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INTERVIEW

Noichl: „Ich wundere mich, warum die Bauernverbände den Skandal nicht lauter anprangern“

Bundeslandwirtschaftministerim Klöckner ist alarmiert über fortschreitende Landkonzentration von Agrarflächen. DIe SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl hat einen EU-Bericht vorgelegt

Lesezeit: 5 Minuten

Der neue polnische EU-Agrarkommissar Janus Wojciechowski will der Eigentumskonzentration in der europäischen Landwirtschaft zugunsten von Großinvestoren Einhalt gebieten. Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sieht die Landnahme vor allem in ostdeutschen Regionen mit großer Sorge und hat unlängst in Mainz bei der Agrarministerkonferenz der Länder Alarm geschlagen.

Die SPD-Europaabgeordnete hat das Thema in einem Initiativbericht bereits 2017 thematisiert. Die am 1. Dezember ins Amt kommende Von der Leyen-Kommission will dem Ausverkauf von Agrarland nicht weiter tatenlos zusehen. Im Interview mit top agrar erläutert Maria Noichl die Herausforderung:

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Frau Noichl, Was hat sich seit ihrem Initiativbericht im EU-Parlament gegen Landkonzentration in der EU-Landwirtschaft im Jahre 2017 getan?

Noichl: Täglich wird weiter Land von großen Betrieben und Investoren aufgekauft. Die Eigentumskonzentration schreitet ungebremst fort. Für die arbeitenden LandwirtInnen sind die Pachtpreise für Agrarland weiter gestiegen. Ungebremst wurden auch während der letzten 2 Jahre weiter Agrar-Milliarden vorrangig nach Flächenbesitz in die Hände von Wenigen vergeben.

Damals hat der EP-Agrarausschuss sich für die Einrichtung einer EU-Beobachtungsstelle und die Aufstellung von nachprüfbaren Kriterien bei gesetzlichen Maßnahmen auf nationaler Ebene ausgesprochen. Gibt s Fortschritte?

Noichl: Die Beobachtungsstelle gibt es noch nicht. Leider. Es wäre so wichtig, EU-weit über die Dynamik der Landverkäufe und der Konzentration zeitnahe Informationen zu bekommen. Dieser Schritt fehlt noch. Auf der anderen Seite hat die Kommission einen klaren Kriterienkatalog auf den Tisch gelegt: Wie können Mitgliedstaaten EU-rechtskonform ihre Flächen vor dem Ausverkauf schützen? Hier wurde der Knoten zerschlagen, der vorher so festgezurrt war. Wer also in Zukunft sein Agrarland schützen will, hat klare Kriterien, was erlaubt ist und was verboten. Verboten bedeutet, es verstößt gegen die 4 Grundfreiheiten der EU. Dieser Schritt war sehr wichtig. Jetzt sind die Mitgliedstaaten am Zug.

"Wer einmal Tausende Hektar Agrarland sein Eigentum nennt, wird von der EU mit Millionen subventioniert"

Stellt der unlängst veröffentlichte New York Times Beitrag zu Betrugsfällen in Ungarn und Tschechien auf Regierungsebene nur die Spitze des Eisbergs in der EU-Förderpraxis dar?

Noichl: Ja, das ist die Spitze eines sehr großen Eisberges. Die Verbindung von Namen bekannter Politiker, wie Babis (Tschechien) oder Orban (Ungarn), mit der unnatürlich umfangreichen Aneignung von Agrarland ist wie das Legen eines Bypasses: Wer einmal tausende Hektar Agrarland sein Eigentum nennen darf, wird ohne weiteres Zutun, rechtlich abgesichert, von der EU– zumindest über den Umweg von Pachtzahlungen - mit Millionen subventioniert. Das ist ein Skandal. Agrarland ist dafür da, um gesunde Lebensmittel erzeugen und um damit Ökodienstleistungen Klima-, Wasser- und Bestäuberschutz erbringen zu können – eine Zweckentfremdung im Sinne von "Agrarland als Gelddruckmaschine" gefährdet langfristig die Versorgung unserer Bevölkerung.

Die GAP-Direktzahlungen dürften nicht zu einem „reinen Renditeinstrument" oder falschem Anreizsystem für Finanzspekulanten werden, fordert ihr EVP-Kollege Dorfmann. Stimmen Sie dem zu und wie könnten Fehlentwicklungen korrigiert werden?

Noichl: Wo er Recht hat, hat er Recht. Ich wundere mich, warum die Bauernverbände hier immer noch so zurückhaltend sind und den Skandal nicht lauter anprangern.

Das Subventionssystem der EU ist wie ein Nudelsieb. Eigentlich sollten die Gelder für den Erhalt der Landschaft, die Unterstützung bei der Produktion nachhaltiger Produkte und zusätzlicher Tierschutzprogramme da sein. In Wirklichkeit spüren viele aktive Bäuerinnen und Bauern, besonders die Familienbetriebe, den Geldregen nur kurz. Wenig später fließen die Milliarden weiter in die Taschen der Grundeigentümer. Nicht in der Landwirtschaft, sondern an der Landwirtschaft wird verdient. Mit diesem System muss endlich Schluss sein.

Landwirtschaftliche Grundflächen in den neuen Bundesländern und in Osteuropa locken mit besonders günstigen Preisen landwirtschaftsfremde Erwerbsstrukturen an: Wie kann dem Einhalt geboten werden?

"Problematisch sind EU-Staaten, in denen durch Korruption die Justiz eingeschränkt wird"

Noichl: In den Mitgliedsländern mit Gesetzen zum Verkauf von Landwirtschaftsflächen, mit Steuerrecht, mit Abschöpfungsmodellen, und, und, und. Einhalt geboten kann dem nur in Europa mit dem AUS für reine Flächenzahlungen. Sehr problematisch sind Verbindungen in Mitgliedstaaten, die einerseits die Justiz einschränken und andererseits durch Korruption und Günstlingswirtschaft innerstaatliche Bereicherung für Wenige organisieren. Hier muss die EU endlich selbstbewusst handeln. Wer gegen die Rechtsstaatlichkeit verstößt muss dies beim Blick auf seinen Kontoauszug merken!

Sie fordern, dass EU-Abgeordnete im Agrarausschuss beim Thema Direktzahlungen nicht abstimmen dürfen, wenn Sie selbst betroffen sind - also Eigner von Landflächen sind, die EU-Flächenprämien erhalten. Warum?

Noichl: Was in jedem Gemeinderat, Kommunalparlament und Stadt- oder Bezirksrat Normalität ist, nämlich bei Betroffenheit als Abgeordnete nicht abstimmen zu dürfen, muss auch im Europaparlament die Richtschnur sein. Es kann nicht angehen, dass Haupterwerbslandwirte im Europäischen Parlament selbst über EU-Direktbeihilfen mitentscheiden. Das geht überhaupt nicht in einer Demokratie.

Aber mit diesem Antrag sind Sie bisher gescheitert...

Noichl: Ja, leider fehlen dafür bisher Einsichten und Mehrheiten im EU-Parlament, dies durchzusetzen.

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