Die Entwicklung der Landwirtschaft in Deutschland und vor allem der Umbau Tierhaltung kreisen um die Finanzierungsfrage. Diese beantwortet die Ampel-Regierung bisher allenfalls schwammig. Daran haben auch die Interviews von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und die vielen Frage- und Onlinerunden zur Agrarpolitik in den ersten Januarwochen nichts geändert.
Immerhin hat Özdemir bei seinen ersten Auftritten Unterstützung für den Umbau der Tierhaltung zugesichert. Zudem will er, dass dabei mehr Geld in der Landwirtschaft ankommt. Und er verweist auf die Finanzierungsvorschläge der Borchert-Kommission. Das sind im Wesentlichen eine Mehrwertsteuererhöhung für tierische Produkte oder eine nutzerorientierte Fleischabgabe.
Die Strategie - zuerst auf die Kriterien für die Tierhaltungskennzeichnung zu schauen und dann erst auf die Finanzierung - ist riskant.
Doch Özdemir bittet um Nachsicht, dass in der Kürze der Zeit noch keine Entscheidung für ein Finanzierungsmodell möglich war. Entschieden haben sich Özdemir und die Ampel-Koalition jedoch bereits, dass die verbindliche Tierhaltungskennzeichnung samt ihrer Kriterien 2022 kommt. Das ging also schnell.
Diese Strategie - zuerst auf die Kriterien für die Tierhaltungskennzeichnung zu schauen und dann erst auf die Finanzierung - ist riskant. Özdemir und die Ampel drohen damit den gleichen Fehler zu begehen, wie seine Vorgängerin Julia Klöckner und die Groko. Diese hatten auch ein staatliches Tierwohllabel im Koalitionsvertrag und haben dann vier Jahre mit Debatten über die Kriterien verbraucht. Am Ende standen sie mit leeren Händen da. Und das, obwohl es mit den Ergebnissen der Borchert-Kommission und mehreren Machbarkeitsstudien beizeiten valide Empfehlungen für eine Finanzierung gab.
Wenn sich Grüne, FDP und SPD nicht bald auf einen verlässlichen Finanzierungsplan einigen, gehen ihnen die Landwirtinnen und Landwirte wieder von der Stange.
Aus der Landwirtschaft erhält Özdemir bisher viele Vorschusslorbeeren. Vor allem tierhaltende Betriebe hoffen auf klare Ansagen und finanzielle Möglichkeiten, die auch die laufenden Kosten für mehr Tierwohl im Stall und nicht nur die Investitionskosten tragen.
Wenn sich Grüne, FDP und SPD nicht bald auf einen verlässlichen Finanzierungsplan einigen, gehen ihnen die Landwirtinnen und Landwirte wieder von der Stange. Die Enttäuschung, dass sich am Ende höhere Tierschutzstandards ohne eine höhere Entlohnung für den Aufwand durchsetzen, kennen sie allzu gut.
Das Streben des Lebensmitteleinzelhandels nach höheren Haltungsstufen macht unmissverständlich klar, hohe Tierhaltungsstandards werden sich durchsetzen. Özdemir und die Ampel haben es jetzt in der Hand, wie viele Betriebe mit Tierhaltung da noch mitkommen.