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NDR 45 min: Reportage über die dramatische Situation auf vielen Höfen

Unter dem Titel „Bauern ohne Lobby: Wem dient der Bauernverband?“ hat der NDR am Montagabend eine Reportage über die angespannte Situation in der Landwirtschaft gesendet und den DBV hinterfragt.

Lesezeit: 6 Minuten

Bäuerliche Familienbetriebe sind aktuell in wahrer Existenznot. Das hat die NDR-Reportage 45 Min am Montagabend thematisiert.

Eingangs berichtet Viehhändler Eike Ferdinand aus Ostfriesland, dass er gerade viel zu tun hat – immer häufiger gebe es Notverkäufe oder Betriebsaufgaben. „Wenn das so weitergeht, werden wir in fünf bis zehn Jahren nicht mehr viele Betriebe haben“, sagt er. Es hätten schon 40 bis 45-jährige Landwirte weinend vor ihm gestanden und nicht mehr gewusst, wie sie den Hof wirtschaftlich halten können.

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Milchbauer Thomas Schütte ist heute ein Kunde von Ferdinand. Es ist zwar kein Notverkauf, doch auch bei diesem Tierhalter ist die Stimmung schlecht. Er hat 4 Mio. € in die Ställe investiert und hält jetzt 350 Milchkühe.

„Wir wurden die letzten 20 Jahre immer darauf hingedrängt, ihr müsst uns ernähren, die Weltbevölkerung wächst, ihr müsst mehr machen, ihr müsst wachsen oder weichen – das war von allen Seiten zu hören; Landwirtschaftskammer, Politik, auch vom Bauernverband. So, und jetzt sind wir alle gewachsen und machen mehr und jetzt auf einmal heißt es Nein, ihr sollt ökologisch werden und weniger machen. Aber wenn ich investiert hab, geht es nicht einfach so zurück. Ich kann ja nicht einfach so zu meiner Bank sagen, ich reiß den Stall jetzt ab und mach nur noch die Hälfte“, empört sich Schütte im Interview. Der Kredit löse sich deswegen ja nicht einfach auf.

Hohe Kredite, Raten, die sie nicht mehr bedienen können, das treibt Landwirte in den Ruin, stellt denn auch der Sender fest und nennt handfeste Zahlen: 1995 gab es noch 550.000 Höfe, 2020 waren es nur noch 263.000. Allein seit 2010 seien hierzulande 36.320 Bauernhöfe verschwunden. Vor allem kleinere Betriebe müssten aufgeben.

Bauernverband weist Kritik von sich

Ein anderer Milchbauer spricht Klartext: Er sieht auch eine Mitschuld beim Bauernverband, dieser habe für ihn nichts getan, sagt er. Und seine Frau ergänzt: „Bauernverband ist nicht unsere Vertretung.“ Sie würden auf dem Land ganz anders denken als der Verband. Die Rede ist von „Verrat“ der Bauern und „Verkauf an die Industrie“.

Nach dieser Kritik sucht der NDR das Gespräch und ist zu Gast auf dem Hof von Mecklenburg-Vorpommerns Bauernpräsident Detlef Kurreck. Dieser kennt die Vorwürfe: „Das kommt mit der Erwartungshaltung, die jeder Einzelne hat. Und da ist es auch unsere Aufgabe, ehrlich zu sagen, was wir leisten können und was nicht. Immer dann, wenn es um Wirtschaft geht, Milchpreise z.B., das klassische Thema. Wir sind nicht verantwortlich für die Milchpreise und die Getreidepreise. Das regelt der Markt. Wir können auf den Markt nur soviel Einfluss nehmen, wie wir politischen Einfluss haben. Ansonsten ist der Markt nicht unser Thema“, stellt Kurreck klar.

Das hinterfragt der NDR und berichtet, dass der Bauernverband zu den einflussreichsten Verbänden in Deutschland gehört und auf seinen Bauerntagen regelmäßig höchste Politprominenz zu Gast hat. Der DBV sei der Ansprechpartner, wenn es um Tierwohl, Düngerecht oder Subventionen gehe. Auch deshalb seien die meisten Landwirte Mitglied, die Struktur sei aber komplex. Der Sender zeigt in einer Grafik alle Mitglieder, Verbände, Firmen und Strukturen, die im DBV mitwirken.

Erwähnt wird auch eine Studie der Uni Bremen im Auftrag des NABU, die eine Verflechtung der DBV-Funktionäre mit den Schaltstellen der Macht erkennen will. So seien die Bauernvertreter in vielen Aufsichtsräten und Kontrollgremien der Finanzwirtschaft, Versicherungsbranche, Agrar- und Ernährungswirtschaft, in Berufsverbänden, Genossenschaften, der Agrochemie. Mitglieder des Bauernverbandes würden auch im Bundestag und Agrarausschuss sprechen. Detlef Kurreck erklärt, dass man die Leute da ja auch haben wolle, um die Interessen der Bauern zu vertreten.

„Wir werden immer versuchen, jemanden in die Aufsichtsräte zu schicken, damit wir das bäuerliche Thema dort spielen können. Das ist unser ureigenes Interesse“, so der Bauernverbandschef aus MV.

Ärgernis Andienungspflicht

Der NDR geht dann auf die Andienungspflicht für Milchbauern ein. Sie habe schon 2016 fallen sollen, der DBV habe dies jedoch verhindert, so der Vorwurf. Bernhard Krüsken, Generalsekretär des DBV, erklärt, dass dies eine privatrechtliche Entscheidung sei, die der jeweilige Erzeuger mit seiner Molkerei vereinbare.

„Bei dem Thema sagen wir ganz klar, das müssen Molkereien und Erzeuger untereinander aushandeln.“ Das sieht auch Detlef Kurreck so und betont, dass die Molkereien im Gegenzug auch dann Milch abnehmen, wenn eigentlich zu viel auf dem Markt ist. „Man kann nicht von beiden nur das Beste nehmen.“

Die Milchbauern sehen dagegen, dass sich die Molkereien beim Milchpreis scheinbar immer an derjenigen orientieren, die den niedrigsten Preis zahlt. Daran habe auch der Bauernverband einen großen Einfluss, sagt ein Praktiker.

Erwartungsgemäß stimmt der frühere Landwirtschaftsminister von Niedersachsen, Christian Meyer (Grüne), in diese Kritik ein. Er sieht den Bauernverband eher auf Seite der Molkereien. Dieser habe zu Zeiten der Bauernproteste bei den Ministern immer gegen eine Regulierung der Molkereien geworben. Daher habe der Bauernverband laut Meyer die Milchbauern nicht vertreten, sondern eher noch ein Stück weit verraten.

Das kontert Krüsken: „Wir können uns auch auf die Barrikade stellen und schimpfen wie ein Rohrspatz, dass der Milchpreis niedrig ist. Aber wenn wir daran nichts tun können, ist das ein sehr frustrierendes Geschäft.“

Streitpunkt Weltmarktexport

Im weiteren Verlauf der Reportage geht es auch um die Schweinehaltung. Hier lautet die Kritik, dass der DBV lange gegen einen Umbau der Tierhaltung gewesen sei, gegen mehr Tierwohl, mehr Platz, den Ringelschwanz etc. Auch hier fungiert Ex-Landwirtschaftsminister Meyer wieder als politischer Fachmann.

Als „Legende“ bezeichnet Krüsken dagegen die Behauptung, der DBV propagiere die Produktion für den Weltmarkt. „Wir sagen nur, wenn die Politik uns die Weltmarktorientierung beschert, indem sie die Märkte öffnet, dann müssen wir auch die Chance haben, da hin zu gehen und uns nicht nur die Risiken einzuhandeln, sondern auch die Chancen nutzen zu können.“

Aus Sicht des NDR kann die Chance aber zur Falle werden, wenn die Erlöse die Kosten nicht mehr decken. Ein Schweinehalter erklärt, dass er für den Export nach China eigentlich die doppelte Menge Tiere halten müsste, den Stall „proppevoll nach gesetzlichem Mindeststandard“ belegen müsste und es egal sein müsste, wenn mal ein „paar Ferkel hopps gehen“.

„Das muss ich machen, wenn ich weltmarktorientiert wirtschafte“, sagt er deutlich. Doch darin sieht er keine Zukunft, sondern baut seine Ställe auf höhere Haltungsformen um; er gehe ins Risiko, um den Familienbetrieb zu retten, heißt es. Der Landwirt ist zwar Mitglied im Bauernverband, sieht aber auch, dass sein Verband nicht allen Interessen gerecht werden kann. Laut der Nabu-Umfrage würden sich 56 % nicht vom Bauernverband vertreten fühlen.

Warum sich auch Peter Guhl, der heute bei den Freien Bauern aktiv ist, von den höheren Ebenen des Bauernverbandes nicht mehr vertreten fühlt, erklärt er ab Minute 23.

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