Als gegenwärtig einziger Agrarminister mit grünem Parteibuch in der Europäischen Union dürften dem neuen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in Brüssel bereits etablierte Parteinetzwerke fehlen. Dies könnte, so verschiedene Brüsseler Akteure gegenüber AGRA-EUROPE, unter anderem bei der Vorbereitung der EU-Agrarratstreffen zumindest zu Beginn leichte Startschwierigkeiten mit sich bringen.
So kommt es in der Regel vor den offiziellen Zusammenkünften der Landwirtschaftsminister in Brüssel oder Luxemburg jeweils zu eigenen Vortreffen der Ressortchefs der Europäischen Volkspartei (EVP), der Sozialdemokraten und Sozialisten sowie der liberalen Parteien. Auch die agrarpolitischen Sprecher der jeweiligen Fraktionen nehmen teil.
Bereits für den heutigen Montag und Dienstag hat der Grünenpolitiker seine erste Teilnahme beim Agrarrat in Brüssel angekündigt. Andere Kreise unterstreichen allerdings, dass die unterschiedlichen Trennlinien im Agrarrat eher geographisch beziehungsweise kulturell begründet sein dürften. Je nach Thema gibt es also vor allem innerhalb der östlichen Mitgliedstaaten wie beispielsweise in der aus Polen Tschechien, der Slowakei und Ungarn bestehenden Visegrád-Gruppe, den südlichen Mittelmeerländern sowie den teilweise progressiveren westlichen und nördlichen Mitgliedstaaten eine parteiübergreifende Zusammenarbeit.
Deutschland bereits im Reformlager
Erste Kritik am neuen deutschen Bundeslandwirtschaftsminister übte der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im EU-Parlament, Norbert Lins, gegenüber AGRA-EUROPE. Özdemirs Aussage, dass die Bundesrepublik im Agrarrat jetzt in das Reformlager wechseln werde, sei objektiv unzutreffend, erklärte Lins. Vielmehr sei Deutschland immer im Reformlager der EU-Mitgliedstaaten vertreten gewesen, so der CDU-Politiker.
Gerade Özdemirs Amtsvorgängerin Julia Klöckner habe mit großem Engagement die südlichen und östlichen Mitgliedstaaten von notwendigen Änderungen an der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) überzeugen können.
Lob für den neuen Berliner Agrarressortchef kam indes erwartungsgemäß von seinem Parteikollegen, dem grünen Agrarsprecher Martin Häusling. Der langjährige EU-Agrarpolitiker zeigte sich vor allem überzeugt, dass Özdemir die entscheidenden Personen aus der Kommission auf seiner Seite habe. Hier nannte Häusling Kommissionspräsidentin Dr. Ursula von der Leyen sowie den geschäftsführenden Vizepräsidenten und Klimakommissar Frans Timmermans als auch den EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius.
Der Grünenpolitiker begrüßte zudem, dass die länderübergreifende „Panikmache“ vor der Farm-to-Fork-Strategie durch seinen Parteifreund keine Unterstützung finden werde.