Der Entwurf zum Koalitionsvertrag der möglichen schwarz-roten Bundesregierung liegt seit der vergangenen Woche vor. Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat das Papier seitdem eingehend analysiert. Im Gespräch mit Agrarjournalisten blieb Verbandspräsident Joachim Rukwied am Mittwoch bei seiner ersten Einschätzung: Agrarpolitisch finde sich „Licht und Schatten“ und gesamtwirtschaftlich allerdings auch das Risiko, dass wichtige Strukturreformen nicht beherzt genug angegangen werden. Kein Verständnis hat Rukwied für neue Pläne zum Artenschutz, die über das angedachte Naturflächenbedarfsgesetz zusätzliche Flächenverluste für die Landwirtschaft nach sich ziehen würden.
Rukwied: Brauchen Netto-Investitionen in die Wirtschaft
Mit Blick auf die prekäre wirtschaftliche Situation vieler deutscher Branchen mahnte Rukwied: „Wir müssen raus aus der Abwärtsspirale, in der wir uns in Deutschland schon seit über einem Jahrzehnt befinden. Das muss Leitlinie der zukünftigen Regierung sein.“ Dafür brauche es Netto-Investitionen in die Wirtschaft, auch in die Landwirtschaft und die ländlichen Räume. Hier wird der Bauernpräsident besonders deutlich: „Wir müssen die ländlichen Räume stärken, damit sie nicht sterben.“
Agrardieselrückerstattung zeitnah wiederherstellen
Positiv am agrarpolitischen Teil des Koalitionspapiers sieht Rukwied, dass die Agrardieselrückerstattung zeitnah und vollumfänglich wiederhergestellt werden soll. Damit werde für faire Bedingungen im innereuropäischen Wettbewerb gesorgt. Auch die von den angehenden Koalitionären in Aussicht gestellte 20-jährige Bestandssicherheit für Stallbauten sei grundsätzlich richtig.
Auf der Habenseite verbucht der Bauernpräsident zudem:
Bürokratieabbau,
die Abschaffung der Stoffstrombilanz,
steuerliche Erleichterungen etwa für Abschreibungen,
die vorgesehene Einführung einer Risikoausgleichsrücklage,
die angekündigte Verhinderung des von der EU geplanten Bodenüberwachungsgesetzes sowie
Steuervergünstigungen für Biokraftstoffe.
Fianzierungsvorbehalt darf nicht zum Ausstieg führen
Dass ein Großteil dieser Vorhaben unter Finanzierungsvorbehalt stehen, nimmt Rukwied zur Kenntnis. Er mahnt gleichwohl an, dass der Berufsstand für einen (Teil-)Ausstieg aus diesen Koalitionsvereinbarungen kein Verständnis hätte, denn dies würde den landwirtschaftlichen Herausforderungen schlicht nicht gerecht.
Mindestlohn-Sonderregelung für die Landwirtschaft muss sein
Auf Ablehnung stößt beim Bauernverband weiterhin die von der SPD vorangetriebene geplante Anhebung des Mindestlohns auf 15 €/h. Laut Rukwied würde dadurch das Bekenntnis der Koalitionäre zum arbeitsintensiven deutschen Obst- und Gemüseanbau zur „Makulatur“, da sich der Anbau von Sonderkulturen auf diesem Lohnniveau nicht mehr rechnen würde.
Er bekräftigt daher die Forderung des DBV: „Wir brauchen für Saisonarbeitskräfte, die ihren Lebensmittelpunkt in ihrem Herkunftsland haben, eine Sonderregelung für die Landwirtschaft. Ansonsten wird der jetzt schon stattfindende Rückgang im Anbau von Sonderkulturen noch beschleunigt.“
"Kampfansage" gegen neue Flächenentnahmen
Mindestens genauso hart kritisiert der Präsident des Bauernverbandes die möglichen Flächenentnahmen, die aus dem Naturflächenbedarfsgesetz resultieren könnten. Für ihn ist das „ein Angriff aufs Eigentum“ sowie „eine Kampfansage an die Landeigentümer und an die Landnutzer“. Entgegenkommen des DBV ist an dieser Stelle nicht zu erwarten. Rukwied sagte: „Das können und werden wir so nicht akzeptieren, weil darin die große Gefahr besteht, dass der Rückgang an landwirtschaftlicher Nutzfläche, den wir seit Jahrzehnten haben, den wir tagtäglich haben, dass er hier sogar noch beschleunigt wird.“
Beim Thema Bürokratieabbau bemängelt Rukwied zudem, dass im Koalitionspapier vieles in Form von Prüfaufträgen formuliert ist. Er hätte sich da mehr Verbindlichkeit gewünscht, bleibt aber optimistisch, was die Abarbeitung der 194 Ländervorschläge für weniger Bürokratie in der Landwirtschaft angeht: Wenn davon zwei Drittel umgesetzt würden, könne man im Wesentlichen zufrieden sein.
Bitte keine Blockadepolitik zwischen den Ressorts
Die Regierungsarbeit wurde in den vergangenen Jahren und insbesondere in der letzten Großen Koalition oft durch Animositäten zwischen den einzelnen Fachressorts behindert. Rukwied hätte daher gern gesehen, dass die Bundesministerien für Umwelt, Klima und Landwirtschaft ausschließlich von Unionsministern geführt worden wären. Das wird nun nicht passieren, da Umwelt nach jetziger Planung an die SPD fällt, während das Landwirtschaftsministerium von der CSU geführt werden soll.
Der Bauernpräsident hat dennoch einen guten Rat an die beiden Hausleitungen: „Bloß nicht zurückfallen in die Situation der GroKo, gegenseitige Blockaden können wir uns nicht noch einmal leisten.“ Wer dem Agrarressort vorstehen wird, ist momentan noch nicht sicher. Viel deutet aktuell auf die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber hin. Egal, wer es am Ende wird: Rukwied bietet schon jetzt eine „sachorientierte“ Zusammenarbeit an, im Sinne der Weiterentwicklung der Landwirtschaft.