Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein! Was Landwirten beim Stallgang in der Regel keinen Verdruss bereitet, zählt für aufstrebende Politiker zu den Desastern, die es tunlichst zu verhindern gilt. Bewährte Rezepte sind eine Dauerkarte bei Markus Lanz, Attacken auf Parteifreunde und Koalitionspartner sowie Interviews zwischen den Jahren. Letztere hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zum Mittel der Wahl erkoren.
Waren es im vorletzten Jahr die Ramschpreise, das Bauernsterben und das schlechte Schweineleben, denen der Minister zwischen Weihnachten und Neujahr den Kampf angesagt hat, folgten diesmal neben dem bekannten Schweineelend die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse, der Biosprit und die Pestizide.
Kluft zwischen Wort und Tat
Kein Schwein ruft mich an, heißt es derweil in der Opposition, die ihr tristes Dasein seit nunmehr über einem Jahr im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit fristet. Der Union bleibt dadurch allerdings Zeit zur ernsthaften Recherche mit bisweilen erstaunlichen Ergebnissen: die Kombination „Özdemir will“ findet sich demnach mehr als 100 000 Mal im weltweiten Netz, „Özdemir setzt um“ hingegen nicht ein einziges Mal! Wir ahnten es schon, es gibt eine gewisse Kluft zwischen Wort und Tat im Hause Özdemir.
Man muss kein Schwein sein in dieser Welt, um zu erkennen, dass dies für den Minister und die Branche nicht ohne Risiken ist. Längst wollen sie alle nicht mehr das eine, die Männer und Frauen, die einst in der Zukunftskommission das Bild einer zwar schrumpfenden, aber heilen Schweinewelt entworfen haben. Inzwischen melden sich vermehrt die zu Wort, die Schweine generell lieber im Weltall, zumindest aber weit auswärts, nicht jedoch in heimischen Ställen sähen. Auf der anderen Seite werden Stimmen lauter, die Tierwohl, Vegetariertum und Veganertrends schon immer für Gedöns und die Bauernzustimmung zu gemeinsamen Schlussfolgerungen ohnehin für eine Sauerei hielten.
Abrissbirne anstatt Umbau?
Der Bundeslandwirtschaftsminister und die ihn tragende Ampel sind also gut beraten, ihre inneren Schweinehunde zu überwinden und vom Reden ins Handeln zu kommen, und zwar am besten im Schweinsgalopp, bevor beide Seiten endgültig den wilden Eber machen. Andernfalls dürfte sich der aktuelle Umbau der Schweinehaltung mit der Abrissbirne fortsetzen, wie ihn ein Professor unlängst zwar unwissenschaftlich, aber treffend beschrieben hat. „Schwein gehabt“, böte sich als Überschrift über das später einmal zu schreibende Agrarkapitel der Ampel an. Noch ist nicht ausgeschlossen, dass alle darunter das Gleiche verstehen werden.