Die SPD lehnt es weiterhin ab, Saisonbeschäftigte in der Landwirtschaft vom gesetzlichen Mindestlohn auszunehmen. Das hat Dirk Wiese von der SPD-Bundestagsfraktion am Mittwoch auf dem Deutschen Raiffeisentag nochmals klargestellt.
Er begründet das damit, dass Ausnahmeregelungen automatisch mit zusätzlicher Bürokratie einhergingen. Und ohnehin sei die Festlegung des Mindestlohns allein eine Entscheidung der unabhängigen Mindestlohnkommission. Das Gremium wird Ende Juni seine Entscheidung treffen. Staatliche Eingriffe werde es nicht geben, versicherte der Abgeordnete.
15 €/Stunde stehen auch im Koalitionsvertrag
Wiese machte zugleich deutlich, dass sich die Kommission nach seiner Einschätzung in etwa auf einen Wert von 15 Euro pro Stunden einigen wird. Auf dieses Ziel hätten sich auch SPD und Union im Koalitionsvertrag verständigt.
Unterdessen hat der Gesamtverband der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) den Gesetzgeber aufgefordert, Rechtsunsicherheiten im Zusammenhang mit der kurzfristigen Beschäftigung zu beseitigen. Dies betrifft insbesondere das Kriterium der fehlenden Berufsmäßigkeit. Als Anlass könne die geplante Ausweitung der sozialversicherungsfreien kurzfristigen Beschäftigung von 70 auf 90 Arbeitstage dienen.
Rückwirkende Zahlungen verhindern
Sozialversicherungsfreie kurzfristige Beschäftigungen dürfen nicht „berufsmäßig“ ausgeübt werden. Bei Überprüfungen häufen sich seit einigen Jahren die Beanstandungen in Fällen, in denen Saisonarbeitskräfte ihren beruflichen Status als Hausfrau oder Hausmann angeben. Dies habe zur Folge, dass Betriebe rückwirkend die vollen Sozialabgaben, also Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil, für diese Beschäftigungen nachzahlen müssten, erläuterte GLFA-Hauptgeschäftsführerin Nicole Spieß gegenüber AGRA Europe.
Ihren Angaben zufolge haften die Betriebe damit für falsche Angaben der Beschäftigten, obwohl sie keine Möglichkeit haben, deren Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen zu überprüfen. Der GLFA fordert deshalb eine gesetzliche Regelung dahin gehend, dass eine mögliche Sozialversicherungspflicht bei unzutreffenden Angaben nicht rückwirkend gilt, sondern erst ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe einer entsprechenden Entscheidung durch die Deutsche Rentenversicherung – und somit nur für die Zukunft wirkt.
Darüber hinaus hält es die Hauptgeschäftsführerin für dringend erforderlich, das Kriterium der fehlenden Berufsmäßigkeit gesetzlich klar und praxisnah zu definieren. Eine mögliche Lösung wäre für Spieß die Einführung einer verbindlichen Entgeltgrenze, bis zu deren Erreichen von keiner berufsmäßigen Ausübung ausgegangen werden kann.
Eine solche Grenze könnte sich an dem für steuerlich begünstigte kurzfristige Beschäftigungen geltenden Tageshöchstbetrag von 150 € orientieren. Dies entspräche der Rechtsanwältin zufolge bei einer aktuell maximal möglichen Einsatzdauer von drei Monaten à sechs Arbeitstage pro Woche einem Jahresverdienst von bis zu 11.700 €.
Leserstimmen
"Jene SPD, die bei der Bundestagswahl eine krachende Niederlage eingefahren hat, verhindert jetzt den so dringend erforderlichen Politikwechsel. In unserem Agrarsektor werden die arbeitsintensiven Kulturen verschwinden, bzw. in Länder mit deutlich niedrigeren Löhnen und Umweltstandards abwandern. Sieht so eine vernünftige Wende aus?" (Ludger Hengelsberg)
"Wenn man mal berücksichtigt, dass der Mindestlohn z. B. in Rumänien aktuell bei 5 Euro/h brutto liegt und die Saisonkraft in Deutschland nahezu 13 Euro/h aktuell bekommt, dann frage ich mich allen Ernstes warum kann man hier nicht eine Ausnahmeregelung für diese Kräfte schaffen? Die Betriebe hätten Klarheit und eine Kalkulationsbasis auf den derzeitigen Gegebenheiten und die Saisonkräfte würden immer noch gutes Geld verdienen. Hier versucht sich wieder eine JUNIORpartei mit ihren Idealen in den Vordergrund zu stellen. Das Argument mit dem Koalitionsvertrag ist so brüchig wie ein alter Blumentopf. Denn die Formulierung im Koalitionsvertrag würden eine Ausnahme in bestimmten Fällen durchaus zulassen. Aber treiben wir dieses Wohlstandsgeplänkel ruhig weiter. Nur: All die Betriebe die durch den Kostendruck ihre Produktion einstellen sind weg und kommen nicht mehr zurück! Dann holen wir unsere Lebensmittel vom Dumpingmarkt aus dem Ausland und bemängeln aus der Ferne die dortige Kinderarbeit und Menschenausbeutung. Es schaudert einem bei soviel Politarroganz." (Stefan Lehr)