie sich die Technik in der Praxis bewährt.

Lesezeit: 7 Minuten

Wenn Ventilatoren nicht mehr ausreichen, soll Wassernebel die Kühe kühlen. top agrar-Redakteurin Anke Reimink zeigt, was die Hochdruck-Vernebelung leistet, was die Hersteller bieten und wie sich die Technik in der Praxis bewährt. Ein Ratgeber aus der top agrar 6/2017, Spezialprogramm Rind:


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Heiße Sommertage, an denen kaum ein Wind weht, sind selbst für moderne, offene Rinderställe eine Herausforderung. Schnell steigt das Thermometer deutlich über die Wohlfühl-Temperatur von Rindern.


Schon ab 24 °C und einem Luftfeuchtegehalt von 65 % droht Hitzestress. Das bedeutet Leistungseinbußen und eine sinkende Futteraufnahme mit möglichen Gesundheitsfolgen. Um das zu vermeiden, bieten sich bautechnische Lösungen an,  wie Ventilatoren oder Wärmedämmung (top agrar 6/2016, ab Seite R 28). Darüber hinaus gibt es Systeme, die mit Wasser die Kühe kühlen sollen.


Man unterscheidet grundsätzlich Niederdruck- und Hochdruckverfahren. Niederdruck-Anlagen oder sogenannte „Kuh-Duschen“ versprühen das Wasser mit einem Druck von 3 bis 5 bar. Das Wasser regnet auf die Kuhhaut und kühlt die Tiere so direkt. Die Technik ist relativ einfach aufgebaut.


Die Hochdruck-Düsen sind direkt vor Ventilatoren oder an Rohren montiert. Die Kosten hängen insbesondere von der Anzahl der Düsen ab. Die Hersteller versprechen eine Kühlleistung von bis zu 15 °C, abhängig von Temperatur und Luftfeuchtigkeit.




Wasser verdunstet


 

Technisch aufwendiger sind Hochdruck-Anlagen (Marktübersicht Seite R 23). Diese kühlen die Kühe indirekt über die Luft. Dazu blasen spezielle Hochdruck-Düsen Wasserpartikel in die Luft. Das Wasser verdunstet und entzieht der Umgebungsluft Energie. So kühlt sich die Luft um mehrere Grad Celsius ab.


Dabei gilt: Je feiner die Tröpfchen sind, umso besser nimmt die Luft das Wasser auf und umso effektiver ist die Kühlung. Die Anbieter der Hochdruck-Anlagen versprechen winzige Tropfen von 2 bis 10 µm (1 µm = 0,001 mm). Dazu sind kleinste Düsenöffnungen und ein Druck von 50 bis 80 bar nötig, den ein Kompressor erzeugt. Daran lassen sich je nach Modell bis zu 100 Düsen anschließen. Zudem sind druckstabile Edelstahlleitungen, ein Wasserfilter und bei kalkhaltigem Wasser eine Enthärtungsanlage nötig.


Weil die Luft den feinen Nebel gut aufnimmt, soll das Hochdruck-System die Temperatur um 5 bis 10 °C absenken können – abhängig von der Luftfeuchtigkeit. Gleichzeitig sollen Tiere und Oberflächen trocken bleiben. Zusätzlich soll der Wassernebel Staub- und Geruchspartikel binden und Fliegen vertreiben können.


Luftfeuchte beachten

 

Wie gut die Vernebelung kühlt, hängt aber nicht nur von der Außentemperatur, sondern vor allem vom Luftfeuchtegehalt ab. Je trockener die Luft, umso mehr Wasser nimmt diese auf und umso effizienter kühlt das System. Rechnerisch kühlt sich die Luft um rund 1 °C ab, wenn der Feuchtegehalt um 5 % steigt.

An schwülen Tagen mit hoher Luftfeuchtigkeit ist die Luft aber schnell „gesättigt“. Zusätzliches Wasser verdunstet nicht, sondern regnet ab und benetzt Tiere und Oberflächen.


Das könnte sich nachteilig auf die Hygiene auswirken, warnt Johannes Zahner von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL): „Der Wasserfilm auf Oberflächen und Einstreu bildet ein ideales Milieu für Keime und Erreger.“ Einige Tierärzte raten deshalb grundsätzlich davon ab, Wasser zum Kühlen von Kühen zu nutzen.


Darüber hinaus kann eine Vernebelung den Hitzestress sogar erhöhen, warnt Milchvieh-Beraterin Julia Glatz aus Mecklenburg-Vorpommern:  „Bei einer zu hohen Luftfeuchte können die Kühe keine Körperwärme durch Schwitzen abgeben. Es entsteht ein ‚Sauna-Effekt‘ und damit zusätzlicher Hitzestress.“ Glatz rät, ab einem Luftfeuchtegehalt von 80 % die Anlage grundsätzlich abzustellen.


Dieser Gehalt ist schnell erreicht. So haben Messungen der LfL in praktischen Betrieben häufig eine Luftfeuchte von 70 % nachgewiesen, sagt Zahner. Um negative Folgen zu vermeiden, empfiehlt er grundsätzlich eine automatische Steuerung der Vernebelung mithilfe von Klima-Sensoren.


Eine hohe Luftwechselrate verbessert den Transport der feuchten Luft aus dem Stall. Das erhöht die Kühlleistung und sorgt für eine gute Hygiene. Zudem lässt sich die abgekühlte Luft mithilfe von Ventilatoren verteilen. Einige Hersteller montieren die Hochdruck-Düsen daher direkt vor die Ventilatoren.


Ein Knackpunkt des Systems sind die feinen Öffnungen der Düsen: Schmutz- oder Kalkablagerungen verstopfen diese schnell. Die Berater empfehlen grundsätzlich  einen Filter und eine Enthärtungsanlage. Die Düsen sollten alle drei Monate im Säurebad gereinigt werden. Im Winter muss das Wasser abgedreht und die Düsen ggf. herausgedreht sein.


Verbrauch und Kosten

 

Laut Herstellern verbrauchen die Hochdruck-Düsen rund 2 bis 18 Liter pro Stunde, abhängig von der Düsen-Größe und Öffnung. Zum Vergleich: Bei einer Kuh-Dusche rechnen Wissenschaftler mit einem Wasserverbrauch von 45 bis 114 Litern pro Stunde und Düse.


Kleinere Hochdruck-Anlagen gibt es ab 5 000 €. Da der individuelle Preis insbesondere von der Düsenanzahl abhängt, können die Kosten schnell steigen (siehe Reportage unten).


Ob sich die Investition lohnt, hängt davon ab, wie häufig die Vernebelung zum Einsatz kommt. Schätzungen der LfL zufolge ist der Einsatz von Beregnungsanlagen in etwa 100 Stunden pro Jahr sinnvoll, kann aber in extremen Jahren auf 800 Stunden steigen. Zahner meint: „Die letzten Sommerhaben gezeigt, dass auch in unseren Regionen Hitzestress ein Thema ist. Die Vernebelung kann dem entgegenwirken, wenn sie richtig eingestellt und genutzt wird.“


Auch einfache „Kuh-Duschen“ funktionieren


Alternativ zur Hochdruck-Vernebelung gibt es weitere Techniken, die Wasser verdunsten und kühlen. Grundlage einer sogenannten Rotationszerstäubung ist eine rotierende Scheibe vor einem Ventilator mit Wasserzufuhr, die feinen Wassernebel produziert. Die Geräte lassen sich direkt an die Wasserleitung anschließen und kommen ohne spezielle Düsen aus. Die Kühlleistung soll vergleichbar sein.


Als relativ einfaches Verfahren bietet sich das großtropfige Versprühen oder „Duschen“ mit einer Niederdruck-Anlage an. Das Wasser regnet auf die Haut der Kühe. Die Beregnung ist in Intervallen geschaltet, z. B. fünf Minuten und zehn Minuten Pause. Das eignet sich für den Futtertisch oder im Rücktrieb vom Melkstand. Um Lungenentzündungen zu vermeiden, sollte die Anlage erst ab 25 °C Außentemperatur laufen und die Luftgeschwindigkeit nicht höher als 1 bis 2 m/s sein.


REPORTAGE: Heiße Tage leichter überstehen


Im Stall von Familie Höhler verteilen acht Ventilatoren feinen Wassernebel im Stall. Die Kühe genießen eine kühle Brise, während draußen die Sonne brennt.


Der Milchviehbetrieb Höhler in Brechen (Hessen) nutzt seit einigen Jahren eine Hochdruck-Vernebelung im Kuhstall. „Das hat sich schon an einigen heißen Tagen rentiert“, sagt der Betriebsleiter. Bernhard und Angelika Höhler bewirtschaften gemeinsam mit ihrem Sohn Jan und ihren Mitarbeitern einen Milchviehbetrieb mit 320 Kühen plus Jungviehaufzucht, Ackerbau und Biogasanlage.


Jeweils vier 27-Zoll-Ventilatoren hängen an den Traufseiten in rund 4,0 m Höhe. Vor jeden Ventilator sind fünf Hochdruck-Düsen angebracht. Eine Pumpe drückt das Wasser mit rund 90 bar durch die Düsenöffnungen. Die Wassertropfen verdunsten und der Ventilator verteilt die abgekühlte Luft.


Die Klimaanlage hat der Betrieb im älteren von zwei Stallgebäuden installiert, weil hier trotz der offenen Traufseiten kaum Luftwechsel möglich ist: DieHauptwindrichtung verdeckt das Melkhaus und auf der gegenüberliegenden Seite steht das Güllesilo.


Die Vernebelungsanlage regelt der Betriebsleiter manuell. Ab einer Temperatur von rund 25 °C schaltet er die Kühlung morgens an und abends wieder ab. Die Ventilatoren hängen direkt über den Tief-Liegeboxen, doch mit Feuchtigkeit in der Einstreu hatte der Betrieb bisher keine Probleme.


Wichtig sei aber, die Düsen im Winter abzuschrauben. Wegen Frost in den Leitungen habe Höhler schon einige Düsen ersetzen müssen.  Der Stromverbrauch von 3,2 kW und der Wasserverbrauch von 40 l seien vernachlässigbar. Für die gesamte Anlage hat der Landwirt 19 500 € investiert. Die Kosten haben sich jedoch schnell rentiert, ist er sicher.


Der Milcherzeuger kann den positiven Effekt zwar nicht mit Zahlen belegen, ist aber überzeugt: „Hitzephasen überstehen unsere Kühe leichter. Besonders an heißen Tagen ohne Wind sorgt die Anlage für kühle Luft im gesamten Stall.“ 

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