Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Interview

Nabu-Präsident Krüger: „Wir müssen reden“

Der neue Nabu-Präsident Krüger gibt sich landwirtschaftsnah und will einen Neuanfang im Dialog mit der Landwirtschaft. Rote Linien zieht er beim Pflanzenschutz in Schutzgebieten.

Lesezeit: 6 Minuten

Seit November 2019 ist Jörg-Andreas Krüger Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). Seine Kindheit verbrachte er auch auf dem Grünlandbetrieb seiner Großeltern in der Wesermarsch, heute ist er Hobby-Jäger. Krüger hat Landschaftsarchitektur studiert, lange im Nabu Niedersachsen sowie im Bundesverband in Berlin gearbeitet. 2013 wechselte er zum WWF. Er löst Olaf Tschimpke ab, der 16 Jahre Nabu-Präsident war. Stefanie Awater-Esper hat ihn getroffen:

Welchen Stellenwert räumen Sie als neuer Nabu-Präsident der Landwirtschaft ein?

Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Krüger: Ich stamme aus dem Landkreis Oldenburg aus einer Familie, in der die Hälfte aus der Landwirtschaft kommt. Ich habe immer schon eine enge Beziehung zur Landwirtschaft. Die Landnutzung ist der Bereich, in dem wir für den Umweltzustand und die Artenvielfalt in Deutschland am meisten erreichen können. Denn die Land- und Forstwirtschaft bewirtschaftet mehr als 80 % der Fläche. Da müssen wir aktiv werden. Ich werde versuchen, das noch weiter auszubauen.

Wie wollen Sie die Gräben zwischen Naturschützern und Landwirten überwinden?

Krüger: Das geht nur im Dialog. Wir sollten uns nicht gegenseitig nur mit Flyern oder Studien überziehen. Wir müssen reden und brauchen jetzt den Aufbau von mehr Vertrauen. Es geht nicht darum, sich gegenseitig zu besiegen. Wir müssen Wege finden, wie wir – Landwirte und Naturschützer – aufeinander zugehen.

Wie blicken Sie aktuell auf die Landwirtschaft und ihre Bemühungen um den Naturschutz?

Krüger: Für mich gibt es nicht die eine Landwirtschaft. Ich weiß, dass in manchen Teilen viel gemacht wird und es großes Engagement gibt, boden- und gewässerschonend zu wirtschaften und Naturschutz zu ermöglichen. Aber wir haben auch immer noch Gruppen von Landwirten, an denen solche Bemühungen total vorbeigehen.

Wie quantifizieren Sie die?

Krüger: Bei weltmarktorientierten Betrieben auf den guten Standorten oder in der Veredelungswirtschaft ist die Markt- und Exportorientierung teils so stark geworden, dass sie sich von den ökologischen Grenzen ihrer Standorte weitgehend verabschiedet haben. Dazu zählen sicher 25 % der Betriebe. Und diese prägen entscheidend das öffentliche Bild der Landwirtschaft.

Wer sind Ihre Ansprechpartner in der Landwirtschaft?

Krüger: Natürlich gibt es Gespräche mit dem Deutschen Bauernverband. Er ist nach wie vor die große landwirtschaftliche Vereinigung. Aber ich spreche natürlich auch mit den Bioverbänden und anderen landwirtschaftlichen Gruppen. Wichtig ist mir vor allem der Dialog auf regionaler Ebene mit Landwirtinnen und Landwirten vor Ort. Es gibt unzählige Naturschutzprojekte, in denen wir schon zusammenarbeiten.

Wie bewerten Sie die seit Herbst anhaltenden Bauernproteste?

Krüger: Ich kann verstehen, dass viele Landwirte Sorgen haben. Schwierig wird es, wenn die Proteste vereinfachte und populistische Untertöne bekommen. Und wenn der Anspruch von Gesellschaft und Wissenschaft ignoriert wird, dass sich Dinge in der Landwirtschaft ändern müssen.

Demonstrationen pauschalisieren, Sie sind als Nabu auch Teil der „Wir haben es satt“-Demonstration.

Krüger: Das stimmt, wir freuen uns über jeden Landwirt, der dorthin kommt. Wir reden nicht über, sondern mit der Landwirtschaft. Ich weiß, dass Dialog und Wandel Zeit benötigen. Am Ende brauchen wir eine an Klima- und Naturschutz orientierte Landbewirtschaftung. Damit kann sich für viele Betriebe die Bewirtschaftungsform ändern. Erbringen sie Landschaftspflege- und Klimaschutzdienstleistungen, muss das über die EU-Agrarzahlungen entlohnt werden.

Kanzlerin Merkel will die Zielkonflikte in einer Zukunftskommission Landwirtschaft lösen. Bauernverband und Land schafft Verbindung erstellen dafür ein Konzept. Erwarten Sie eine Beteiligung?

Krüger: Ich kann mir eine Zukunftskommission ohne die kritischen Stimmen aus Zivilgesellschaft und Naturschutz nicht vorstellen. Es wäre gut, wenn die Umweltverbände frühzeitig beteiligt sind. Wir haben gerade die Kohlekommission mit zähen Verhandlungen und einem mühevollen Kompromiss hinter uns. Bisher hat die Politik es jedoch versäumt, das Vereinbarte umzusetzen. Wenn so auch mit der Landwirtschaft verfahren wird, wäre es schade um die Zeit.

Das Aktionsprogramm Insektenschutz der Bundesregierung stößt auf Skepsis und Ablehnung in der Landwirtschaft. Welche Aspekte daraus sind für Sie unverzichtbar?

Krüger: Wirksamen Insektenschutz werden wir auf Dauer nur hinbekommen, wenn wir den Input an Pestiziden reduzieren. Die Pestizidreduktion in Schutzgebieten ist für uns eine unverzichtbare rote Linie. Wir können uns die vielen Schutzgebiete aber genauer anschauen: In FFH-Gebieten muss die Reduktion sein, bei den Vogelschutzgebieten ist sie wünschenswert. Aber ich weiß, dass es wegen deren Größe viel schwieriger ist, das umzusetzen.

Die Landwirte wollen kooperativen Naturschutz. Warum reicht Ihnen das nicht?

Krüger: Negativbeispiel ist die Düngeverordnung. Dort haben wir über 25 Jahre versucht, mit kooperativen und technischen Ansätzen das Nitratproblem zu lösen. Es hat alles nicht geholfen. Dort kommen wir um ein schärferes Ordnungsrecht nicht herum. Im Arten- und Habitatschutz können wir noch wesentlich mehr im kooperativen Ansatz machen. Immer wenn ich in den letzten Jahren mit Landwirten sprach, merkte ich, dass wir soweit gar nicht auseinander sind. Woran es oft hakt, ist eine ausreichende naturschutzfachliche Beratung und eine Förderung, die auch ökonomisch Sinn macht für die Betriebe.

Kann die Ackerbaustrategie von Landwirtschaftsministerin Klöckner landwirtschaftliche Produktion und Naturschutz miteinander versöhnen?

Krüger: Uns ist wichtig, dass wir mit den Naturschutzmaßnahmen raus in die Normallandschaft kommen und auch dort die Artenvielfalt erhöhen. Gerade die einstmals weit verbreiteten Arten brechen flächendeckend ein. Wir sind vom Entwurf des BMEL für die Ackerbaustrategie etwas enttäuscht. Da steht viel Richtiges drin, es ist jedoch nur ein Diskussionspapier. Da hätten wir uns mehr Zug gewünscht. Ich hoffe, dass wir in Kombination mit der EU-Agrarreform weiterkommen. Dann hätten wir die Maßnahmen gleich mit Geld hinterlegt und eine Bindung für jeden einzelnen Betrieb.

Was erwarten Sie 2020 von den Verhandlungen zur EU-Agrarreform?

Krüger: Wir hoffen auf vernünftige Mindestkriterien für den Erhalt der Gelder – gerne schrittweise eingeführt, um den Betrieben beim notwendigen Wandel zu helfen. Wir brauchen einen nichtproduktiven Flächenanteil von 10 % für die Artenvielfalt. Ohne diese Strukturen kommen Vögel und Insekten nicht zurück auf die Felder.

Welche Aufteilung der Fördermittel wünschen Sie sich?

Krüger: Eine Aufteilung in der 1. Säule von 50 % Eco-Schemes und 50 % Basisprämie wäre ein guter Ansatz. Auch in der 2. Säule müssen 50 % für Agrarumweltmaßnahmen zweckgebunden werden. Insgesamt brauchen wir 15 Mrd. € pro Jahr für die Naturschutzförderung. Wichtig für den fairen Wettbewerb ist eine europaweit einheitliche Lösung.

Für wie lange befürworten Sie eine Basisprämie als Direktzahlung?

Krüger: Wir sollten die Basisprämie ab 2027/28 komplett in ausschließlich zielorientierte Leistungen für Umwelt-, Klimaschutz und Biodiversität umwandeln. Dafür sollte aber bereits jetzt der schrittweise Umstieg beschlossen werden. Ein Teil des frei werdenden Geldes kann dann auch für Investitionshilfen verwendet werden, für Betriebe, die sich auf den Weg in Richtung Nachhaltigkeit machen wollen.

Welche Rolle spielt noch die 2. Säule?

Krüger: Die 2. Säule hat eine hohe Bedeutung in den Natur-, Vogelschutz- und FFH-Gebieten. Sie muss deutlich gestärkt werden. Hier können wir Maßnahmen wie zweizeiligen Saatreihenabstand oder Bodenbrüterschutz fördern. Die angekündigten Kürzungen sehen wir daher mit großer Sorge.

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.