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Neuer Landwirtschaftsminister: „Özdemir hat eine Chance verdient“

Mit Cem Özdemir wird ein fachfremder Vegetarier Hausherr im Bundeslandwirtschaftsministerium. Kann das gut gehen? Warum eigentlich nicht? Ein Kommentar.

Lesezeit: 4 Minuten

Die Personalien stehen. Und die erste Euphorie darüber, dass der Branche mit Cem Özdemir ein Hardliner wie Anton Hofreiter als Agrarminister erspart blieb, ist kaum verflogen. Da kehrt auch schon die erste Ernüchterung ein.

Fachfremd und nur ins Amt getragen durch ein starkes Erststimmenergebnis in Stuttgart und eine Machtdemonstration des Realo Flügels, hadert mancher mit dem künftigen Hausherrn im BMEL. Dieser bezeichnet sich selbst als „anatolischen Schwaben“ und ernährt sich auch noch vegetarisch.

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Bislang verbinden die meisten Menschen mit ihm, abgesehen von ein paar Hanfpflanzen auf der Dachterrasse und ein paar sehr unglücklichen Äußerungen zum „Rüssel-Abschneiden“ bei Schweinen, herzlich wenig mit den Themen Ackerbau und Viehzucht.

Sachkundenachweis für Minister?

Wie passt das zusammen, fragt sich so mancher Praktiker. Und es entbehrt tatsächlich nicht einer gewissen Komik: Jeder Betriebsleiter, der ein paar Tiere halten oder eine Pflanzenschutzspritze bedienen möchte, muss diverse Sachkundenachweise erbringen.

Wer als Minister, den gesetzlichen Rahmen für mehr als 260.000 landwirtschaftliche Betriebe mitbestimmt, dem genügt das passende Parteibuch. Wo bleibt der Stallgeruch, das Fachwissen über Landwirtschaft, die Begeisterung für die Lebenswirklichkeit auf dem Land?

Und damit wir uns richtig verstehen: Alles davon ist wichtig. Und es ist ein Jammer, dass Eigenschaften wie diese in der Auswahl des politischen Spitzenpersonals so weit hintenanstehen. Und das ist bereits in der Vergangenheit mal gut gegangen, mal grandios gescheitert:

Ilse Aigner entwickelte vor ihrer Zeit im Bundeslandwirtschaftsministerium von 2008 bis 2013 als gelernte Elektrotechnikerin die Systemelektrik von Hubschraubern und arbeitete sich dennoch schnell in die neuen Themen ein. Ihr CSU-Parteikollege und (Nach-) Nachfolger Christian Schmidt landete als Jurist im BMEL weil er Franke war ­- und blieb in seiner Taten- und Ideenlosigkeit bis heute unerreicht. Da nützte es den Bauern auch wenig, dass er gerne Fleisch aß, öffentlich sogar eine Lanze für Greußener Salami in der heute Show brach.

Ein Minister muss nicht Horst heißen

Zur Wahrheit gehört, dass ein Minister nicht Horst heißen oder Fleisch essen muss, um zu verstehen, dass die Landwirtinnen und Landwirte Respekt für ihre tägliche Arbeit verdienen. Wichtig ist vielmehr, dass er oder sie die richtigen Fragen stellt, zuhört und erkennt, dass er mehr Tierwohl, Klima- und Umweltschutz nicht gegen die Bauern, sondern nur mit ihnen vorantreiben kann.

Landwirtschaft ohne Wirtschaft, gibt es nicht. Und man ist geneigt zu glauben, dass auch der Oberrealo Özdemir das so sieht. Er wird für die schwierigen Aufgaben, die in der Landwirtschaft vor ihm liegen, Fähigkeiten in die Waagschale werfen dürfen, die man durchaus mit ihm verbindet: Die Gabe Menschen zu gewinnen und mitzunehmen, gehört dazu. Genauso wie das Moderationstalent und der analytische Verstand, um die immer komplexeren Interessen- und Zielkonflikte auszutarieren.

Özdemir als ehrlicher Makler?

An gereizter Stimmung, emotional aufgeladenen Themen und beinharten Zielkonflikten mangelt es in der Landwirtschaft derzeit nicht. Und da muss ein politisches Schwergewicht mit einem Gespür für Wirtschaft, wie Cem Özdemir es zweifellos in seiner Partei ist, nicht der schlechteste Makler für die Interessen der Landwirtinnen und Landwirte sein. Der Schwabe, bislang eher in Wirtschaftsthemen oder der Außenpolitik zu Hause, kann nun unvoreingenommen an die vielen Themen im Agrarbereich herangehen.

Sowohl die Landwirtinnen und Landwirte also auch der neue Minister haben eine ehrliche Chance verdient."

Er steht dabei vor keiner einfachen Aufgabe. Der linke Flügel seiner Partei wird bei grünen Kernthemen wie der Agrarwende Ergebnisse einfordern. Nicht wenige Parteifreunde haben das Gefühl, bei den jüngsten Sach- und Personalfrage den Kürzeren gezogen zu haben. SPD und FDP haben hart verhandelt: Für Mindestlohnbezieher, für Autofahrer, für Steuerzahler - nur eben nicht für Landwirte.

Es wird Kraft brauchen, damit die Interessen der Branche bei der Umsetzung der vielen vagen Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag nicht hinten runterfallen. Und das obwohl mit dem Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft und den Borchert-Vorschlägen zum Umbau der Tierhaltung gleich zwei Konzepte auf dem Tisch liegen, die der Minister zur Not auch gegen die Hardliner in den eigenen Reihen durchsetzen sollte.

Sowohl die Landwirtinnen und Landwirte also auch der neue Minister haben eine ehrliche Chance verdient. Beide Seiten sollten sie nutzen.

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