Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

topplus News

Ripke: „Das Tierwohllabel muss die Mehrkosten zuverlässig decken!“

Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) will die Kostenerstattung für mehr Tierwohl durch die Einführung des staatlichen Tierwohllabels gesichert wissen. Sonst bleiben die Bauern auf den Kosten sitzen, fürchtet ZDG-Präsident Friedrich-Otto Ripke im Gespräch mit top agrar online.

Lesezeit: 10 Minuten

Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) will die Kostenerstattung für mehr Tierwohl durch die Einführung des staatlichen Tierwohllabels gesichert wissen. Sonst bleiben die Bauern auf den Kosten sitzen, fürchtet ZDG-Präsident Friedrich-Otto Ripke im Gespräch mit top agrar online. Den Vorschlag von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner für ein dreistufiges Label unterstützt Ripke, wenn die Einstiegsstufe den aktuellen Kriterien der Brancheninitiative Tierwohl (ITW) entspricht.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Wie halten Sie vom Vorschlag von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, ein freiwilliges Tierwohllabel einzuführen?


Ripke: Die deutsche Geflügelwirtschaft ist klar für ein staatliches Tierwohllabel. Ein einheitlicher Standard bringt Sicherheit für den Verbraucher und vermeidet ein verunsicherndes Label-Wirrwarr. Die vorgeschlagene Dreistufigkeit ist ein guter Ansatz.


Die Freiwilligkeit überzeugt uns nicht: Ein staatliches Tierwohllabel muss verpflichtend für alle Vermarktungswege gelten! Tierwohl darf nicht allein Sache des Lebensmitteleinzelhandels sein, auch das wichtige Großverbrauchersegment muss endlich seinen Beitrag leisten – und das ist nur bei einem verpflichtenden Label gewährleistet.


Der Außer-Haus-Verzehr in Restaurants, Kantinen und weiteren Großküchen macht bei Hähnchen- und Putenfleisch fast zwei Drittel des Pro-Kopf-Verbrauchs aus. Nur ein Pflichtlabel kann einen weiteren Marktvorteil für Ware aus Ländern mit niedrigeren Erzeugungsstandards unterbinden. Deshalb bleibt das Pflichtlabel in Deutschland und Europa Ziel und gemeinsame Aufgabe. Die Freiwilligkeit darf nur ein Anfang sein.


Der Bauernverband fordert alternativ eine verbindliche Haltungskennzeichnung. Ist das auch für die Geflügelwirtschaft eine Alternative?


Ripke: Ein staatliches Tierwohllabel beschreibt ein ganzes System mit Haltungsbedingungen plus Management inklusive zum Beispiel persönliche Sachkunde der Tierbetreuer, Futterqualität und so weiter. Das kann eine reine Haltungskennzeichnung nicht. Zudem ist eine Haltungskennzeichnung für den Geflügelsektor nur eingeschränkt machbar, da hier allein die EU-Vermarktungsnormen maßgeblich sind und nur die dort aufgeführten Haltungsformen auch gekennzeichnet werden dürfen. Damit sind allen Akteuren schon in der Begrifflichkeit Grenzen gesetzt und nur wenige Spielräume gegeben.


Wie stehen Sie zum geplanten dreistufigen Aufbau des Labels mit einem bzw. zwei Sternen und einer Premiumstufe?


Ripke: Die Dreistufigkeit halte ich für richtig. Mit Sicherheit wird zunächst die erste Stufe bei Verbrauchern und Tierhaltern das größte Interesse finden. Bei Verbrauchern wegen des hoffentlich erschwinglichen Preises, und bei Tierhaltern wegen der sofortigen praktischen Umsetzbarkeit. Breitenwirkung und günstiger Verbraucherpreis dürften auch für die Politik von besonderem Wert sein. Dies wird nur möglich sein, wenn die Kriterien in der ersten Stufe nicht überzogen sind.


Welche Marktanteile muss das geplante Label erreichen?


Ripke: Die deutsche Geflügelwirtschaft ist bereits heute mit rund 70 Prozent der Hähnchen- und Putenfleischerzeugung an der Initiative Tierwohl Geflügel (ITW) mit auf den Produkten ausgelobter Nämlichkeit beteiligt. Der Umfang wird mit der vereinbarten Nämlichkeit bei verarbeitetem frischem Geflügelfleisch zum 1. Oktober 2018 nochmals zunehmen. In diesem Jahr werden dann insgesamt rund 575 Millionen Hähnchen und Puten nach den Vorgaben der Brancheninitiative Tierwohl Geflügel aufgezogen. Diese enorme Breite muss auch eine Messlatte für das Tierwohllabel sein. Mir ist bewusst, dass die Schweinebranche eine solche Breite kurzfristig nicht leisten kann. Sie wird eine Übergangszeit benötigen und die kann man gut erklären und begründen.

 

Welche Kriterien sollten für die jeweiligen Stufen gelten?


Ripke: Da müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Die Kriterien für die drei Stufen sollten sich an den mit wissenschaftlicher Unterstützung geschaffenen Systemen der Initiative Tierwohl Geflügel und des Deutschen Tierschutzbundes orientieren.


Was liegt also näher, als bei der Einstiegsstufe (1. Stufe) die Kriterien der etablierten Brancheninitiative Tierwohl Geflügel anzuwenden? Wir müssen allen klar machen, dass der ITW-Standard ein deutlich höheres Tierwohlniveau darstellt, als gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies gilt erst recht im europäischen Vergleich.

Für die zweite und dritte Stufe halte ich eine Anlehnung an das bekannte Tierwohllabel des Deutschen Tierschutzbunds für sehr zielführend. Hier ist wichtige Vorarbeit geleistet worden, die es zu nutzen gilt.


Frau Klöckner denkt derzeit über „ITW plus“ in der Einstiegsstufe nach. Halten Sie das für machbar?


Ripke: Klares Nein, was die Besatzdichte angeht. Um die heimische Erzeugung mit ihren schon jetzt hohen Standards zu stärken, muss die erste Stufe zwingend die jetzigen ITW-Standards widerspiegeln. Würden die Kriterien demgegenüber noch einmal mit einem sogenannten „ITW plus“ verschärft, müsste mit rund 90 Prozent fast die gesamte deutsche Hähnchen- und Putenerzeugung darauf umgestellt werden.


Dies hätte katastrophale Auswirkungen für Schlachtereien und Verarbeitungsbetriebe. Denn es werden eben nicht alle so aufgezogenen Tiere über den LEH vermarktet, sondern nur gut ein Drittel des deutschen Hähnchen- und Putenfleisches. Trotzdem müssten erheblich höhere Mengen vorgehalten werden, um jederzeit gegenüber dem LEH lieferfähig zu sein, vor allem in der Grillsaison. Das Geflügelfleisch, das dabei unplanmäßig übrigbleibt, geht in den Großverbraucherbereich und konkurriert dort mit dem Niedrigreisangebot aus Ländern wie Polen, die deutlich niedrigere Tierschutzstandards praktizieren und dadurch erheblich geringere Kosten haben.


Was wären die Folgen?


Ripke: Wenn wir die Besatzdichte mit „ITW plus“ bei der aktuellen Stallfläche weiter reduzieren, würden wir auch das inländische Mengenangebot verknappen. Das zeigt folgende Rechnung: Bezogen auf den deutschen Gesetzesstandard von 39 kg Lebendgewicht/m² bedeutet schon der aktuelle ITW-Standard von 35 kg/m² bei Hähnchen eine Verringerung der Produktionsmenge auf rund 90 Prozent, bei 33 kg/m² sind es noch etwa 84 Prozent und bei 30 kg/m² nur noch 77 Prozent. Dann könnte nicht einmal mehr der LEH seinen Bedarf in Deutschland decken.


Ein deutsches Label mit einer derartigen Besatzdichtereduzierung in der ersten Stufe wäre also ein staatlicher Aufruf zum Import von Geflügelfleisch. Den deutschen Tierwohlbestrebungen würde damit ein Bärendienst erwiesen, der Standort Deutschland würde gefährdet. Deshalb ist die Geflügelwirtschaft strikt gegen weniger als 35 kg/m² in der Einstiegsstufe. Über weitere Inhalte kann man reden.


Inwieweit soll aus Ihrer Sicht die Initiative Tierwohl in die Organisation des Tierwohllabels eingebunden werden?


Ripke: Ich halte die Einbindung für sinnvoll. In jedem Fall sollten die bewährten Strukturen und die Organisation der Initiative Tierwohl zusammen mit der QS Qualität und Sicherheit GmbH unbedingt genutzt werden. Dazu gehört auch die QS-Datenbank.


Was ist dabei wichtig?


Ripke: Wir brauchen eine effiziente und transparente Organisationsstruktur mit kurzen Entscheidungswegen. Keinesfalls darf mit dem staatlichen Tierwohllabel ein neues Bürokratiemonster geschaffen werden. Es bietet sich also geradezu an, hier auf die bestehenden und verlässlichen Strukturen der Initiative Tierwohl und der QS zurückzugreifen. QS hat bereits sachkundiges und erfahrenes Kontrollpersonal.

 

Wie ist der aktuelle Verhandlungsstand?


Ripke: Die aktuellen Verhandlungen konzentrieren sich zunächst auf die Einführung eines staatlichen Tierwohllabels für die Schweinehaltung. Wir sind darüber besorgt. Uns war es immer wichtig, dass die grundlegenden Fragen zur Organisationsstruktur des staatlichen Labels für Schwein wie auch für Geflügel zusammen angegangen werden.


Wo liegen die Knackpunkte?


Ripke: Die Ausgangssituation ist bei Schwein und Geflügel sehr unterschiedlich. Bei Geflügel haben wir bereits eine sehr weitgehende Umstellung auf den ITW-Standard mit einer klar ausgelobten Nämlichkeit. Im Schweinesektor ist dies nicht der Fall. Die Politik muss das berücksichtigen. Ein staatliches Tierwohllabel ohne Nämlichkeit halte ich für ausgeschlossen. Verbraucher, die gelabelte Lebensmittel kaufen, müssen sicher sein können, dass diese aus am Labelsystem beteiligten Tierhaltungsbetrieben stammen.


Welche Akzeptanz wird das Label im Markt finden?


Ripke: Entscheidend ist, wie hoch die Einstiegshürden für das Label sind. Die bisherigen Erfahrungen mit bereits eingeführten Premiumlabeln zeigen, dass ihr Marktanteil mit deutlich unter fünf Prozent gering geblieben ist. Das liegt nach meiner Überzeugung an den hohen Verbraucherpreisen für die Premiumprodukte. Das neue Klöckner-Tierwohllabel darf diesen Systemfehler nicht wiederholen. Eine neue erste Labelstufe mit ITW-Standard bietet die einmalige Chance, mit niederschwelligen Verbraucherpreisen Breitenwirkung zu entfalten. Die erste Stufe dürfte damit einen breiten Marktanteil erreichen können und innerhalb des dreistufigen Labelsystems den Löwenanteil der Menge ausmachen.


Was will der LEH? Und wie positioniert er sich in den bisherigen Verhandlungen?


Ripke: Der LEH hat ein großes Interesse an einer sinnvollen Anschlussregelung für die Initiative Tierwohl. Er möchte eine harmonisierte und branchenbezogene Vorgehensweise. Dies gilt ganz maßgeblich für das Basisangebot in der ersten Stufe des Tierwohllabels: Der LEH hat sich hier nach meinem Kenntnisstand tendenziell für die Kriterien der ITW ausgesprochen. Wir werden weiter gemeinsam an den Inhalten arbeiten.


Wie kann man die Großverbraucher in die Systematik eines staatlichen Tierwohllabels einbinden?


Ripke: Vollständig nur über ein verpflichtendes Label. Wenn Frau Klöckner zunächst auf ein freiwilliges Label setzt, ist es umso wichtiger, die Großverbraucher über eine intensive, zielgerichtete Werbung in die Pflicht zu nehmen, das staatliche Tierwohllabel zu nutzen. Die in Aussicht gestellten 70 Mio. € für die Kommunikation des Labels müssen vor allem direkt und aggressiv im Großverbrauchersegment eingesetzt werden.


Lassen sich die Mehrkosten in den einzelnen Labelstufen über höhere Marktpreise wieder hereinholen?


Ripke: Diese Frage ist entscheidend für den Erfolg eines staatlichen Tierwohllabels. Mir ist klar, dass eine Finanzierung über den Markt, das heißt letztendlich über den Verbraucher an der Ladentheke, die einfachste und beste Lösung wäre. Die Realität sieht hinsichtlich der sehr geringen Marktanteile der bereits bestehenden Tierschutzlabel aber deutlich anders aus. Deshalb sind wir der Auffassung, dass eine Finanzierung der Tierwohlmehrkosten unserer Tierhaltungsbetriebe alleine über den Marktpreis nicht realistisch ist. Eine begleitende Förderung des Bundes ist somit erforderlich. Das kann eine Tierwohlprämie, die auch EU-Mittel nutzt, oder auch ein bundesweites Förderprogramm sein.


Mit dieser Forderung stehen Sie noch ziemlich allein da.


Ripke: Das stimmt so nicht. Die Bundesregierung hat verstanden, das Folgendes gilt: „Ohne Bauernwohl kein Tierwohl“, das heißt ohne begleitende und vor allem sichere Finanzierung der auf den Höfen entstehenden Mehrkosten, wird und kann es nicht genug Betriebe geben, die unter dem Labeldach mitmachen. Das staatliche Label muss in diesem Sinne beiden dienen: Dem Verbraucher und dem Tierhalter, der für ihn produziert. Insofern ist ein Bundesfinanzierungsprogramm oder eine Tierwohlprämie nur folgerichtig.


An dieser Stelle möchte ich wiederholen, dass wir als Geflügelbranche im Puten- und Masthähnchenbereich mit fast der gesamten Produktion, das heißt mit voller Breite, in die erste Labelstufe einsteigen wollen. Wir geben den niedrigeren Gesetzesstandard damit praktisch nahezu auf und können nicht riskieren, einer reinen und freiwilligen Marktlösung ausgesetzt zu sein. Von dieser müssen wir aus Erfahrung erwarten, dass sie nicht ausreichend funktionieren wird. In allen meinen Gesprächen mit Regierungs- und Parlamentsvertretern habe ich darauf hingewiesen, dass sich daraus eine Existenzfrage für die deutsche Geflügelwirtschaft ergibt. Wir sind bereit, für das Tierwohllabel viel zu tun und im wahrsten Sinne des Wortes viel (Tierwohl-Fleisch) zu liefern. Dafür bedürfen wir aber der Fürsorge und Absicherung seitens der Politik.


Neben der begleitenden Förderung brauchen wir auch ein Investitionsförderprogramm, das die für mehr Tierwohl notwendigen Um- und Stallneubauten finanziell unterstützt.


Wie geht es jetzt weiter?


Ripke: Wir führen in der gerade entscheidenden Phase der Ressortabstimmung eines Gesetzentwurfes viele Gespräche. Bundesregierung und Bundestagsabgeordnete stehen unseren Vorschlägen aufgeschlossen gegenüber. Ich finde es gut, dass der Gesetzentwurf dem Vernehmen nach fertig ist und dabei auch die unterstützende Finanzierung unserer Betreibe eine Rolle spielt. Ich bin gespannt auf die demnächst anstehende Verbandsbeteiligung zum Gesetzentwurf. Dann bekommen unsere Fakten und Anregungen formellen Charakter und werden in der Abwägung zu berücksichtigen sein.


Vielen Dank für das Gespräch!


Die Fragen stellte top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.