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Pauschalierungssatz in Gefahr: Handeln Sie jetzt!

Die Bundesregierung wird voraussichtlich den Pauschalierungssatz Anfang 2022 senken. Wer seinen Betrieb teilen will, um die neuen Pauschalierungsgrenzen einhalten zu können, muss umdenken!

Lesezeit: 9 Minuten

Unsere Experten: Steuerberater Stefan Heins und Steuerberater Jasper Reiter, wetreu Kiel

Die Ankündigung kommt relativ nüchtern formuliert auf anderthalb Seiten daher. Dabei hat sie eine enorme Sprengkraft: Die Bundesregierung will den Pauschalierungssatz von 10,7 % auf 9,6 % senken. Möglicherweise schon am 1.1.2022. Das zumindest geht aus einem Entwurf hervor, den das Bundesfinanzministerium an die Fraktionen der CDU/CSU und SPD geschickt hat und top agrar vorliegt.

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Für Pauschalierer würde damit die Lücke zwischen den Ausgaben (oft 19 % MwSt.) und den Einnahmen (9,6 % statt 10,7 % MwSt.) größer. Oder anders ausgedrückt: Der Pauschalierungsvorteil fällt künftig kleiner aus. Was steckt hinter der Ankündigung? Bleibt es bei 9,6 % oder sind auch andere Werte realistisch? Und wie sollten Landwirte regieren, die darüber nachdenken, ihren Betrieb zu teilen, um die Pauschalierungsgrenze von 600.000 € Umsatz einhalten zu können? Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Hintergrund

Was steckt hinter der Ankündigung?

Antwort: Seit Jahren streiten die Bundesregierung und die EU über zwei Fragen: Wer darf pauschalieren? Und ist der Satz von 10,7 % zu hoch? Die Zankerei gipfelte in gleich zwei Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Um die Wogen zu glätten, hat Berlin mit dem Jahressteuergesetz 2020 beschlossen:

  • Betriebe mit einem Nettoumsatz von 600.000 €/Kalenderjahr dürfen ab dem 1.1.2022 nicht mehr pauschalieren.
  • Die Bundesregierung wird die Höhe des Pauschalierungssatzes jedes Jahr aufs Neue prüfen und ggf. anpassen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat daher vor ein paar Monaten seine Amtskollegin Julia Klöckner (CDU) gebeten, die durchschnittliche Vorsteuerbelastung für die Jahre 2017 bis 2019 zu berechnen. Ergebnis: anstatt 10,7 % müsste der Wert 9,6 % betragen. Würde das Ministerium im Übrigen das Jahr 2020 mit einbeziehen, sähe die Rechnung nicht viel besser aus. Denn zeitweise lag der Mehrwertsteuersatz nicht bei 19 % sondern 16 %. Die Ausgaben der pauschalierenden Landwirte fielen entsprechend geringer aus, bei gleichbleibend hohen Mehrwertsteuereinnahmen (10,7 %).

Pauschalierungssatz

Sind die 9,6 % in Stein gemeißelt?

Antwort: Das ist nicht sicher. Dagegen sprechen zwei Argumente:

  • Neben der bereits angesprochenen Berechnung des BMEL gibt es noch eine des Bundesrechnungshofes. Dieser kommt zu einem noch niedrigeren Satz. Danach wäre ein Wert von 9,3 % angemessen. Allerdings: Die Kalkulation bezieht sich auf die Jahre 2011 bis 2013. Zudem unterscheiden sich die Rechenwege der beiden Methoden, auch wenn das BMEL seine Vorgehensweise nach eigenen Angaben an die des Bundesrechnungshofes angepasst hat.



    Hintergrund: Klöckners Mitarbeiter hatten in älteren Kalkulationen bislang auch die Vorsteuer von gewerblichen Lohnunternehmen einfließen lassen (ca. 12 %). Damit handelte sich das Ministerium aber Kritik vom Bundesrechnungshof ein, weshalb das BMEL die Lohnunternehmen in seiner jüngsten Analyse gestrichen hat. Ob die neue Herangehensweise des BMEL aber von allen Beteiligten so akzeptiert wird, steht noch nicht fest.



  • Die Berechnungen beziehen sich auf die Jahre 2017, 2018 und 2019. Problem: Der neue Satz könnte bereits ab dem 1.1.2022 gelten. Dann dürfen allerdings Betriebe mit einem Umsatz von mehr als 600.000 €/Kalenderjahr nicht mehr pauschalieren. In den Berechnungen des BMEL sind diese Betriebe aber enthalten. Die Kalkulation ist somit verzerrt. Eigentlich müsste das Landwirtschaftsministerium die umsatzstarken Höfe herausrechnen. Das Ergebnis würde dann nicht mehr so drastisch ausfallen. Ändert die Regierung die Berechnung nicht, ist der verzerrende Effekt erst ab 2025 verschwunden.

Zeithorizont

Wann geht es nun weiter?

Antwort: Mit einer Entscheidung ist erst gegen Ende des Jahres zu rechnen. Vor der Bundestagswahl wird kaum eine Partei schlechte Nachrichten verkaufen wollen. Auf die lange Bank kann die neu gewählte Regierung die Entscheidung hingegen nicht schieben. Berlin muss gegenüber Brüssel liefern, damit das Vertragsverletzungsverfahren nicht eskaliert und schnellstmöglich die Kriegsbeile begraben werden können. Um jetzt nicht unter Zeitdruck eine Fehlentscheidung zu treffen, hat die Regierung die EU-Kommission um mehr Zeit gebeten. Ob Brüssel der Bitte nachkommt, stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest (7.6.2021).

Folgen

Was bedeuten die Änderungen für Betriebe, die derzeit über eine Betriebsteilung nachdenken, um die Pauschalierungsgrenze einhalten zu können?

Antwort: Da der Pauschalierungsvorteil ab dem Jahr 2022 kleiner ­ausfallen könnte, ist möglicherweise für einige Betriebe ein Wechsel in die Regelbesteuerung doch eine Option. Experten rechnen damit, dass Mäster z.B. pro Schwein um rund 1,50 € und Milchviehhalter pro Kuh und Jahr rund 40 € verlieren. Wie drastisch sich das auswirkt, zeigt unser Beispiel, das auf einem tatsächlichen Fall basiert. Der Pauschalierungsvorteil des Betriebs liegt derzeit bei rund 10.000 €/Jahr. Würde der Satz auf 9,6 % sinken, zahlt er sogar drauf. Lesen Sie dazu die ­Zusatzinfo „Es fehlen 13.500 €“ unten.

Vor allem Veredler, denen die niedrigen Preise schlechte Ergebnisse bescheren, sollten sich mit ihrem Steuerberater zusammensetzen und genau abwägen, ob eine Betriebsteilung noch gerechtfertigt ist. Das Gleiche gilt für Landwirte, die in der Vergangenheit stark investiert haben. Denn diese erhalten bei einem Wechsel in die Regelbesteuerung einen Teil der Vosteuer aus ihren Investitionen zurück. Zudem ist der Aufwand für eine Betriebsteilung nicht zu unterschätzen. Lesen Sie dazu die Zusatzinfo „Betriebsteilung: Aufwand als Nutzen abwägen“ unten.

Diejenigen, die ihren Betrieb bereits geteilt haben, müssen nun ebenfalls noch einmal genau nachrechnen und möglicherweise das Konstrukt wieder auflösen. 

Bedenken Sie aber: Wenn Sie die Teilung aufheben und dadurch gewerblich werden, hat das Konsequenzen. Nur ein paar Beispiele:

  • Sie dürfen nicht mehr pauscha­lie­ren – auch wenn Sie weniger als 600.000 € Umsatz/Kalenderjahr erwirtschaften.
  • In einigen Bundesländern können Sie Ihren Betrieb nach dem Höferecht vererben. Davon profitieren Sie aber nur, wenn Sie land- und forstwirtschaftliche Einkünfte erzielen. Für Gewerbetreibende gilt hingegen das Bürgerliche Gesetzbuch.



  • Sie erhalten weniger Fördergelder.Sie müssen schärfere Vorschriften beim Bau eines Stalles einhalten, was mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.



  • Sie dürfen Verluste aus einer gewerblichen Tierhaltung nicht mit anderen Einkünften verrechnen.



  • Ihre Schlepper sind nicht von der Kfz-­­Steuer befreit.

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Beispielrechnung

Es fehlen 13 500 €

Max Zurbrüggen (Name geändert) bewirtschaftet 300 ha und hält 12.000 ­Legehennen. Er pauschaliert und hat 2020 rund 131.000 € MwSt. durch seine Verkäufe eingenommen (10,7 %). Diese muss er nicht an das Finanzamt abführen. Allerdings hat er auch Ausgaben, in denen insgesamt rund 95.000 € MwSt. enthalten waren, die ihm das Finanzamt nicht erstattet. Sein Pauschalierungsvorteil beträgt somit rund. 37.000 €.

Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Denn Zurbrüggen hat in den vergangenen Jahren Hühnerställe gebaut und Maschinen gekauft. Wenn er in die Regelbesteuerung wechseln würde, könnte er sich die Vorsteuer aus seinen Investitionen erstatten lassen – auch noch Jahre später. Diese Gutschriften muss er somit noch von den 37.000 € abziehen, um seinen tatsächlichen Vorteil beziffern zu können.

Zurbrüggen steht nicht die gesamte Vorsteuer zu, die er damals ausgegeben hat, sondern nur ein Anteil. Das Finanzamt verteilt dazu seine Vorsteuer gleichmäßig auf Korrekturzeiträume: Für Gebäude beträgt dieser zehn, für Maschinen fünf Jahre. Beispiel: Sie haben 100.000 € Vorsteuer für einen Stall ausgegeben. Dann sind das bei einem Zeitraum von zehn Jahren 10.000 €/Jahr.

Um die Erstattung des Finanzamtes zu berechnen, muss Zurbrüggen für jede Maschine bzw. für jedes Gebäude ermitteln, wie viel Zeit von den zehn bzw. fünf Jahren abgelaufen ist. Die darauf entfallende Vorsteuer bekommt er nicht erstattet. Die Vorsteuer für die noch verbleibenden Jahre hingegen schon. Allerdings zahlt ihm das Finanzamt seinen Anteil nicht in einer Summe aus, sondern jährlich 1/10 bzw. 1/5.

Ein Wechsel lohnt sich

In unserem Beispiel stünden Zurbrüggen bei einem Wechsel in die Regelbesteuerung 2022 ca. 27.000 € zu. Sein Vorteil beträgt somit tatsächlich „nur“ 9.700 € (37.000 € – 27.000 €). Bei einem Pauschalierungssatz von 9,6 % sinken seine Mehrwertsteuereinnahmen um rund 13.500 €. Bei gleichen Ausgaben und dem Abzug für die Vorsteuerkorrektur klafft unterm Strich ein Minus von 3.800 € bzw. bei einem Wechsel in die Regelbesteuerung könnte er diesen Betrag als Vorteil verbuchen.

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Betriebsteilung

Aufwand und Nutzen abwägen

Wer seinen Betrieb teilt, hat oft nur ein Ziel im Visier: möglichst viel Steuern sparen. Wer allerdings nur aus steuerlichen Gründen seinen Betrieb teilt, dem kann das Finanzamt schnell einen Gestaltungsmissbrauch unterstellen.

Das zeigt auch ein Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH): Ein Steuerberatungsbüro hatte sich in sechs Gesellschaften aufgesplittet, um die Kleinunternehmergrenze zu unterschreiten. So mussten die Berater ihren Mandanten keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen.

Die Richter am BFH stuften das Konstrukt hingegen als Gestaltungsmissbrauch ein. Folge: Die Berater mussten Tausende von Euros an das Finanzamt nachzahlen.

Unzählige Vorgaben

Suchen Sie daher immer außersteuerliche Gründe. Im Zweifel holen Sie Berufskollegen mit an Bord, wie z. B. bei 51 a-Kooperationen. Um auf der sicheren Seite zu sein, hilft auch ein Blick in eine Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover, an der sich die meisten Finanzämter orientieren:

  • Wenn Sie einen Stall an eine neu gegründete Gesellschaft verpachten, dann muss der Pachtvertrag einem Fremdvergleich stand halten. Das gilt auch dann, wenn an dem neuen Betrieb Ihre Tochter oder Ihr Sohn beteiligt sind.
  • Sie müssen sich an die Vereinbarungen im Vertrag halten und dies ggf. dem Finanzamt nachweisen.

Wenn Sie der neuen Gesellschaft Ställe überlassen, dann sollten Sie:

  • Ihre Ställe klar und deutlich voneinander trennen. Es reicht nicht aus, einzelne Buchten zu verpachten.



  • Die Ställe benötigen eigenständige Futterversorgungen.



  • Wasser und Strom müssen getrennt voneinander erfasst werden.



  • Die Gülleentsorgung müssen Sie so regeln wie unter Fremden. Wenn beispielsweise Ihr Junior eine Gesellschaft gründet, einen Maststall von Ihnen pachtet, Sie aber die Gülle für ihn entsorgen, dann müssen Sie Ihrem Nachwuchs das in Rechnung stellen.



  • Sie benötigen außerdem für jede Gesellschaft EU-Betriebsnummern, müssen für jeden Hof Förderanträge ausfüllen und die Tierbestände der HI-Tier­datenbank melden.

Das gilt auch für die Seuchenkasse. Getrennte Nummern für die Invekos-Datenbank sind ebenso erforderlich wie getrennte Abgaben von Beiträgen, z. B. bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse.

Die Verfügung finden Sie auf unserer Themenseite im Internet:  www.topagrar.com/pauschalierung2021  

Zusätzliche Kosten

Berücksichtigen Sie auch die zusätzlichen Kosten einer Betriebsteilung: Wer eine Gesellschaft gründet, benötigt die Hilfe eines Steuerberaters und die eines Rechtsanwaltes. Dafür fallen in der Regel bis zu 3.000 € an (einmalig).

Der Aufwand für den zusätzlichen Jahresabschluss und die Buchführung variieren – je nach Größe und Umfang des Betriebes – zwischen 1.000 und 4.000 €/Jahr. Unterschätzen Sie nicht den Aufwand für das Controlling, das Schreiben der Rechnungen usw. Der kann schnell bei 20 Stunden pro Monat liegen. Bei einem Stundenlohn von 20 € sind das immerhin 4.800 €/Jahr.

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